[Retail Analytics] Die 5 Weisen aus dem Online-Land und was der Offline-Handel von ihnen lernen kann
Im Modehandel gibt es eine interessante Ratio: Über 80 Prozent des Gesamtumsatzes liefert immer noch die klassische Filiale. Weniger als 20 Prozent der Umsätze der eigene Webshop. Dafür analysieren Händler relativ wenig das Kundenverhalten in der Filiale, KPIs hierzu sind kaum vorhanden – Reports aus dem Webshop hingegen werden reichlich generiert. Wie der Modehandel ein absurdes Ungleichgewicht in seinen Retail Analytics Bemühungen ausgleichen könnte, möchte ich hier erklären.
Kennzahlen sind für jedes Handelsunternehmen ein wichtiges Steuerungsinstrument. Man würde allerdings glauben, dass dort, wo der meiste Umsatz getätigt wird, auch das perfekte Analysefeld für weiteres Wachstumspotenzial liegt. Doch weit gefehlt. Im Omnichannel-Geschäft konzentriert sich der Retail Analytics-Aufwand groteskerweise bislang fast ausschließlich auf den Online-Channel und das, obwohl Hauptumsatzträger der stationäre Handel, also die Stores sind. Für den Webshop werden sogar eigens dafür eingestellte Experten inklusive intelligenter Analyse-Software beschäftigt, die Conversionrate, Cost-per-Order, Bounce Quote und viele weitere Kennzahlen täglich ermitteln und auswerten. Mit einem Ziel: der permanenten Webshop-Optimierung.
Warum diese Schieflage?
Ein Webshop bedeutet auf der einen Seite viel Aufwand in Suchmaschinenmarketing, optimale Sortimentspräsentation und Algorithmen, die den physischen Verkäufer ersetzen und mit virtueller Verkaufspsychologie wie z. B. „Kunden, die sich für diesen Artikel interessierten, kauften auch diesen“ trickst. Alle Aufwände in den Onlineshop werden im Sinne der „Marketing Effectiveness“ gemessen. Das ist verständlich und Unternehmerdenkweise: „Was ich reinstecke, will ich rausbekommen. Und selbstverständlich daran verdienen.“ Das Web macht Auswertungen tatsächlich einfach – besonders dann, wenn der Kunde nicht nur seine Spuren, sondern auch sein persönliches Profil hinterlässt. Im Ladengeschäft fehlten bislang die wichtigen Parameter, um analytisch genauso intelligent vorzugehen. Lediglich die Anzahl Kunden pro Tag werden mit dem Tagesumsatz und vielleicht noch mit dem gleichen Zeitraum im Vorjahr verglichen.
Die 5 Weisen aus dem Online-Land…jetzt auch im Offline-Handel
Der stationäre Modehandel, mit immer mehr Kollektionen, treibt einen enormen Marketingaufwand, um Kunden in seine Stores zu holen. Es wäre also nur konsequent, die fünf klassischen Faktoren der Erfolgsmessung anzusetzen:
- Wie hoch ist die Conversion Rate pro Kampagne (Marketing Effectiveness)?
- Welche Cross-Selling Angebote nimmt der Kunde an, welche nicht?
- Wie hoch ist die Bounce-Rate, also der Abbruch in der Umkleide-Kabine?
- Welche Kampagnenware wird aktiv bewegt?
- Wie hoch ist die Servicequalität durch das Verkaufspersonal?
Diese 5 „Weisen“, ursprünglich in der Online-Welt entstanden, sind als wertvolle KPIs auch im Filialbetrieb möglich. Die Erkenntnisse und Effekte sind für den Handel zwar neu, aber absolut sinnvoll, denn plötzlich gewinnt er Transparenz darüber, welche Artikel der Kunde zusammen zur Anprobe nimmt und welche es hingegen nie in die Umkleide schaffen. Das liefert Aufschlüsse darüber, wie die Merchandise-Präsentation auf der Fläche zu verändern, sprich zu optimieren ist. Ein Cross-Selling kann so mit großen Erfolgschancen gezielt gesteuert werden, da man Kundenpräferenzen bereits kennt. Selbst dann, wenn ein Verkäufer mal nicht anwesend ist und Vorschläge unterbreitet.
Gute Reports brauchen gute Daten
Das kennen wir aus der Online-Welt: Controlling-Dashboards brauchen natürlich eine Datenbasis. Je mehr Qualität von Reports erwartet wird, desto höher ist der Anspruch an die Datenbasis. Im Omnichannel-Business sind das die Artikelbestände. Eine Bestandspräzision von nahezu 100 Prozent, ohne manuelle Artikelerfassung, liefert endlich eine Datenqualität, die für alle Analysen verlässliche Aussagen liefert.
Den Gesamtbestand in sämtlichen Filialen inklusive der Franchiser und der Supply Chain zu jedem Zeitpunkt in Echtzeit zu kennen, bietet aber noch einen weiteren, praktischen Vorteil: Weder Kunden, noch Verkäufer müssen nach Artikeln suchen. Ein physisches „Umherirren“ in der Abteilung entfällt, sofern über ein mobiles Endgerät der exakte Aufenthaltsort des Artikels angezeigt wird. Das Verkaufspersonal kümmert sich viel mehr um den Kunden, fest installierte Deckenleser („Fixed Reader“) wissen jederzeit, welcher Artikel sich wo befindet. Via Tablets greifen Verkäufer auf Echtzeitdaten der gesamten Kette zu, können direkt Reservierungen durchführen und Verfügbarkeitszusagen machen, die im Omnichannnel-Geschäft so wichtig sind.
Für mehr Service am Kunden
Der digitale, analysefähige Store bietet wunderbare Möglichkeiten für individuellen Kundenservice. Touchscreen-Anzeigen in der Umkleidekabine bieten dem Kunden eine Live-Artikelverfügbarkeitsanzeige über einen Wunschartikel in einer anderen Größe. Ist der Artikel in dieser Filiale ausverkauft, wird dem Kunden alternativ angezeigt, in welcher anderen Filiale er verfügbar ist. Dort kann der Kunden ihn sofort im Bestand reservieren, um ihn später abzuholen oder sich nach Hause schicken zu lassen.
Er kann außerdem die „call-for-assistance“ Funktion betätigen, um sich von einer Verkäuferin einen Artikel noch von einer anderen Marke bringen zu lassen. Diese digitale Funktion spielt gleichzeitig den Trumpf des stationären Handels aus: Die persönliche Beratung. Sie erfährt eine neue Dimension und ist als Servicequalität auswertbar. Sie eröffnet die Möglichkeit, Optimierungspotenziale zu Warenverfügbarkeit, automatischem Nachschub und mehr Zeit für den Kunden zu aktivieren.
Doch Analytics unterstützt den Verkäufer auch in seiner beratenden Rolle. Sein Tablet „erkennt“ den aktuellen Beratungsartikel durch eine automatische Artikelidentifizierung und „pusht“ ihm passend dazu weitere Artikel und Accessoires. Diese „Empfehlungs-Funktion“ (Kunden, die diesen Artikel kauften/sich interessierten, kauften/interessierten sich auch für diesen) kennen wir aus dem Online-Handel, als verkaufsfördernde „recommendations“. Dort verführt sie uns seit langem, mehr zu kaufen. Und das erfolgreich. Warum nicht auch im Store? Besonders dann, wenn zu den perfekt zu kombinierenden Kleidungsstücken, zusätzlich die Artikelverfügbarkeit und Lokation im Store für eine verkaufsorientierte Beratung ausgeworfen werden.
Könnte der Filialkunde am Ende noch eine Sofort-Bewertung, wie im Online-Shop hinterlassen, würde er die volle Sternchenzahl für solch einen Service abgeben. Ganz sicher.
Detego CEO Uwe Hennig ist Experte für Omnichannel-Business im Modehandel.
„Webshop Analysen liefern wertvolle Einsichten in Kundenverhalten und ermöglichen eine optimale Sortimentspolitik. Genau diese brauchen Händler im Store auch.“
Beitragsbilder: Detego
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