brand eins Konferenz ‚Zukunft des Handels‘
Ich war am vergangenen Donnerstag auf der brand eins Fachkonferenz „Künstler gesucht! Die Zukunft des Handels“ und bin begeistert. Ich war bei all den Konferenzen der letzten Jahre nur wirklich selten auf einer derart guten Veranstaltung.
Doch vorab, damit es keine Missverständnisse gibt, ein Disclosure: Das Ticket für die Konferenz habe ich gewonnen. Wer mich kennt weiß, dass ich häufig über Presseakkreditierungen kostenfrei an Konferenzen teil nehme, mich dies aber nie zu einer Hofberichterstattung verleitet. Doch zurück zur Konferenz und warum ich von dieser so begeistert bin.
Location und Versorgungslage
Ich gebe zu, dass ich als Hamburgerin Fan meiner Stadt bin. Doch nicht jede Eventlocation passt zur Veranstaltung. Brand eins hat hier ein gutes Händchen bewiesen und mit dem Prototyp Hamburg in der Hafencity eine tolle Location ausgewählt.
Dass das Automuseum Prototyp schon im Jahre 1906 erbaut wurde, sieht man noch maximal von aussen. Innen ist alles neu, stylish nüchtern, hell und einfach angenehm.
Während des sehr entspannten Check-Ins, ohne lange Schlangen, ohne genervte Teilnehmer, spielte eine kleine Jazz-Band, was sehr zu der professionell entspannten Atmosphäre beitrug. Als es am Ende der Konferenz noch ein paar Drinks gab, spielten sie wieder. Sehr nett!
Beim Check-In erhielt ich nicht nur mein ausreichend großes Namensschild (wenn frau älter wird, ist sie dankbar, wenn die Schrift nicht zu klein ist) sondern auch meine eigene Halb-Liter-Glas-Trinkflasche. Ich konnte sie noch mit meinem Namen versehen, damit sie mir nicht verloren geht oder jemand anderes daraus trinkt.
An mehrere Stellen standen dann verschiedene Bio-Fruchtsirups und gekühltes Wasser zur Verfügung, so dass man sich jederzeit einen leckeren Saft mixen konnte.
Es gab natürlich auch noch fertig befüllte Gläser vom durchweg sehr höflichen Personal, aber ich fand die nachhaltige Saft-Selbst-Abfüll-Flasche von RatioDrink eine tolle Idee.
Bevor ich zum Programm und den Rednern komme, möchte ich hier das Thema Versorgung/Catering abschließen. Alles war ausgesprochen lecker und wurde von ganz hervorragendem Personal schnell und professionell serviert.
Ich betone dies so ausdrücklich, weil ich dies auf vielen Konferenzen auch schon anders erlebt habe. Hier gefiel mir die lockere, freundliche und hilfsbereite Art des gesamten Teams.
Format, Programm und Speaker
Es ging, wie der Titel der Konferenz schon sagte, um die Zukunft des Handels. Allerdings ging es weniger um Technologien, über die ich ja meist schreibe und referiere. Es ging um Personal und Führung, es wurden eben „Künstler gesucht“.
Wie kann der Handel in schwierigen Zeiten gute Leute finden? Und wie hält man sie, wenn man sie hat? Können Daten wirklich Verkäufer ersetzen? Muss ein Händler heute nicht nur verkaufen, sondern auch produzieren, erfinden und entwickeln? Oder reicht es, eine Plattform anzubieten? Welche Ideen und Modelle funktionieren heute schon – und machen Mut für die Zukunft?
Das Line-up der Speaker konnte sich sehen lassen und ich möchte aus dem Programm meine ganz persönlichen Highlights heraus greifen.
Raum für Dialog und Persönlichkeit
Schnell noch etwas zum Format dieser Konferenz, das ich wirklich sehr genossen habe. Die meisten Redner haben keine foliengestützten Fachvorträge gehalten, sondern wurden auf der Bühne von den brand eins Redakteuren interviewt. Hier war deutlich zu spüren, dass die Redakteure sich eingehend und sehr persönlich schon vor der Konferenz mit den Rednern ausgetauscht hatten.
Es war immer von Beginn an eine vertrauensvolle Atmosphäre auf der Bühne und alle Redakteure haben den Speakern Raum für ihre teils sehr starken Persönlichkeiten gelassen, sie sogar befördert. Ganz im Sinne des Konferenz-Mottos, dass Menschen von sich und ihrem Umgang mit Menschen und Problemstellungen erzählen und wie sie damit die Zukunft des Handels gestalten. Und so konnten wir erfrischend offen und frei sprechende Unternehmer und Fachleute erleben.
Götz W. Werner, Gründer dm
Der erste Charakter auf der Bühne war Götz W. Werner, Gründer und inzwischen Aufsichtsrat von dm-drogerie markt. Er räumte auf, mit „Bei uns steht der Kunde immer im Mittelpunkt“. Da stünde er dann ja im Weg. Vielmehr müsse alles Handeln eines Unternehmens sich auf den Kunden beziehen, damit stünde er nicht in der Mitte sondern sei immer das Ziel allen Handelns.
Auch machte er sehr deutlich, dass Führungskräfte auf dem falschen Weg wären, wenn sie meinten, sie müssten für ihre Mitarbeiter immer Antworten auf deren Fragen haben. Er sei dazu übergegangen, seinen Mitarbeitern Fragen zu stellen und ihnen so zu helfen, eigene Antworten zu finden.
Aus Götz W. Werner sprudelten nur so die Gedanken und er hat vielen im Raum mit seinen Ausführungen zu denken gegeben. Ein toller Auftakt für eine Konferenz.
Kathrin M. Möslein, Forscherin
Kathrin M. Möslein forscht und lehrt an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Professor für Wirtschaftsinformatik im Themenfeld „Innovation & Wertschöpfung“ und leitet in Leipzig das Center for Leading Innovation & Cooperation (CLIC). 2014 eröffnete sie gemeinsam mit dem Fraunhofer IIS in der Nürnberger Innenstadt das„Josephs“ als offenes Innovationslabor.
Einer ihrer ersten Aussagen kann ich nur voll zustimmen. Das Gejammer, Online-Händler wären das einzige Problem, nervt Frau Möslein genau so wie mich.
Das Josephs liegt in der Innenstadt, hat normale Öffnungszeiten. Hier können Marken, Start-ups und auch Handelsunternehmen an eigenen Inseln (in der Grafik oben rechts) zufällig herein kommende Kunden basteln, ausprobieren, werkeln lassen, je nachdem wie die eigene Fragestellung aussieht. Im Josephs sind immer Mitarbeiter des Frauenhofer IIS anwesend, die erklären, anleiten, aber auch beobachten und dokumentieren, was die Nutzer machen.
Da jede Insel immer ein Forschungsprojekt ist, das intensiv gemeinsam vorbereitet und vor allem auch mit den dann vorliegenden Ergebnissen nachbereitet wird, ist es nicht zuletzt durch das qualifizierte Personal vor Ort recht aufwändig. Eine Insel ist daher auch nicht unter 50.000 Euro buchbar. Preise sind sicherlich nicht vollständig in Stein gemeißelt, doch es geht eben nicht um hohe Frequenz und Umsätze im Josephs sondern um Forschungsergebnisse. Immerhin hat das Josephs Break-Even erreicht.
Mein erster Gedanke war, wann es weitere Josephs noch in anderen deutschen Städten geben würde, aber Frau Möslein wiegelte ab. Sie sehen sich als Forscher, nicht als Franchisegeber für dieses Konzept. Sie arbeiten international mit Partnern in Bangalore, Cambridge oder Taichung zusammen, für Deutschland seien aber keine weiteren Läden geplant. Schade eigentlich, denn im Land der Ingenieure, Tüftler und Erfinder gäbe es sicherlich noch genug Raum für Innovationslabore wie das Josephs, um die Zukunft des Handels zu gestalten.
Es war sehr, sehr spannend und inspirierend, K.M. Möslein zuzuhören und wir werden schauen, dass wir das Josephs noch einmal ausführlich bei uns vorstellen können.
https://twitter.com/iamkaracho/status/781442835409170432
Benjamin Walther, Augenoptiker
Benjamin Walther ist Augenoptiker in Leer (ja, das Leer in Ostfriesland!) – und eigentlich kann sein Geschäftsmodell gar nicht funktionieren: In seinem Laden nimmt er sich für jeden Kunden rund eineinhalb Stunden Zeit, er investiert in teuerste Messgeräte und zeigt in seinem Schaufenster keine schicken Brillenfassungen. Und doch kommen die Kunden sogar aus dem Ausland und warten auch Wochen auf einen Termin.
Der quirlige Augenoptiker war wirklich großartig. Zumal er gemeinsam mit Jens Peter Klatt von Mister Spex auf der Bühne stand. Gegensätzlicher konnte es fast nicht sein.
Beträgt der Durchschnittsbon bei Mister Spex 170 Euro, so kommt Walther auf 1.450 Euro. In seinem Laden in Leer arbeiten, ihn eingeschlossen, drei Personen. Montags ist der Laden geschlossen, auch wenn in Leer alle bekannten Optiker vertreten sind. Walther macht im Jahr über eine Million Euro Umsatz. Er sagt dazu:
Es kam nicht zum wirklichen Schlagabtausch auf der Bühne, aber die meisten Lacher waren doch auf Walthers Seite.
Florian Niedermeier, Markthalle
Der Augsburger Florian Niedermeier hat sich mit der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg einen Lebenstraum erfüllt. Zusammen mit zwei Freunden übernahm er 2011 die riesige Halle von der Stadt und revitalisierte sie: Jetzt findet man dort gutes Essen und innovative kulinarische Kreationen und Formate, es gibt einen Wochenmarkt und einen Lieferservice. Hoferzeuger, Sterneköche und Food-Aktivisten kommen hier zusammen.
Niedermeier erzählte von anfänglichen Schwierigkeiten, die Finanzierung zu stemmen und die Stadt Berlin überhaupt davon zu überzeugen, nicht an den Höchstbietenden zu verkaufen sondern an denjenigen mit dem besten Konzept. Er schmiss Rewe aus dem Rennen und heute ist die Markthalle Neun ein lebendiger Marktplatz in Kreuzberg. 170 Jobs wurden geschaffen und sie entwickelt sich zunehmend zu einem lokalen Wirtschaftsinkubator, aus dem schon einige Start-ups hervor gegangen sind. Auch hier entsteht die Zukunft des Handels.
In den Kopfgebäuden der Halle waren noch Händler, mit denen sich Niedermeier aber hat einigen können, dass sie ausziehen, damit das Gesamt-Konzept stimmig ist. Einzig ein einziger Aldi ist noch vor Ort und dieser wird im Kreuzberger Kiez nun von einigen politisch links zu verortenden Anwohnern verteidigt. Nicht alle Kreuzberger könnten sich die teuren Lebensmittel in der Markthalle Neun leisten und wären auf die Nahversorgung durch den Discounter angewiesen. Die Positionen erscheinen unversöhnlich, aber Niedermeier ist davon überzeugt, gemeinsam eine Lösung finden zu können.
Wolfgang Meyer und Thomas Quasthoff, Musiker
Wolfgang Meyer ist Musikalienhändler in seiner Heimatstadt Detmold, wo er 1998 das „Haus der Musik“ gründete, ein Ladengeschäft für Instrumente und Noten, in dem er auch regelmäßig Konzerte und Workshops veranstaltet. Meyer schafft es, Internet und Technik für seine Zwecke optimal zu nutzen: ein vorbildlicher Webshop, zu dem die Kunden über Crowdsourcing selbst viel beitragen, virtuelle Lager bei den Großhändlern, so dass ein riesiges Sortiment ohne Logistik und Lagerhaltung schnell verfügbar ist, liebevolle Pflege der Social Media Kanäle und der Netzwerke.
Meyer erzählte mit spürbarer Begeisterung von den Chancen, die sich für ihn als Musikalienhändler in einer mittelgroßen Stadt wie Detmold ergeben und sein Erfolg gibt ihm recht. Alle seine Kommunikationskanäle bedient er persönlich, denn…
Nicht immer teilte ich seine Auffassung, denn ich halte die Online-Pure-Player für durchaus anpassungsfähig.
Ein beeindruckender Unternehmer, der die Digitalisierung für sich zu nutzen weiß. Und ein hervorragender Musiker ist er auch. Am Ende der Konferenz spielte er mit seinem Freund Thomas Quasthoff auf und wir kamen noch in den Genuss einiger Jazz-Evergreens.
Fazit
Ich möchte den anderen Rednern auf keinen Fall Unrecht tun. Es war durchweg spannend, lehrreich und unterhaltsam. Stefan Sebök erzählte ausführlich von Horando, dem Online-Shop für Luxusuhren, in dem Kunden eine Uhr schon einmal 20 Prozent günstiger bekommen könnten und warum für ihn ein stationärer Showroom so wichtig sei. Viola Fuchs, die mit ihren Gewürzläden Erfolge feiert oder auch Sabine Gaues, die nach der Scheidung von ihrem Mann Jochen Gaues begann, ihr eigenes Bäckerei-Unternehmen aufzubauen und heute 40 Angestellte hat. Und noch viele mehr, die heute erfolgreich die Zukunft des Handels gestalten.
Ich kann unmöglich allen hier Raum geben, auch wenn sie es alle verdient hätten. Und so ist es eben eine – wie eingangs schon erwähnt – sehr persönliche Auswahl. Wenn es von brand eins in den kommenden Tagen noch Rückblicke, Bilder, Artikel und Videos gibt, werde ich meinen Artikel mit den Links ergänzen.
Kann ich die brand eins Konferenz empfehlen? Ja, uneingeschränkt. Die 700 Euro für ein Ticket sind gut investiert in einen sehr inspirierenden Konferenztag, der nicht nur Kopf und Körper sondern auch den Geist hervorragend mit einbezieht.
Dass ich nicht allein mit meiner Meinung bin, haben meine Gespräche mit anderen Teilnehmern gezeigt. Alle bestätigten mir unisono, dass die Konferenzen von brand eins immer Spitzenklasse wären und sie immer wieder gern daran teilnehmen würden.
In diesem Sinne freue ich mich schon, bei weiteren Konferenzen von brand eins dabei zu sein.
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