ZDE Podcast 138: Neues aus der Logistik
Logistik wurde in den letzten Jahren komplett neu aufgeladen: Personalmangel, Quick-Commerce und der Boom im eCommerce haben zu neuen Herausforderungen im Logistikbereich geführt. Wir haben Christoph Tripp, Professor für Handelslogistik in Nürnberg zu den Themen befragt.
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Unser Gesprächspartner
Prof. Dr. Christop Tripp arbeitet als Professor für Distributions- und Handelslogistik in der Fakultät BW an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm. Er ist Vertreter anwendungsorientierter Lehre und bindet regelmäßig Gastdozenten, Exkursionen, Fallstudien, Simulationsspiele und Praxis-Übungen in seine Lehrveranstaltungen ein.
Die Folge zum Nachlesen
Folge 138 unseres Retail Innovation Radios, heute zum Thema Logistik. Wo kommt der Begriff Logistik her? Logistik kommt eigentlich aus dem Militärischen und auch da wusste man schon, dass Logistik kriegsentscheidend sein kann, denn der beste Kämpfer nützt nichts, wenn er nicht versorgt wird. Genauso ist es natürlich auch, wenn wir das jetzt einmal auf den Handel übertragen. Das tollste Regal, der tollste Ladenbau, die am besten ausgebildeten Leute vor Ort, stehen praktisch mit leeren Händen da, wenn die Regale nicht gefüllt sind. Das hat dafür gesorgt, dass wir durch ganz viele Veränderungen in der Vergangenheit Logistik jetzt noch einmal ganz besonders aufgeladen haben. Wir kennen das aus der Automobilindustrie, die Just in time Belieferung und Abschaffung von Lägern. Das Gleiche wurde ja auch sehr stark im Bereich des Handels dann mit untergebracht. Tägliche Anlieferungen teilweise im 3-4 Stundentakt an den Läden ist zu beobachten gewesen und man merkt dann, wie wichtig es geworden ist, die richtigen Produkte auch aus Gründen der Frischeanforderungen, die es immer wieder gibt, auch sehr, sehr kurzfristig verfügbar zu machen. Dann kommt natürlich auch dazu, dass wir mittlerweile saisonfrei liefern könnten. Das heißt, im Winter Erdbeeren zu essen oder Ananas ist überhaupt kein Problem mehr. Viele wissen gar nicht, dass der größte Fischereihafen hier in Deutschland der Frankfurter Flughafen ist, weil dort die meisten Fische aus Übersee dementsprechend angeliefert werden. Ich kann hier ganz viel nur mutmaßen, weil ich kein Experte in Logistik bin. Und was macht man, wenn man kein Experte ist? Man holt sich einen dazu und ich habe einen getroffen, der wirklich ganz viel über dieses Thema weiß. Christoph Tripp, Professor in Nürnberg, habe ich jetzt vor das Mikrofon geholt und schalte rüber.
Frank Rehme: Der liebe Christoph Tripp sitzt jetzt hier am anderen Ende der Leitung. Hallo, Christoph, ich grüße dich.
Christoph Tripp: Hallo, Frank. Ich grüße dich.
Frank Rehme: Christoph, du bist einer der Experten deutschlandweit als Professor für genau die Themen Logistik. Stell dich doch einmal selbst vor, damit unsere Hörerinnen und Hörer sich ein Bild von dir machen können.
Christoph Tripp: Ja, gerne. Erst einmal vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, dass wir zwei hier miteinander sprechen können in eurem Podcast Format. Mein Name ist Christoph Tripp, ich bin 47 Jahre alt und Professor für Distribution und Handelslogistik an der Technischen Hochschule in Nürnberg. Seit mittlerweile 13 Jahren bin ich im Professoren Dienst. Wie viele andere Kollegen bin ich nebenher auch in der Beratung tätig, in Moderationen, als Autor meines eigenen Lehrbuches tätig und das eine oder andere Mal eben auch Gast in derartigen Podcast Formaten.
Frank Rehme: Was du verschwiegen hast, ist, was du vor deiner Professoren Zeit an Tätigkeiten gemacht hast. Du kommst wirklich aus dem Leben in dem Bereich, oder?
Christoph Tripp: Ich bin tatsächlich Logistiker mit Herz und Seele und bin über die Schule oder Hochschule, damals die Universität in Bochum, in dieses Thema Logistik in den 90er Jahren reingerutscht und habe es dann irgendwie nie verlassen und weiter veredelt. Den Einstieg hatte ich damals bei Fraunhofer in Nürnberg, in der angewandten Forschung und Beratung. Die Promotion, habe ich dann dort parallel gemacht und bin dann danach eben auch in meinem Job bei Otto bzw. bei Hermes so ein richtiger Handelslogistiker geworden, kann man sagen.
Frank Rehme: Ich glaube sogar, das war das erste Unternehmen Deutschlands, wo praktisch Logistik für den Handel privatisiert wurde. Sonst ist ja immer alles über die Deutsche Post damals gegangen und Otto hat gesagt, wir machen jetzt unser eigenes Ding.
Christoph Tripp: Ja, Otto war tatsächlich in der Beziehung ein Vorreiter. Solche Unternehmen wie Hermes heute, nennt man Hybrid Logistiker, die kommen quasi aus der eigenen Konzernabwicklung, gehen in den Markt und bieten ihr Geschäft dann auch anderen, teilweise auch Mitbewerbern eben an. Otto war damals Anfang 1970 schon sehr führend und hat Hermes verselbstständigt, mit dem Ergebnis, dass es heute einer der größten Paket Logistiker Deutschlands, Europas eben auch geworden ist. Von daher war es eine sehr spannende Zeit.
Frank Rehme: Logistik ist ja jetzt gerade in aller Munde. Wir hören eigentlich aus der Logistik nur noch, ich sage mal Hiobsbotschaften. Erst steht ein Schiff quer im Sueskanal, dann stellen wir fest, dass wir keine LKW Fahrer mehr haben. Überall begegnet uns Logistik. Ich weiß aus meiner Zeit, als ich im Handel vor über 20 Jahren angefangen habe, dass man damals gesagt hat, dass die Backbone des Handels die Logistik und IT ist. Weniger die Vertriebsprozesse oder die Kundenzentriertheit, wie ich es heute sogar nennen würde, wären die Nummer eins. Es nützt nichts, wenn du die tollste Kundenzentriertheit hast und die Regale sind leer. Insofern sind auch neue Herausforderungen auf die Logistik hinzugekommen, Stichwort letzte Meile. Jetzt kamen gestern die Zahlen raus vom Handelsverband, der gesagt hat, dass der Online Boom jetzt erst mal gestoppt bzw. vorbei ist, der Wachstum hier ist deutlich heruntergegangen. Man liest auch auf einmal, da war ich wirklich in Alarmstimmung, dass Zalando erstmalig seit Bestehen zurückgehende Umsätze hat. Ist jetzt der Boom vorbei, aus deiner Sicht?
Christoph Tripp: Also vielleicht erst mal vorab zu dem ersten Teil deiner Ausführungen. Logistik ist in aller Munde. Das ist ja erst mal positiv wie negativ. Alles hat ja irgendwo seinen Trade off und das ist diesbezüglich auch meine Wahrnehmung. Auf der einen Seite, ich sage mal negativ formuliert, wird die Logistik natürlich jetzt in einen Topf geworfen mit allen Problemen, die wir sonst so haben. Die Lieferfähigkeit ist ein großes Thema, hängt aber in erster Linie an Problemen im Angebot und einer teilweise wirklich völlig abstrusen Nachfrage, die wir irgendwie selbst machen durch Panikeinkäufe und alle möglichen Einflüsse, die im Moment da eine Rolle spielen. Da wird die Logistik immer so ein bisschen mit reingeworfen. Sie hat dann die Herausforderung, diese Explosionen auf der Angebots- und Nachfrageseite irgendwie auszubalancieren und das ist im Moment nicht ganz einfach. Das Positive daran ist, dass die Logistik eben tatsächlich jetzt viel stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gekommen ist, mit ihren wirklich umfassenden Herausforderungen, die sie hat. Dazu gehört auch das, was du gerade gesagt hast, die tatsächlich massiven Probleme mittlerweile vor allen Dingen im operativen Mitarbeiterbereich. Wir haben heute gelesen, Schätzungen sagen, in Europa fehlen uns aktuell 600.000 LKW Fahrer und da sind wir in Deutschland mit 70 bis 80000 auch ganz vorne dabei. Der Ukraine Krieg hat das noch mal massiv verschärft, das muss man ganz klar sagen. Viele andere Themenfelder fallen da natürlich auch mit rein. Ein Themenfeld ist der Onlinehandel, um jetzt auf die Beantwortung deiner Frage zu kommen. Hier muss man sagen, dass hier die Logistik in den letzten Jahren sich schon erheblich professionalisiert hat. Sie ist in jeglicher Art und Weise wirklich besser geworden, was man auch an allen Endkundenbefragungen im Übrigen auch ablesen kann. Die Zufriedenheit mit der Logistik und der Zustellung in der letzten Meile sind deutlich besser geworden, trotz der steigenden Mengen. Ob jetzt der Boom vorbei ist? Ich glaube, wenn man sich das jetzt genau anschaut, ist es nicht wirklich erstaunlich, dass die Verbraucher im Moment eins machen, nämlich verzichtbare Einkäufe nicht tätigen. Das sind teilweise auch Effekte gewesen, wo die Verkäufe schon vorgezogen worden sind im letzten Jahr. Zum Beispiel Computer und Consumer Electronics, durch Homeoffice, oder Garten und Haus und Heim. Hier war der Cocooning Effekt, der vieles begünstigt hat, vieles ist vorgezogen worden und auf vieles wird jetzt verzichtet aus diversen Gründen der Unsicherheit. Wenn man über eine Inflationsrate von 7 bis 8 % spricht, dann werden natürlich erst mal nur notwendige Einkäufe getätigt und auf alles andere wird verzichtet. Insofern ist das jetzt nicht das Ende des Booms, aber im Moment haben wir viele Sondereinflüsse, die das jetzt eben beeinflussen.
Frank Rehme: Die Pandemie war ja auch ein Sondereinfluss, der genau dieses Thema Online nach oben getrieben hat. Du hast ja gerade wunderbar den Cocooning Effekt angesprochen. In den Möbelhäusern und in den Baumärkten wurden Walzer getanzt vor Freude, weil da die Umsätze regelrecht explodiert sind.
Christoph Tripp: Genauso im Textilbereich, in der völlig gegenläufigen Entwicklung, weil die Leute halt alle zu Hause waren und auf keine Veranstaltung gegangen sind. Also wofür braucht man dann neue Schuhe, die neue Hose, das neue Hemd, das neue Outfit. Für Zoom reicht im Prinzip eine Jogginghose und ein T-Shirt. Das ist im Nachhinein gesehen erklärbar, war aber natürlich in keinster Weise vorhersehbar. Das ist ja das, was wir eigentlich in der Logistik machen müssen. Wir müssen möglichst genau prognostizieren, damit wir Bestände danach ausrichten können, damit wir lieferfähig sind. Man spricht dann immer vom schwarzen Schwan, der die Ereignisse, die eigentlich keiner vorhersehen kann, vorhersieht und davon gab es natürlich in den letzten zwei Jahren so viele wie wahrscheinlich in den letzten Jahrzehnten nicht zusammen.
Frank Rehme: Jetzt ist die Logistik ein wirklich extrem wahrgenommener Teil bei Online Käufern. Man liest immer wieder in den Rezensionen, beispielsweise dass das Paket gut verpackt war, kam schnell an und solche Geschichten. Also ist es wohl in der Wahrnehmung der Menschen etwas sehr Wichtiges. Ich vergleiche das auch immer so ein bisschen mit dem Thema Produktversprechen, wenn man ein Paket auspackt. Du musst mal gucken wie viele Unboxing-Videos auf YouTube sind, die Millionen Klicks haben, wo der Postmann kommt, dieses Paket überreicht und die Leute das dann auspacken. Die haben teilweise hunderte von Kommentaren darunter. Das Erleben ein Paket gebracht zu bekommen scheint wohl etwas ganz Besonderes in der Wahrnehmung zu sein, oder?
Christoph Tripp: Ja, das ist es definitiv. Es ist ja quasi die Vollendung der Bestellung und damit immer noch ein essenzieller Teil der Wertschöpfungskette. Man muss jetzt auch sagen, dass das auch große Anbieter jetzt offensichtlich erkannt haben. Das ist sicher auch einer der Gründe dafür, dass Amazon immer stärker vertikalisiert und immer mehr Leistungen auch selber erbringt. Insgesamt ist klar, dass aus Kundensicht eine relativ deutliche Priorität die Logistik im Onlinehandel ist. Wir bestellen überwiegend erst mal da, wo die Lieferung und die Retoure nichts kostet. Das ist meistens das Vorauswahlkriterium für einen Onlineshop. Dann schauen wir uns natürlich an, wie die Verfügbarkeiten sind, ob ein Produkt verfügbar ist. Im Onlinehandel ist die Illoyalität des Kunden so groß wie sonst nirgendwo. Er ist also unglaublich wechsel bereit, weil die Wechselkosten so gering sind. Ich muss also lieferfähig sein. Dann schaut man natürlich relativ schnell auf die Lieferzeit. Das heißt, die Ware muss nicht nur verfügbar sein, sondern auch möglichst schnell verfügbar sein. Alles andere, was wir da sehen, insbesondere das, was du angesprochen hast, dass ein Paket unbeschädigt ankommt, dass das Paket in der richtigen Art und Menge gefüllt ist, sind für uns Commodities, also Hygienefaktoren. Wir setzen das stillschweigend voraus. Wir springen nicht im Dreieck, wenn das Paket in der richtigen Art und Menge schadenfrei ankommt. Das setzen wir voraus. Was wir auch sehen ist, dass der Kunde zukünftig immer mehr Transparenz erwartet, sehr zielgerichtete Transparenz erwartet. Also nicht nur, dass mein Paket versendet ist, sondern ich will wirklich das Zeitfenster wissen, wann es angeliefert wird. Ich will aber auch in der ganzen Usability der Abwicklung einen relativ hohen Komfort und eine relativ hohe Convenience haben. Das sind alles Themen, die irgendwo mit in die Logistik hereinfallen und die uns natürlich beschäftigen. Wir nennen sie Lieferservice Merkmale, die der Kunde dann auch an den Tag legt und erwartet. Leider muss man sagen, dass die Zahlungsbereitschaft vieler Kunden für solche bequemen Leistungen doch sehr niedrig ist. Beispielsweise das Auswahlkriterium, dass die Lieferung hoffentlich nichts kostet und die Retoure auch kostenlos ist.
Frank Rehme: Absolut. Ich habe auch mal so Last Mile Projekte gemacht. Das war noch zu meiner Metro Zeit. Da habe ich auch die gleiche Erfahrung gemacht. Wir taten uns echt schwer eine Servicegebühr von einem Euro für den Real Drive damals ins Leben zu rufen. Da sind wir bei dem Punkt letzte Meile. Ich habe vor ca. 10 Jahren versucht Last Mile bei der Metro zu lösen. Wir hatten dann wirklich viele Aufwände gemacht und da ich auch immer alles selber gerne ausprobiere, habe ich eine Woche auf dem Bock gesessen, ein Auslieferungsfahrzeug, um die Erfahrung zu sammeln, wie man eigentlich Touren optimieren kann und bin da dran gescheitert. Wir hatten die letzte Meile damals nicht rechnen können und so ist dann der Real Drive als Abholmarkt entstanden. Jetzt sehen wir aber eine Entwicklung, die für mich vollkommen unverständlich ist, als einer, der die Business Cases schon zig mal gerechnet hat, nämlich dass wir dieses Thema Quick Commerce haben. Ich hatte jetzt vor kurzem einen Podcast gehört, hier aus Düsseldorf, wo jemand davon geschwärmt hatte, dass er im Rhein Park saß und sich dann einfach über Gorillas einen Mate Tee bestellt hat, der innerhalb von zehn Minuten da war. Hier stelle ich mir immer die Frage, wie sich das denn rechnen soll. Hast du vielleicht einen Einblick in die geheimen Zaubertricks, die die dort haben, damit das irgendwie rechenbar ist?
Christoph Tripp: Ich sage mal so, das System meines Erachtens hängt an zwei ganz wesentlichen Faktoren. Der eine Faktor sind die günstigen Einkaufskonditionen. Darüber wird viel zu wenig gesprochen. Ich brauche Zugang zu letztendlich eine der großen Einkaufskooperationen, was zunehmend schwieriger wird, denn die großen Unternehmen wie zum Beispiel Rewe mit Coopernic oder auch Edeka mit Ash Core, die haben ihre eigenen Lösungen. Rewe hat ja eine eigene Zustelllogistik Online und Edeka setzt offensichtlich immer mehr auf Picknick, was ja auch sehr stark expandiert jetzt im Moment. Da gibt es auch aktuelle Meldungen dazu, die das auch als einer der wenigen Spieler offensichtlich auch mit einer schwarzen Null gut betreiben können, weil sie einfach ein etwas anderes Prinzip dahinter haben. Alle anderen Spieler, die wir im Moment im Markt sehen, hängen ein bisschen in der Luft und sind im Moment abhängig von der RTG. Das heißt entweder kaufen sie über Tegut, die in der RTG sind ein oder über Bünting. Die öffnen im Moment die Türen. Das macht Amazon so, das macht Gorillas, sowas machen einige andere auch so, also daran hängt es eigentlich, das ist das eine. Offensichtlich sind da die Mengen auch nicht so groß, dass die Konditionen so gut sind, die man dann weiterreichen kann. Das zweite ist, neben diesem Zugang zu den Einkaufskonditionen ist natürlich der Warenkorb, das kritischste überhaupt im Onlinehandel und natürlich auch für derartige Spieler. Denn wenn man sich den aktuellen Warenkorb anschaut, du hast das gerade so schön beschrieben mit dem Mate Tee, der liegt normalerweise er bei ca. 20, vielleicht 25 € und man bräuchte einen erheblich größeren Warenkorb, um die hohen Logistikkosten eben mit den erzielbaren Margen dann auch abdecken zu können. Das tun die meisten im Moment nicht und können die meisten im Moment eben auch nicht. Deswegen ist natürlich eine der Strategien der Anbieter, die Sortimente erheblich zu erweitern und wegzugehen von dem sehr fokussierten kleinen Sortiment hin zu einem deutlich breiteren Lebensmittelsortiment. Das machen auch Anbieter wie Flaschenpost beispielsweise, die jetzt erweitern und im Prinzip Hersteller und Lebensmittelpartner suchen für das Geschäft, weil das Geschäft mit Getränken auch nicht alleine kostendeckend sein kann. So gehen eben viele der anderen Anbieter auch vor. Ein weiterer Ansatzpunkt, der sich daraus ergibt, wäre natürlich dann auch so mutig zu sein und die letzte Meile und die Kosten weiterzureichen. Also 1,80 € von Gorillas entspricht aktuell dem tatsächlich, was wir selber in unseren Untersuchungen feststellen, dass die Zahlungsbereitschaft für derartige Leistungen so bei ca. 2 € liegt, aber nicht höher. Die sind da schon sehr vorsichtig in diesen Markt gegangen. Eigentlich bräuchten sie aber, wenn sie ehrlich sind, 7 bis 8 Euro dafür, damit das Ganze sich auch tatsächlich rechnet. Das ist aber in Deutschland zumindest keiner bereit zu zahlen. Was heißt das in der Konsequenz? Es wird am Ende einige wenige Anbieter geben, die übrig bleiben in diesem Markt. Da sehen wir aktuell schon, dass viele aufgegeben haben, viele aus dem ausgeschieden sind, die sich diesen Markt dann am Ende aufteilen werden. Es würde mich nicht wundern, wenn sich das noch mal massiv ändert, wenn die großen Handelsspieler dann endlich diesen Schritt machen und auch in den Food Lebensmittelhandel einsteigen, was sich ja aktuell zumindest bei Aldi im Moment andeutet. Insofern habe ich jetzt nicht so viel Optimismus und Fantasie, dass dieser Markt in der Heterogenität, wer jetzt gerade da ist, wirklich langfristig überlebt.
Frank Rehme: Ich glaube auch, dass dann irgendwie eine Konsolidierung entstehen wird, nach dem Motto the Winner takes it all. Dieses alte Gesetz wird dann da auch wieder dementsprechend weiterbestehen. Wenn wir jetzt einen kleinen Schwenk in das ganze Thema der Automatisierung in der Logistik machen, was ist da gerade zu beobachten? Ich habe jetzt hier in den letzten Sendungen einen Podcast zum Thema Robotik gemacht, wo man sehr stark herauskristallisiert hat, dass Robotik im Handel weniger eine Rolle spielt, außer in den Verteilzentren. Da ist natürlich viel los. Was ist da zu beobachten?
Christoph Tripp: Also grundsätzlich muss man sagen, dass die Automatisierung und Robotik, was die Technologie anbetrifft, die tragenden Säulen auch zukünftig in der Handelslogistik sind. Hintergrund ist eigentlich mehr das Thema Personalressource als das Thema Technologie Verfügbarkeit. Wenn man die Lager- und Fördertechnikanbieter sieht, was sie heute installieren können, konnten sie schon seit vielen Jahren. Allerdings war die Inanspruchnahme oder die Nachfrage noch nicht so groß. Jetzt aktuell merken wir seit einigen Jahren, dass die Händler sehr stark in hochgradig automatisierte Läger investieren, natürlich vor dem Hintergrund der Knappheit an Personalsystem. Was wir da sehen, ist sehr vielfältig. Ganz wesentlich in einem Distributionslager ist der ganze Bereich rund um die Kommissionierung. Die macht einfach den größten Teil der Kosten aus, also die Auftragszusammenstellung in einem Distributionslager. Da sehen wir zunehmend einen Trend, dass das Kommissionierprinzip umgestellt wird, das heißt, dass die Ware immer mehr zu Menschen geht und nicht mehr der Mensch zur Ware in einem Lager. Da gibt es dann beispielsweise entsprechende Robotik Lösungen, die einzelne Lagereinheiten anheben können und zur Kommissionierung an die Plätze bringen. Das sind Ansätze, die offensichtlich auch in dem sehr heterogenen Artikelfeld der Handelslogistik einsetzbar sind. Du hast natürlich grundsätzlich recht bei dem, was du sagst, dass viele Automatisierungslösungen leider dadurch geprägt sind, dass sie ein Stück weit inflexibler sind als die menschliche Arbeitskraft. Insbesondere, wenn ich von einem sehr heterogenen Artikelspektrum spreche, groß, klein, schwer, leicht, sperrig, Gefahrgut, nicht Gefahrgut und so weiter. Wenn ich mir jetzt so ein Baumarkt Lager anschauen würde, dann wird das natürlich schwer. Das ist in einem Discounter Lager bzw. in einem Supermarkt Lager sicherlich verhältnismäßig einfacher umzusetzen. Das ist definitiv ein Megatrend, über den wir sprechen und alle Anbieter diesbezüglich haben eigentlich auch volle Auftragsbücher. Das ist das, was man zumindest liest.
Frank Rehme: Es steht auch unter unserer Beobachtung, wir behalten das auch im Auge. Das ganze Thema Robotik, künstliche Intelligenz im Handel ist ein großes Thema der Zukunft. Die nächsten zehn Jahre, werden die Jahre der künstlichen Intelligenz, wenn man den Experten Glauben schenken soll.
Christoph Tripp: Das Thema ist so ein Sonderthema, was für den Handel, wenn ich das noch sagen darf, auch wirklich spannend sein kann. Ich erinnere nur an den deutschen Logistik-Preis für DM im letzten Jahr. Die sind tatsächlich ein echter Vorreiter im Projekt Filialen digital abzubilden, inklusive der Artikelplatzierung in den Filialen, um einfach schon in der Kommissionierung, also bei der Vorbereitung und Bereitstellung der Bestellungen für die Filialen, schon Layout gerecht zu kommissionieren, sodass der Verräumungsaufwand in der Filiale dadurch erheblich reduziert wird. Das sind natürlich wirklich tolle Ansätze, die auch bisher fast einzigartig sind, das sagen zumindest auch unsere Forschungen dazu. Da haben wir noch nicht viele Nachahmer Beispiele. Das sind dann Dinge, die noch mal ein ganzes Stück weiter gehen und die wirklich dann auch auf wirklich datenbasierter Intelligenz basieren und das System wirklich noch mal im Feintuning optimieren.
Frank Rehme: Und ist der erste Schritt in Richtung Metaverse.
Christoph Tripp: Ja möglicherweise ist was da kommt, glaube ich, vielen noch nicht so richtig klar. Mir offenbar auch und ich habe da noch keine abgeschlossene Meinung dazu, was alles passiert. Jetzt habe ich auch zwei Jungs, die in diesen Themen wahrscheinlich besser unterwegs sind als ich. Im Moment gehe ich eher davon aus, dass sich durch die Verschmelzung der realen mit der digitalen Welt für viele Konsumgüter, Hersteller und Marken ein neuer Vertriebskanal entwickelt, der sicherlich auch gutes Potenzial verspricht. Was mir noch nicht ganz klar ist, wo ich sehr unentschieden bin, ist, ob sich diese Mehrinvestitionen, diese Mehrausgaben im Metaverse auf Minderausgaben im physischen Güterbereich des Onlinehandels auswirken. Da wage ich im Moment noch keine Aussage zu treffen.
Frank Rehme: Vielleicht ist das ja dann auch der nächste Schritt von diesen mittlerweile langweiligen Onlineshops, die wir mit der Listendarstellung kennen, die sich die letzten 15 Jahre nicht verändert haben. Vielleicht trägt das etwas mehr zur Shopper-Experience bei. Ja Christoph, vielen Dank. Wir merken, dass wir noch ganz viele Themen haben, die wir gemeinsam herausbringen können. Gerade das Thema KI, Robotik, Metaverse von mir aus auch. Da können wir eine eigene Folge nochmal drüber machen.
Christoph Tripp: Das machen wir gerne.
Frank Rehme: Wir bleiben auf jeden Fall in Kontakt und ich sage vielen, vielen Dank für deine Zeit und deine Expertise.
Christoph Tripp: Frank, gerne.
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