4 Wege aus dem Rabatt-Trauma: Der Ausverkauf als Dauerzustand (1/5)
Betrachtet man im Handel die letzten zwei Dekaden, wird man feststellen, dass sich eines nicht verändert hat – genau richtig, die Werbepost. Jetzt könnte man annehmen, dass im digitalen Zeitalter die Printwerbung nachgelassen hat, aber dem Anschein nach wurde es sogar mehr. Die Großflächen buhlen regelrecht um Kundschaft. Man könnte meinen, es bestünde ein Rabatt-Trauma.
Der konditionierte Rabattzwang der Großflächen
Mit Prospekten und expansiver Rabattpolitik versucht der Handel (noch immer), seine Kunden zu gewinnen. Waren es vor 20 Jahren gelegentlich 20-30 Prozent Rabatt für bestimmte Aktionen oder für den Winter- und Sommerschluss-Verkauf, so hat heute die Intensität der Rabattaktionen signifikant zugenommen. Fast im Wochenrhythmus landen Prospekte im Postkasten und ein Abverkauf jagt den nächsten. Viele Angebote liegen jenseits der 50-Prozentmarke, so sind heute minus 70 Prozent Rabatt keine Seltenheit mehr. Tatsächlich…? Ja, wir wissen, wie das gerechnet wird.
Aktionen sind ein beliebtes Instrument, um Massen anzusprechen und gewisse Kunden reflektieren darauf. Das ist alles legitim und belebt den Konsum. Aber provokant nachgefragt: womit wollen diese Händler:innen dann in fünf oder zehn Jahren Kund:innen akquirieren, wenn wir jetzt bei 70 Prozent Rabatt stehen? Und hier sind keine Totalabverkäufe oder Ähnliches gemeint. Die nächste Frage, die sich stellt: wie können Kund:innen zu Handlungen motiviert werden, wenn ohnehin jede Woche ein Abverkauf stattfindet?
Natürlich möchten Kund:innen günstig einkaufen – sie kaufen auch, um zu sparen. Selbst jene im Premiumsegment achten auf gute Preise. Aber kann das nicht auch kreativ und glaubwürdig, durch intelligente Kundenansprache gelöst werden? Gerade bei Großflächen-Anbietern erlebt man das „Rabatt-Trauma“, hier ist der Ausverkauf zum Dauerzustand geworden.
Sogwirkung einer versäumten Differenzierungs-Strategie
Der österreichische Möbelhandel steht hier beispielhaft für andere Branchen, wie Fashion oder Schuhe. Nach den aktuellen Zahlen von Statista sind in den letztgenannten Branchen fast 70 Prozent der Kund:innen bereits zu Online-Kaufenden konvertiert. Das verhält sich im Möbelhandel noch pro Offline, hier sind knapp 70 Prozent der Käufer:innen im stationären Geschäft zu finden. Auch begründet durch die physischen Produkterlebnisse beim Möbelkauf, die für Kund:innen nach wie vor relevant sind. Allerdings zeigen hier die Prognosen bereits in eine andere Richtung (Statista 2021).
Das Konzept der Großfläche – retrospektiv
Früher galt die Devise, je mehr Fläche du hast, desto mehr Produkte können präsentiert werden, woraus sich höhere Umsätze generieren ließen. In den 90ern kam dann noch die Komponente der Inspiration dazu, Kund:innen konnten sich Ideen und Anregungen im Kaufhaus holen. Die Flächen wurden größer und die Superlative in den Marken-Logos übertrumpften sich. Heute wird die riesige Fläche aber zunehmend zum Hemmschuh für manche Anbieter, denn große Flächen bedeuten auch mehr Kosten (Betriebskosten, Personal etc.). Und die Kundenfrequenz zu halten, wird zur steten Herausforderung.
Schöne Häuser, eindrucksvolle Produktpräsentationen, gratis Parken, Restaurants und ein gutes Service sind nett, aber mittlerweile zu einer Selbstverständlichkeit geworden – das ist Standard. Einkaufen per se ist einfach zu wenig, das geht auch bequem vom Sofa aus, dazu muss ich nicht ins Geschäft laufen. Deshalb sollten die Vorteile des physischen Handels genutzt und zu einer einzigartigen User Experience (UX) transformiert werden.
In manchen Fällen wird es sinnvoll sein, über sein Geschäftskonzept nachzudenken und Adaptierungen vorzunehmen. Wie solche Überlegungen aussehen könnten, beschreiben wir in den nächsten Folgen zum Rabatt-Trauma.
In den nächsten Teilen dieser Serie:
4 Säulen für modernes Retailing – FPPD
Über den Autor: Sascha Matus ist Inhaber der Agentur pro5-marketing, Spezialisten und Visionäre, wenn es um neue Formate im Einzelhandel geht.
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