Kein Aprilscherz: Aldi gibt sein Online-Business auf
Während andere Händler fieberhaft nach digitalen Geschäftsmodellen suchen, zieht Aldi den Stecker – und wirft damit die große Frage auf: Ist der E-Commerce für Discounter ein Irrweg?
Was ist passiert?
Aldi, einer der größten und bekanntesten Discounter Deutschlands, hat überraschend angekündigt, seinen Onlineshop zum 30. September 2025 einzustellen. Diese Entscheidung betrifft sowohl Aldi Nord als auch Aldi Süd und beendet damit ein digitales Kapitel, das erst 2021 eröffnet wurde.
Der Onlineshop hatte sich bislang auf den Verkauf von Non-Food-Artikeln konzentriert – darunter Technik, Haushaltsgeräte, Aktionsware und gelegentlich auch Gartenmöbel oder Kleidung. Ein klassischer Lebensmittelversand war – anders als bei Wettbewerbern wie Rewe oder Amazon Fresh – nie Teil des Modells. Der Fokus lag vielmehr auf dem Onlinevertrieb von Sonderaktionen, wie sie Kund:innen aus den bekannten Prospekten kennen.
Trotz wachsender E-Commerce-Zahlen im deutschen Einzelhandel zieht Aldi nun die Reißleine. Als Begründung gibt das Unternehmen an, dass man sich zukünftig wieder stärker auf das Kerngeschäft im stationären Handel konzentrieren wolle. Die rund 80 Mitarbeiter:innen, die direkt am Onlineshop gearbeitet haben, sollen nach Angaben von Aldi möglichst intern weiterbeschäftigt werden – eine soziale Lösung wird angestrebt.
Diese Ankündigung kommt in einer Zeit, in der viele Händler ihre digitalen Vertriebskanäle eher ausbauen als zurückfahren. Umso mehr überrascht der radikale Schritt eines Konzerns, der ansonsten für seine nüchterne und strategisch kluge Expansion bekannt ist.
Wesentliche Punkte
- Schließung des Onlineshops: Aldi beendet den Betrieb seines Onlineshops zum 30. September 2025.
- Betroffene Mitarbeiter: Rund 80 Beschäftigte sind von der Schließung betroffen.
- Angebot des Onlineshops: Fokus lag auf Aktionsware und Non-Food-Produkten.
- Start des Onlineshops: Einführung erfolgte im Jahr 2021.
- Begründung: Aldi sieht den stationären Handel weiterhin als Kern seines Geschäftsmodells und möchte sich auf seine Filialen konzentrieren.
Warum ist das für dich relevant?
Die Entscheidung von Aldi, den Onlineshop einzustellen, ist ein deutliches Signal – und es hat das Potenzial, eine Zäsur für die gesamte Discountbranche zu markieren. Während der Lebensmitteleinzelhandel zunehmend auf digitale Ergänzungen zum stationären Geschäft setzt, kehrt der Pionier des Discountprinzips diesem Trend bewusst den Rücken. Das wirft nicht nur Fragen auf, sondern bringt auch grundlegende Marktmechanismen ins Wanken.
Der Schritt stößt eine wichtige Frage auf: Stößt das klassische Discountmodell online an seine Grenzen? Aldi hat sich über Jahrzehnte durch eine radikal vereinfachte Wertschöpfungskette, schlanke Prozesse und kompromisslose Effizienz profiliert. Diese Prinzipien lassen sich jedoch nur schwer auf den E-Commerce übertragen. Onlinehandel bedeutet Komplexität: Lagerhaltung, Retourenmanagement, Lieferlogistik, IT-Infrastruktur und ein verändertes Kundenserviceverständnis – all das steht im Widerspruch zum ursprünglich auf Vereinfachung ausgelegten Geschäftsmodell der Discounter.
Für die Branche ist das ein bemerkenswertes Eingeständnis. Denn während viele Akteure aus dem Discountsegment versuchen, das digitale Spielfeld zu betreten, zeigt Aldi nun offen, dass nicht jeder Kanal zum Erfolg führt – und dass es mehr braucht als nur einen Onlineshop, um im digitalen Handel nachhaltig bestehen zu können.
Zugleich verdeutlicht dieser Schritt auch eine strategische Neuausrichtung, die viele Unternehmen zum Nachdenken bringen sollte: Nicht jeder Trend ist ein Muss. Die Entscheidung, bewusst auf E-Commerce zu verzichten, kann ebenso unternehmerische Weitsicht beweisen wie der mutige Schritt in neue digitale Märkte. Es ist eine klare Rückbesinnung auf das, was Aldi groß gemacht hat: Konzentration auf das Wesentliche, maximale Effizienz, klare Sortimente und der direkte Kontakt zur Kundschaft vor Ort.
Was lernt man daraus?
Für kleine und mittelständische Handelsunternehmen bietet diese Entwicklung eine wichtige Lektion: Digitale Transformation darf kein Selbstzweck sein. Sie muss zur DNA des Unternehmens passen, wirtschaftlich sinnvoll umgesetzt und mit einem echten Kundennutzen versehen sein. Aldi zeigt – wenn auch auf ungewöhnliche Weise –, dass der Verzicht auf Digitalisierung in bestimmten Bereichen eine ebenso strategische Entscheidung sein kann wie ihre Einführung.
Besonders für den Discountbereich gilt: Das digitale Spielfeld ist kein Selbstläufer. Kunden erwarten im Onlinekontext andere Servicelevels, mehr Auswahl, bequeme Prozesse und schnelle Lieferzeiten – Anforderungen, die mit dem traditionellen Discountversprechen kaum vereinbar sind. Damit rückt eine Kernfrage in den Fokus: Müssen die Geschäftsmodelle der großen Player komplett neu gedacht werden, um in der digitalen Welt bestehen zu können? Oder ist das Lidl-Modell eines, das zeigt, dass es geht?
Fehlt der lange Atem?
Ein oft unterschätzter Aspekt bei der Einführung neuer Geschäftsmodelle – insbesondere im digitalen Raum – ist der Faktor Zeit. Studien und Erfahrungswerte zeigen: Es dauert im Schnitt mindestens fünf Jahre, bis ein neues Geschäftsmodell nicht nur etabliert, sondern auch wirtschaftlich tragfähig ist. In dieser Zeit sind Verluste, Rückschläge und Kurskorrekturen eher die Regel als die Ausnahme. Zalando und andere Pure Player haben es gezeigt.
Vor diesem Hintergrund wirkt die Entscheidung von Aldi, den Onlineshop nach nur vier Jahren wieder einzustellen, wie ein verfrühtes Urteil. Kann man in so kurzer Zeit wirklich beurteilen, ob ein Geschäftsmodell im E-Commerce Potenzial hat? Oder fehlte es schlicht an der nötigen Geduld, den richtigen Erfahrungen – und einer langfristigen Vision, wie ein solches Angebot zur Marke Aldi passen könnte?
Denn eines ist klar: Onlinegeschäft ist kein Plug-and-Play-Modell. Es braucht strategische Ausdauer, digitale Kompetenz und ein tiefes Verständnis dafür, wie sich Kund:innen online bewegen, einkaufen und Marken wahrnehmen. Wer in diesem Feld erfolgreich sein will, muss bereit sein, langfristig zu investieren – nicht nur finanziell, sondern auch kulturell und organisatorisch.
Die Schließung des Aldi-Onlineshops ist also nicht nur ein Unternehmensbeschluss – sie ist ein Weckruf für alle Händler:innen, die glauben, man könne Digitalisierung „nebenbei“ erledigen. Wer online mitspielen will, muss das Spielfeld kennen – und das Spiel ernst nehmen. Was aber bei jedem Spiel elementar ist: üben, üben, üben.
Es bleibt spannend!
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