ZDE Podcast 150: Frische Ideen für neue Konzepte
Die Handelsstandorte brauchen neue Konzepte, mit denen man neue Besuchsanlässe schafft. Wie man die findet, wie man dabei am Besten vorgeht erklärt uns heute Markus Kratz von KPlus.
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Das ist heute ein Mini-Jubiläum, wir haben nämlich die Folge 150. Meine Güte, wie schnell die Zeit vergeht! Hätte ich nie gedacht, dass wir, auch dank Marilyn Repp, eine so hohe Schlagzahl hinkriegen und auch diese Menge an Podcasts für euch dementsprechend rausbekommen.
Worum geht es heute? Wir hören in vielen Ecken, dass in den Städten einiges passieren muss, aber auch im Bereich Retail. Und wir reden da gerade auch von den Großflächen, die wir in den Innenstädten haben, das heißt, ehemalige Warenhäuser, große Bekleidungshäuser, die kann man ruhig auch mal damit hinzuzählen, und natürlich auch Shoppingcenter, die häufig mal ein 2. Etage-Problem haben, aber die im Grunde genommen noch ganz gut funktionieren, aber sich jetzt schon Gedanken darüber machen müssen. Wir haben da schon einiges darüber geschrieben, hier auf Zukunft des Einkaufens. Was muss ich denn tun, um einen möglichen drohenden Frequenz Rückgang jetzt schon präventiv aus dem Wege zu gehen? Dafür braucht man Experten, die mit frischen Ideen Formate entwickeln, die dann in so eine Innenstadt reinkommen, die auch, weil sie nicht unbedingt immer Handel sind, auch wieder für neue Besuchsanlässe sorgen. Und da habe ich einen Experten ans Mikrofon geholt, der sich schon sehr, sehr lange mit diesem Thema beschäftigt, der eigentlich aus einer ganz anderen Ecke kommt. Aber wie es manchmal so ist, das Leben schreibt manchmal tolle Drehbücher und ich schalte ihn jetzt einfach mal zu uns ins Studio und dann treffen wir den Markus.
Frank Rehme: Ich habe den lieben Markus Kratz bei mir jetzt mal vors Mikro geholt.
Hallo Markus, Grüß dich.
Markus Kratz: Hallo Frank, Grüß dich.
Frank Rehme: Markus, ich habe euch ja schon lange beobachtet. Ihr sitzt hier um die Ecke in Düsseldorf und ihr macht ganz tolle Dinge. Und ich habe mal überlegt, Mensch, irgendwann musste mit dem Mann sprechen, weil der genau an den gleichen Themen arbeitet, die dich auch immer interessieren. Markus, was macht ihr? Was macht kplus? Erzähl mal!
Markus Kratz: kplus ist eine ganz spannende Firma und wir beschäftigen uns mit der Customer Journey. Mein Hintergrund ist das Kommunikationsdesign. Meine Frau ist Innenarchitektin. Im Jahre 2005 haben wir gemerkt, die beiden Bereiche haben viel miteinander zu tun, die ergänzen sich sehr schön. Inzwischen sind wir gewachsen auf 25 Mitarbeiter in Düsseldorf und Leipzig. Die Mitarbeiter kommen aus unterschiedlichen Bereichen, es sind Grafiker, Architekten, Innenarchitekten, Webdesigner, Ausstellungsdesigner, die alle an der Customer Journey arbeiten. Das heißt, wir versuchen wirklich, ein nahtloses Erlebnis zu inszenieren.
Frank Rehme: Und da habt ihr natürlich viele Projekte gemacht und da möchte ich sofort mit euch mal einsteigen. Gib mal so einen kurzen Querschnitt, an welchen Ecken ihr diese Themen schon bearbeitet habt?
Markus Kratz: Wir sind ja sehr stark im Shoppingcenter-Bereich unterwegs. Wir haben die Höfe am Brühl gemacht in Leipzig, das war unser erstes großes Projekt. Wir haben das Minto gemacht in Mönchengladbach. Haben jetzt in Aschaffenburg ein neues Shoppingcenter oder ein Shoppingcenter refurbished, das ist komplett neu aufgestellt. Arbeiten aber auch an kleinen Shoppingcentern hier in Monheim um die Ecke, die Holzweg-Passage. Wir sind da ganz breit aufgestellt und wir sagen immer so: „Wir arbeiten von der Pommesbude bis zum riesigen Shoppingcenter in allen Bereichen.“
Frank Rehme: Und Shoppingcenter hatte ich hier auf Zukunft des Einkaufens, aufmerksame Hörerinnen und Hörer werden sich vielleicht daran erinnern, haben wir dieses Thema Shoppingcenter schon öfters mal bearbeitet? Shoppingcenter sind ja auch in so einer Krise, kann man schon fast sagen. Ich kann immer nur darauf verweisen, geht mal auf Facebook und da gibt es sogar eine Webseite auf der Small Enthusiast, da gibt es nur Bilder von toten Shopping Malls, ist wirklich so eine Lost Places-Sammlung. Und so langsam beobachten wir hier auch, wie Shoppingcenter immer mehr an Bedeutung auch teilweise verlieren, folgen jetzt eigentlich dem Schicksal der großen Warenhäuser und da muss man einiges machen. 2. Etage-Problem haben wir oft genug besprochen. Wie siehst du die Zukunft von Shoppingcenter und was sind Rezepte, um so eine sichere Zukunft auf die Beine zu stellen?
Markus Kratz: Ich glaube, Shoppingcenter müssen sich wandeln. Das reine Retail reicht nicht mehr aus, um die Menschen zu begeistern. Die Menschen kaufen inzwischen auch viel im Internet, wissen wir ja alle, aber ich glaube, die Menschen haben trotzdem noch eine Journey, wie sie den Tag erleben, was sie machen. Ein gutes Beispiel ist unser Projekt in Aschaffenburg, da haben wir zum Beispiel große Flächen in der Dachfläche, die früher Lagerflächen waren, in einen Kindergarten gewandelt. Und das zeigt eigentlich sehr gut, Menschen, die Kinder haben, bringen morgens ihre Kinder zum Kindergarten, parken auch im Shoppingcenter, können dann da auch einkaufen gehen. Das Gleiche kann passieren, wenn man die Kinder abends wieder abholt. Das heißt, wir müssen uns daran orientieren, wie leben die Menschen eigentlich heutzutage? Was brauchen die so im Laufe des Tages? Und ja, das ist nicht zum Frühstück ein Pullover, zum Mittagessen Pullover und zum Abendessen Pullover, sondern man braucht auch mal einen Kaffee oder man möchte irgendwie ein Convenience-Produkt mitnehmen, was man zu Hause erwärmen kann. Man möchte ein Erlebnis haben, man geht vielleicht zur Massage. Also es muss auch nicht immer was Materielles sein, was im Shoppingcenter zu kriegen ist.
Frank Rehme: Damit folgen die Shoppingcenter eigentlich dem, was Innenstädte auch generell haben. Also die Magnetwirkung von Handel, auch in gesamten Innenstädten, nimmt immer mehr ab und man muss praktisch neue Besuchsanlässe schaffen, von denen du auch gerade geredet hast. Damit sprichst du doch sicherlich auch komplett andere Zielgruppen an, oder?
Markus Kratz: Ja, absolut. Die Zielgruppen wandeln sich ja auch. Ich meine, ich bin noch aus der Generation „Ich bin 18 geworden, will unbedingt ein Auto haben und damit durch die Gegend fahren“. Wenn man sich die jungen Leute anguckt, dann sagen die: „Ach, ein Auto brauche ich gar nicht mehr, ich habe ein iPhone.“ Also da merkt man schon, man muss die Menschen auch, je nachdem wo sie stehen, in ihrem Lebenszusammenhang und auch von ihrem Alter komplett anders abholen. Ich sage mal, ein großes Thema ist vielleicht eCommerce, eSports viel mehr, wo man sagen kann, wenn man in so eSportplätzen ist, dann begeistert das die Jugend, da sitzen dann wirklich 40 Leute und fiebern. Und ja, so was sehe ich noch nicht in dem traditionellen Shoppingcenter im Moment, aber ich glaube, in Zukunft wird das ein Riesenthema werden, dass man mehr Erlebnisse schafft, dass man dort mit seinen Freunden irgendwie riesige Soccer-Maschinen bewegt. Und Entertainment wird definitiv ein ganz, ganz großes Bein oder Standbein oder Baustein für die Shoppingcenter werden.
Frank Rehme: Also dieses Thema eSports, ich habe mich da auch mal mit beschäftigt, das ist ja ein Riesenmarkt mittlerweile geworden. Auch wenn du dir mal anguckst, ich habe mir diese App mal runtergeladen, Twitch, wie viele Menschen Leuten beim Zocken zugucken, ist unfassbar, was da abgeht. Und ich habe mit Experten gesprochen aus dem Bereich, die erzählt haben, dass die Bundesligavereine alle riesige eSports-Abteilungen haben und sogar ein Bundesligaverein seine Lizenz nur behalten hat, weil er viel Umsatz mit eSports macht.
Markus Kratz: Und das ist ja auch so ein Tipp, weil ich glaube, bei eSports kann man auch sehr gut Sponsoren mit ins Boot bringen. Und ich glaube, das ist auch so eine Erfahrung, die wir gemacht haben. Es ist nicht mehr so simpel zu sagen, ich habe hier einen Laden, ich nehme jetzt so und so viel Euro pro Quadratmeter. Da müssen auch Finanzierungsmodelle her, die weitaus komplexer sind im Sinne von, da müssen Sponsoren vielleicht ran, da muss man Geld vielleicht in Teilzahlung erbringen, in kleinen Anteilen oder so was. Aber dieses einfache „Ich habe hier einen Quadratmeter, den verkaufe ich dir“, das wird in Zukunft schwieriger werden. Und wenn man da entsprechende Modelle hat oder entwickelt, dann denke ich mir, funktioniert das auch sehr gut.
Frank Rehme: Was ich in meiner Arbeit mit Handel und Kommunen festgestellt habe, ist immer, wenn einem erstmal nichts Besonderes einfällt, dann kommt man in erster Linie auf Pop Ups und die nächste Runde ist dann immer Gastro. Was gibt es denn darüber hinaus, wenn man jetzt mal nicht die erste Idee nimmt, sondern ruhig mal ein bisschen weiter kramt in der Kiste der Ideen? Was kann man denn noch machen?
Markus Kratz: Es gibt ja riesige Flächen. Ich war letztens in Berlin im Shoppingcenter, da war eine Tanzschule drin, fand ich super, die brauchen Flächen. Die Zeit ist auch so ein Thema, wir müssen auch die Zeit ausdehnen. Ich weiß noch genau, meine Frau hat ihren Abschluss gemacht zu dem Thema Aldi Rand, das ist jetzt ein paar Jahre her, das war eine Idee in einem Aldi vorne in der Kassenvorzone, wo man damals noch die Produkte so einpackte ein Restaurant aufzumachen. Also wenn man so eine Immobilie hat, muss man vielleicht auch mal überlegen, wie kann ich die denn auch nachts nutzen? Es bringt nichts, nur zu sagen um 20:00 machen wir die Türen zu, da verschenkt man eine Menge an Potenzial, also auch die Zeitachse ist da ganz wichtig.
Frank Rehme: Jetzt sehen wir gerade in Berlin, da hat jetzt die ehemaligen Potsdamer Platz Arkaden, die Playce jetzt heißen, die sind hin und haben gesagt, wir sind eigentlich kein Shoppingcenter, wir sind ein Quartier, wir sind rund um die Uhr geöffnet. Die haben auch Formate da drin, die dementsprechend auch das bespielen, also auch neue Ansätze.
Markus Kratz: Ja, da muss Leben rein, da muss vielleicht Verwaltung rein, also einfach das, was die Menschen in ihrem Alltag brauchen. Wir haben den Hürth Park gerade refurbished, neu gemacht, das ist ja quasi die Innenstadt von Hürth. Da ist das Straßenverkehrsamt drin, da laufen ganz viele Leute mit ihren Nummernschildern zum Straßenverkehrsamt, aber dadurch kommt Traffic in die Mall und die brauchen dann auch was zu essen, brauchen auch einen Pullover und orientieren sich dann da neu.
Frank Rehme: Also komplett neue Anlassbezüge schaffen irgendwie solche Dinge dann auch zu besuchen. Jetzt steht Folgendes bevor, ich will es nicht herbei beschwören oder Unkenrufe machen, aber wir haben gehört, dass zum 3. Mal ein großer Warenhauskonzern nach Staatshilfe schreit. Ich glaube, so langsam verliert auch der Staat die Lust, da immer weiter einzuspringen. Zumal, wenn man manchmal feststellt, dass die Staatshilfen dann für die Mietzahlungen, die aber an einen großen Bruder rangehen. Da wird einiges auf die Städte zukommen, also ich kenne viele Städte, in denen diese Kaufhaus-, Warenhaus-Leichen drin rumstehen und die wirklich dann der letzte Magnet auch einer Innenstadt war. Da muss man sich auch etwas Schnelles einfallen lassen, oder?
Markus Kratz: Da müssen auch sicherlich nichtkommerzielle Anlässe in die Innenstädte kommen und die Warenhäuser bieten auch die Möglichkeit, dementsprechende Flächen zur Verfügung zu stellen. Für Retail braucht man diese Flächen in der Größenordnung nicht mehr, wie sie im Moment vorhanden sind und da gibt es viele Möglichkeiten, was man dort auf den Flächen machen kann.
Frank Rehme: Gar nicht weit weg von hier, Mülheim an der Ruhr, die haben aus dem alten Warenhaus ein Hotel gemacht. In der Innenstadt, fand ich auch total gut.
Markus Kratz: Zum Beispiel das Leben oder auch das Übernachten im Warenhaus, auch zu sagen, ich reise da hin, ich mach da was. Oder was ich mir auch gut vorstellen könnte, sind Themen Warenhäuser. Wir haben mal so rumgesprochen, haben gesagt, was ist denn, wenn man eine Mall zum Thema Musik macht? Da sind Hotels drin, da kann ich übernachten, da kann ich Konzerte veranstalten, da können Proberäume drin sein, da ist ein großer Super-Store für Musikinstrumente, da kann man Devotionalien verkaufen, Klamotten wie Rockstars. Ich glaube, solche Konzepte sind einfach die Zukunftskonzepte. Oder eine Mall zum Heiraten, stellt man sich vor in Duisburg. Eine Heiratsmall, ich fahr unten rein irgendwie, werde in dem Ding ausgekleidet, sitzt dann oben im Turm, sage „ja“ und kann dann noch eine tolle Feier machen abends und übernachten. Ich glaube, dass könnte die Zukunft sein, also ein bisschen mehr Las Vegas vielleicht.
Frank Rehme: Hat gar nicht nur etwas mit Las Vegas zu tun, sondern das Thema anlassbezogener Konsum. Und der Anlass ist jetzt eine große Heirat, macht man nicht oft im Leben, der eine öfter, der andere nicht. Aber es gibt ja auch Micro-Anlässe, wo man solche Sachen machen kann und deshalb finde ich das gut, was du gerade gesagt, dieses Beispiel mit der Musik, Leute die Musik lieben. Und stell dir jetzt mal vor, du kommst in so eine Mall rein und du hast da praktisch auf jeder Etage einen Raum, wo gerade Bands etwas üben, wo du zugucken kannst.
Markus Kratz: Ja, genau.
Frank Rehme: Ich merke, solche Sachen hier bei uns, hier direkt vor der Haustür, ist eine große Kirche und jeden Donnerstagabend üben da Jagdhornbläser und ab und zu, wenn ich dann mal die Post reinhole vorne und höre die gerade, dann setze ich mich dazu und hör einfach mal eine halbe Stunde zu, wie die da gerade üben. Also eine sehr interessante Geschichte, wie man solche Dinge auch mal neu denken kann. Ich habe ein Interview hier gehabt, auch in unserem Podcast, mit dem Manager der Hackeschen Höfe und der hat mich total begeistert. Die Hackeschen Höfe kennen wir ja in Berlin, für die Hörerinnen und Hörer, die die nicht kennen, googelt es mal, ihr werdet begeistert sein und wenn ihr in Berlin seid, müsst ihr unbedingt hin und schaut euch mal um, wie die Hackeschen Höfe dementsprechend auch die Menschen begeistern. Das macht er mit einem ganz einfachen Mittel, er sagt sich, hier werden nur Produkte verkauft, die entweder dort erdacht oder hergestellt worden sind, also Manufakturen sehr stark. Und er sagt, ich habe hier zig Filialisten stehen, die hier rein wollen und die auch locker das dreifache an Miete bezahlen wollen, aber dann ist mein Konzept kaputt und die Hackeschen Höfe stehen in jedem Reiseführer als besuchenswert. Und ich glaube, wenn man so was geschafft hat, dann ist man eine Top Destination eigentlich.
Markus Kratz: Ja, absolut. Wir denken auch viel über Nachhaltigkeit nach. Und wir sagen wirklich, wir arbeiten jetzt mal dran, nachhaltige Shoppingcenter zu machen für nachhaltige Produkte, wo auch noch Sachen wie vielleicht Charity oder Sponsoring oder im Sinne „Was kann ich denn bewegen hier in diesem Shoppingcenter, auf der Welt?“ Ich glaube, das wären schon Themen, wo die neuen Generationen, die jüngeren Generationen sicherlich sagen, das verstehe ich, da gehe ich hin, das ist toll, da kann ich was lernen. Lernbildung ist auch ein Riesenthema. Wir merken das gerade, die ganze Welt verändert sich, wird immer digitaler und wenn man nicht jeden Tag mitlernt, ist man in 3 Jahren weg vom Fenster und versteht die Welt nicht mehr. Und ich glaube, das sind so Themen, da werden sich die Menschen immer zusammenfinden und was erleben wollen, was Lernen wollen, was entwickeln wollen. Ich glaube, vielleicht wird das Shoppingcenter mehr ein Platz, wo Menschen zusammenkommen, nicht mehr aus dem Anlass sie müssen was kaufen, aber aus dem Anlass, weil es einfach toll ist, Menschen zu treffen, sich mit Menschen auszutauschen, was zu lernen, was zu essen, gemeinsam zu feiern.
Frank Rehme: Ich gucke mal ein paar Jahrhunderte zurück. Der Mittelpunkt von Städten bzw. Städte haben sich eigentlich immer um Märkte herumentwickelt. Da waren diese Crossroads in Irland oder so, da haben sich Straßen gekreuzt und genau da kamen dann Märkte auf. Die Märkte damals, die haben ja nur funktioniert mit Entertainment, da waren Gaukler, da waren Wahrsager und keine Ahnung, irgendwelche Quacksalber, die irgendwelche Heilmittel verkauft haben, die gehörten einfach mit dazu. Das ist Entertainment, war mit dabei, aber sehr stark das Thema, um nochmal darauf zu kommen, Manufakturen und Handwerk, die haben wir mittlerweile aus den Städten komplett raus eliminiert. Jetzt sieht man wieder, dass so kleine Schritte gemacht werden, wie zum Beispiel diese Parkettstudios, wo das Thema Wohnen auf einmal wieder in der Innenstadt ist. Ikea hat in Frankreich angefangen, kleinere Formate wieder in die Innenstadt zu bringen. Siehst du irgendwo eine Zukunft, wo man sagt, dass Handwerk vielleicht mal wieder in die Innenstadt einen Fuß reinbekommt?
Markus Kratz: Ja, weil ich glaube, Handwerk hat auch dieses Produzieren, dieses Zugucken, wenn was produziert wird. Jeder kennt das, wenn man irgendwo auf dem Markt unterwegs ist, da sitzt jemand, der drechselt irgendwas oder vor Weihnachten wird da der Name ins Handtuch gestickt oder so was. Ich bleibe da immer stehen, weil ich es einfach spannend finde, das zu erleben, das ist ein bisschen wie das Beispiel eben mit den Proberäumen. Zu sagen, wenn man sieht, da passiert irgendwas, das hat eine Faszination und das kann auch ein 3D-Drucker sein. Oder dieses Thema, es wird wieder mehr hier produziert, die Ketten von China laufen nicht mehr so wie früher und vielleicht mit der Technik, die wir haben, können wir auch hier wieder in der Stadt produzieren. Ich glaube, das wäre sehr, sehr bereichernd.
Frank Rehme: Also jeder, der mal irgendwo in Marokko in einem Souk war und gesehen hat, wie da die Leute auf dem Boden sitzen und irgendwelche Kupferkessel hämmern, hochgradig interessant, da bleibt man stehen und guckt sich die ganze Geschichte an. Da wird sicherlich viel neuer Besuchsanlass letztendlich auch geschaffen. Wenn ihr in so einem Projekt unterwegs seid, wie läuft so ein Projekt denn in der Regel ab? Kommt da jemand zu euch und sagt: „Hör mal, ich habe eine Mall, mach mal was draus.“? Ihr müsst doch irgendwo auch dieses besondere raus extrahieren, was genau an diesem Platz es ausmacht, also diesen, ich sage immer ein Ort muss sein Wacken finden. Wacken kannten wir vor 20 Jahren nicht, jetzt wissen wir, das ist Heavy Metal und da kommt die ganze Welt mittlerweile hin. Wacken ist in weltweit bekannt. Also, wie findet ihr dieses Besondere jetzt raus, dass man weiß, hier passt genau das hin. Wie macht man das?
Markus Kratz: Wir sind ja Geschichtenerzähler, genauso wie früher die alten Gaukler auf den Jahrmärkten und wir finden immer zuerst die Story. Das heißt, ein gutes Beispiel ist, wir haben ein Center in Trier gerade refurbished und das hatte den Namen Allee Center und es hatte aber nichts von der Allee, es war nirgendwo eine Allee zu erkennen. Wir haben alle eine Vorstellung, eine bildliche Vorstellung, was ist denn eine Allee? Ja, ich sehe Bäume, ich sehe grün, ich sehe Blätter und genau das haben wir dem Center zurückgegeben. Seitdem funktioniert es auch tausendmal besser, weil ich auf einmal spüre, es hat einen Namen, es hat eine Geschichte. Dort gibt es große Grafiken von Blättern, es ist mehr Grün ins Center gekommen und es hat mehr Aufenthaltsqualität und da kann ich durchatmen inzwischen, wenn ich durchgehe. Eigentlich ist das Geheimnis, die Geschichte zu erzählen.
Frank Rehme: Aber dafür muss man erstmal auf den Kern kommen eigentlich.
Markus Kratz: Ja, dafür muss man auf den Kern gucken. Da guckt man sich natürlich die Konkurrenz an, macht eine Analyse, was fehlt denn da? Wo sind die positiven Werte, die wir entsprechend inszenieren können? Das machen wir dann über alle Ebenen. Wir haben das Minto gemacht in Mönchengladbach, das war das erste multisensorische Shoppingcenter. Da haben Fassaden eigene Töne gehabt, eigene Soundscapes, da knistert eine Fassade oder es gibt eine Fassade, die fühlt sich an wie aus Leder, wie ein Chesterfield-Sofa, die ist taktil, man kann die einfassen, es ist nicht nur einfach Glas. Und ich glaube, wenn man da mit den Sinnen der Menschen spielt und die entsprechende Geschichte erzählt, dann ist jeder begeistert und kommt gerne immer wieder.
Frank Rehme: Jetzt hast du viel über diese Multi-Sensorik gesprochen, Haptik und gute Gerüche und solche Sachen alle. Was bedeutet denn Digitalisierung für eure Arbeit? Früher hat man immer gesagt, jetzt hängen wir mal ein paar Screens auf und da lassen wir schöne Werbung drauf laufen und die Leute kaufen dann alle mehr. Wie ist denn so in diesem Bereich deine Erfahrung?
Markus Kratz: Da sind wir in dem Sinne unterwegs, dass wir sagen, wir brauchen wirklich ein nahtloses Erlebnis. Also wir wissen alle, wir laufen immer mit dem Handy in der Hand rum, gucken da ständig drauf und wenn ich dann durch den Laden gehe, brauche ich auch das gleiche Erlebnis. Also es kann nicht sein, dass wenn ich aufs Handy gucke, da der Laden blau ist und wenn ich drinstehe, ist der auf einmal rot. Das muss schon synchronisiert werden. Ich glaube, da gibt es ja auch inzwischen genug Technologien, die das gut synchronisieren. Wir haben mal eine spannende Aufgabe von Decathlon bekommen. Decathlon macht ja normalerweise große Kisten auf der grünen Wiese, 5000 m² und Decathlon ist auf uns zugekommen und sagte: „Passt mal auf, die Expansion läuft gerade nicht so gut, das ist politisch nicht gewollt, wir müssen jetzt in die Innenstädte. In 1A-Lagen können wir uns natürlich keine 5000 m² leisten, macht uns doch mal ein Laden mit 50 m² und 70.000 Produkten.“ Das haben wir dann wirklich in Stuttgart gemacht und 50 m² haben wir dann als Erfahrung gelernt, ist sehr wenig für 70.000 Produkte. Aber wir haben es dann in München, im Stachus, in der U-Bahn-Station gemacht mit 250 m² und der lief super, also wirklich auch Click & Collect. Man konnte dort sein Päckchen in der U-Bahn quasi bestellen und es hinterher abholen. Was ich super spannend fand, war das Produkt, was dort am meisten gekauft wurde, waren Fahrräder und das zeigt nochmal, man muss da wirklich Cross denken. Und ja, das stimmt, Menschen, die U-Bahn fahren, fahren auch in ihrer Freizeit immer mit dem Fahrrad in die Berge oder fahren auch mit dem Fahrrad irgendwo hin, wo gerade keine U-Bahn fährt. Wenn man da neu drüber nachdenkt, findet man auch ganz neue Zusammenhänge, die man vielleicht gut zusammen verkaufen kann, an die man jetzt noch gar nicht gedacht hat.
Frank Rehme: Ich habe gerade ein bisschen gezittert, als du sagtest, 50 m², 70.000 Produkte.
Markus Kratz: Das ist natürlich nur mit einer hohen Digitalisierung möglich.
Frank Rehme: 70.000 Produkte sind über 10.000 m² unter dem geht gar nichts. Naja, aber natürlich die Verlängerung.
Markus Kratz: Click & Collect und ein schnelles, digitales Bestellsystem. Nicht 70.000 Produkte vor Ort, aber dann am nächsten Tag vor Ort.
Frank Rehme: Das ist schon eine gute Sache, wie man diese Sachen dementsprechend zueinander bringen kann. Jetzt ist natürlich die Anmutung von so einem Store, kann ja digital auch gut unterstützt werden. Ich sage mal ein Beispiel, ich bin jedes Jahr immer zu einer NRF-Messe in New York und dann gucke ich natürlich, was passiert denn da an den High Street-Läden alles? Und was da Nike und Adidas so gebaut haben, ist schon echt gut, aber das sind zwei Welten. Nike hat wirklich alles das, was digital möglich ist, dareingesetzt, setzt mich persönlich unter Stress, an jeder Ecke flimmert etwas und macht Krach. Und Adidas ist hingegangen und hat da praktisch ein Stadion nachgebaut und hat, ich glaube, in Gänze nur 3 oder 4 Screens da drin und wenn man reinkommt, ist da aber einer, ich sage mal, so 10×15 m, so ein riesiges Ding. Stadion-Atmosphäre, da drauf laufen ganz ruhige Bilder und eigentlich benutzen die dieses ganze Thema digitale Screens nur um Ambiente zu schaffen und gar nicht, um irgendwelche Botschaften zu senden, was man kaufen soll, sondern einfach nur den Wohlfühlfaktor hinzubekommen. Wo geht so eure Strategie in diese Richtung hin? Ähnlich oder eher so?
Markus Kratz: Absolut. Ich glaube, das ist das Erlebnis. Da muss dann auch ein tiefer Bass kommen, dass man wirklich reingeht und sagt, das habe ich jetzt gespürt, wie das Tor da gerade gefallen ist. Und ich glaube, es darf kein Selbstzweck sein. Ich glaube, heutzutage wird sehr gern gesagt, da machen wir mal eine riesige LED-Wand hier, aber keiner denkt so richtig darüber nach, warum machen wir das hier? Was für ein Content kommt da drauf? Und ja, wenn dann den ganzen Tag da Flammen laufen, ist das nicht genug. Also ich glaube, da ist wieder so unser Thema „You can not, not communicate“, du musst auch was ausdrücken. Ein ganz wichtiges Thema, denn ohne Content hilft der größte Fernseher nix, wissen wir alle.
Frank Rehme: Und ich sage mal, ich habe ganz viel Content auch gesehen, der eher Körperverletzung für die Mitarbeitenden da war.
Markus Kratz: Und das ist das nächste Problem. Die müssen das ja auch den ganzen Tag ertragen. Und wenn da immer alle 5 Minuten die Schleife kommt, dann träumen die davon. Definitiv.
Frank Rehme: Markus, ich könnte noch 6 Jahre mit dir weiter quatschen. Hochgradig interessant, wie hier die Bälle hin und her fliegen. Aber wir müssen gucken, dass wir unsere Zeit einigermaßen einhalten, denn die Leute hören uns ja meistens auf dem Weg zur Arbeit und die sind gleich da. Ich sage vielen herzlichen Dank.
Markus Kratz: Ja, vielen Dank, Frank. Das war super, dass ich hier sein durfte.
Frank Rehme: Dass du uns hier besucht hast. Und ich bin der festen Überzeugung, das war nicht das letzte Mal.
Markus Kratz: Ja, gerne.
Frank Rehme: Wenn ihr spannende Themen und Erkenntnisse habt, worüber ihr berichten könnt, immer wieder herkommen und ihr findet hier ein Publikum, was sich sicherlich für diese Dinge interessiert. Danke dir.
Markus Kratz: Ja, find ich super. Bis bald, Frank. Tschüss.
Frank Rehme: Ciao. Ja, so viel vom Markus. Ich möchte euch noch einmal an etwas erinnern. Und zwar unser Format ist ja kostenlos für alle Hörerinnen und Hörer und ihr könnt uns unterstützen. Das Beste ist, das kostet euch auch nichts, indem ihr uns in einem Podcatcher eurer Wahl, wo ihr uns gerade hört, möglichst viele Sternchen oder gute Bewertungen gebt, unseren Newsletter abonniert, euren Kolleginnen und Kollegen von unserem Format erzählt und uns auch weiterempfiehlt. Und wer will, kann uns auch monetär unterstützen und das fängt bei Mini-Beträgen schon an. Geht mal auf unsere Webseite, guckt auf der oberen Menüleiste unter Unterstützer und dort könnt ihr ein Paket buchen. Praktisch auf Steady, wo ihr uns monatlich unterstützen könnt oder auch nur einmal, wenn ihr eine Spende rüberkommen lassen wollt. Jederzeit kündbar diese ganze Geschichte und fängt wirklich bei kleinen Beträgen schon an! Schaut mal drauf, wir danken euch, wünschen euch alles Gute und vor allen Dingen, wie immer fette Beute!
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