Den Out of Stocks zu Leibe gerückt!
Out of Stocks (OoS) oder Vorratslücken sind nach wie vor ein Riesenproblem für den Handel … und tatsächlich eines das originär im Handel entsteht. Die durchschnittliche OoS Rate beträgt im FMCG Bereich 8 – 9%, geht aber bei Promotionen und Saisonartikeln auf bis zu 20% hinauf. Diverse Studien haben die Auswirkungen des Problems mit einer Zahl belegt und so geht man heute davon aus, dass OoS tatsächlich für happige 4% entgangene Umsätze im Handel stehen.
Die Ursachenforschung in verschiedensten Studien und Ländern zeigt, dass 91,8% der OoS tatsächlich filialbedingt und vorgelagert sind und im sogenannten Frontstore verursacht werden. Die Ursachen dafür sind vielfältig, liegen systembedingt in den Produktdaten, Bestandssystemen, Abverkaufs Prognosen oder inkorrekten Regal Planogrammen. Auf der Handelsfläche sorgt mangelndes Nachfüllen oder nicht Befolgen der korrekten Regal Planogramme sehr schnell für Vorratslücken und damit unzufriedene Shopper.
Seit Jahrzenten wird in den verschiedensten Studien auf das Riesenausmaß des Problems hingewiesen, doch bisher schien es fast, als ob kaum einer das heiße Eisen anfassen wolle. Ein Supplyside Spezialist aus der Konsumgüterindustrie, den ich dazu befragte und der selbstverständlich nicht genannt werden möchte, gab unumwunden zu: „Wenn es mich mehr von meinem gemachten Gewinn kostet, als ich durch das Ausmerzen der Vorratslücken gewinnen kann, ist das eine betriebswirtschaftliche Fehlentscheidung – ich kann hier Zeit und Geld sparen, indem ich damit lebe.“
Den eingefleischten Shopper Marketer, der die Prozesse immer aus der Brille des Kunden sieht, erschreckt so eine Aussage natürlich massiv und das sollte es den Handel auch, denn der verliert mehr als nur punktuellen Umsatz. Der Händler riskiert einen loyalen Kunden zu verlieren und das nicht nur für das fehlende Produkt. Der COO von Target, John Mulligan, bringt es auf den Punkt: „Der größte Pain Point für unsere Kunden ist, wenn wir das gesuchte Produkt nicht vorrätig haben!“
Und so ist es auch der US-amerikanische Handelskonzern Target, der ganz gezielt das Problem angeht und die Supply Chain seines Unternehmens umkrempelt, um dem zu begegnen. Nun mag es sein, dass das Problem bei Target, Nordamerikas zweitgrößtem Discountfilialisten nach Walmart, nach eigener Aussage besonders groß war, weil dessen Supply Chain extrem komplex war. Aber wie dem auch sei, unter der Führung des CEO Brian Cornell, der in der Branche als datengetriebener, geradliniger Umsetzer beschrieben wird, wird viel Geld in die Hand genommen, um das Problem anzugehen. So wurden in 2015 bereits 1 Milliarde US$ investiert, weitere 1,8 Milliarden sind für 2016 geplant. Das ist immerhin auf einem Level mit den Advertising Spendings. Mittelfristig sieht die Finanzplanung des Unternehmens ab 2017 eine jährliche Investition von 2 – 2,5 Milliarden US$ vor, um die komplette Supply Chain und technologische Infrastruktur aufzurüsten und sich für das geplante Zusatzwachstum durch Online Business zu rüsten.
Aufrüstung der Technologie ist nur eine Seite der Medaille, der US Händler geht auch ganz entschieden mit dem Rotstift in die Sortimente und Artikelanzahl. Das Ziel ist es, die Anzahl der angebotenen Varianten, Geschmacksnuancen und sogar einzelnen Marken radikal zu kürzen. Dieses nicht unbedingt querbeet durch alle Sortimente, sondern auf Kategorien konzentriert, in denen Target nicht das das eigene Fokusangebot (z.B. Wellness, Home Goods, Kleidung und Baby) sieht. Der Approach soll ein gradueller Prozess sein, so werden erst einmal in einem einzelnen Store einige Produkte aus dem Sortiment genommen. Erst wenn es nach eigenen Aussagen kein „relevantes Kundenfeedback“ gibt, wird die Streichung in den restlichen 1.800 Geschäften ausgerollt.
Ähnliches Vorgehen sehen wir bei Walmart, die bis Ende Oktober 2015 stolze 15% ihres Sortiments abgebaut haben, indem sie die angebotenen Marken und verschiedenen Verpackungsgrößen pro Produkt stark reduzierten.
Target hört aber nicht bei den Sortimenten auf, auch das Thema Regalverpackungen wird angegangen, um sicherzustellen, dass bei einem möglichst gering zu haltenden Personalaufwand die Regalgrößen möglichst ausgelastet werden. Daher spricht Target nun gezielt die Lieferanten an und verlangt Regalkartons, die der individuellen Abverkaufsgeschwindigkeit des Artikels und Raumangebot im Regal entsprechen.
Ich meine, 10 Milliarden US$ Investition in den kommenden 5 Jahren um die Systeme, Infrastruktur und Sortimente zu optimieren bzw. neu aufzusetzen ist eine relevante Hausnummer um zukunftsfähig zu werden. Zumindest dem Aktienwert hat die Bekanntgabe genutzt, der klettert weiter nach oben und die Analysten empfehlen den Kauf. Erfolg und die Resonanz der Kunden werden die nächsten Jahre zeigen – und wir werden es weiter beobachten.
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