Neuromarketing Kongress 2017 – wir haben uns schlau gemacht
Der Neuromarketing Kongress, veranstaltet von der Gruppe Nymphenburg und dem Verlagshaus Haufe, feierte in 2017 seinen 10. Geburtstag. Seit 10 Jahren also stellt diese immer wieder herausragende Kongressveranstaltung die Frage nach Kaufentscheidungsprozessen im Kundenhirn.
Darüber hinaus werden immer wieder auch ganz andere inspirierende Fragestellung zum menschlichen Gehirn und Verhalten präsentiert.
Der treue Teilnehmer konnte so in den letzten 10 Jahren „Lichtgestalten“ der Neurobiologie und -physiologie der deutschen Wissenschaft live erleben, sei es nun Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, streitbarer Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm, bekannt aus der Sendereihe Geist & Gehirn oder Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, Direktor des renommierten Max-Planck-Instituts, der unserem „Bauchgefühl“ Sinnhaftigkeit attestierte und eine Existenzberechtigung gab.
Prof Dr. Dr. Roth hielt 2010 einen faszinierenden Vortrag über die menschlichen Persönlichkeitsunterscheide aus Sicht des Gehirns, was dem Marketer vielleicht auf den ersten Blick nicht bei der Arbeit zu unterstützen schien, aber viel Verständnis für die menschliche Psyche brachte.
Moderiert wird der Kongress seit Anbeginn von Dr. Hans-Georg Häusel, Gründer und Senior Partner der Gruppe Nymphenburg. Der Diplom-Psychologe ist einer der bekanntesten Experten zum Thema Neuromarketing im deutschsprachigen Raum; mit dem von ihm entwickelten Limbic® Modell hat Neuromarketing erst Einzug in das Tagesgeschäft der Unternehmen gehalten.
Der Neuromarketing Kongress 2017
Der Neurmarketing Kongress 2017 stand unter dem Motto „Creating strong Feelings“. Dr. Häusel setzte den Rahmen für das Kongressthema, indem er aufzeigte wie Unternehmen mit Emotionen und Werten Orientierung bieten können, und es genau damit schaffen können Kundenherzen (langfristig) zu gewinnen.
Exkurs in die Wissenschaft
„Was verrät unser Hirn über unsere Bewertung von Produkten?“
Wie in den vergangenen Jahren startete der Neuromarketing Kongress mit einem Ausblick in die Wissenschaft des menschlichen Gehirns. Prof. Dr. John-Dylan Haynes machte den Auftakt und führte die Kongressteilnehmer zu dem spannenden Thema, welche Informationen über die Bewertung der Produkte uns das Gehirn mit den zurzeit verfügbaren bildgebenden Verfahren liefern kann.
Er zeigte sehr plakativ die Möglichkeiten, aber auch Beschränkungen der Bewertung von Kaufintention durch diese Verfahren auf. Key Aussage war, dass es eine echte Verortung des „Buy Buttons“ als Hotspot im Hirn nicht gibt. Vielmehr kann Mustererkennung im MRT (Magnetresonanztomographie) lediglich eine Indikation über wahrscheinliche Emotionen geben.
Auch wenn die Wissenschaft sich eingehend mit der Frage beschäftigt wie komplexe Emotionen aus der Aktivität des Gehirns ausgelesen werden können, gibt es darauf bis dato keine rundum befriedigende Antwort. Daher funktioniert Brainreading nicht immer besser als Verhaltensbeobachtung.
Dies mag für den ein oder anderen Marketer etwas enttäuschend sein. Wäre es doch ach so schön gewesen, wenn man einfach mit ein paar EEG Kappen, Eyetracking oder MRT Geräten verstehen könnte, wie der Kunde tickt.
„Das Gehirn ist bunt, die Festplatte toll!“
Ein ebenso brillanten, wie amüsanten Vortrag hielt sein Kollege, Prof. Dr. Henning Beck, Neurobiologe und deutscher Meister im Science Slam (Echt jetzt!). In seinem Vortrag mit dem Titel „Gehirn & Werte“ drehte es sich um die Grundlagen des Storytellings.
Indem er ebenso einfach wie plakativ die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Arbeitsweise und Fähigkeiten eines Gehirns versus eines Computers aufzeigte, demonstrierte er weshalb das Storytelling für menschliche Lern- und Entscheidungsprozesse eine so große Rolle spielt.
Menschen denken in Mustern und Geschichten, weil sie tatsächlich an reinen Daten nicht interessiert sind, sondern an Erlebnissen und Emotionen. Und genau deshalb kaufen sie keine Produkte, sondern die Geschichte dahinter. Wen das Thema interessiert, einfach mal YouTube schauen, dort ist er mit einigen Vorträgen zu finden.
Aus der Praxis
Nach diesem ebenso spannenden wie kurzweiligen Einstieg ging es dann zum Tagesgeschäft. Bernd Werner von der Gruppe Nymphenburg zeigte, wie verschiedene Medien (analog und digital) und deren Einsatz, entsprechend der Zielgruppe auf der Limbic® Map verortet und geplant werden können – eine klasse Planungstool.
„Wie Erlebnis & Wertewelten analog und digital inszeniert werden“
Mit diesem recht trockenen Titel ging der Chefredakteur des Fachjournals Werben&Verkaufen, Dr. Jochen Kalk, an den Start und setzte mit seinem Vortrag ein echtes Highlight. Ein eben nicht trockene Präsentation mit viel Witz, in der er viele Mythen über die Digital Natives auflöste.
Er zeigte die neuesten Antitrends auf, die eine Rückkehr zur Haptik, zum Analogen, zur Entdeckung der Langsamkeit versprechen; Antitrends getrieben von den Digital Natives, die eine grosse Abgeklärtheit den digitalen Medien entgegenbringen. In anderen Worten: Es wird spannend bleiben oder: Nichts bleibt wie es ist.
Erfolgsgeschichten
Kein Kongress kommt ohne Erfolgsgeschichten aus, Erfahrungsberichten von Unternehme(r)n, die etwas Besonderes bewegt haben. So auch der Neuromarketing Kongress. So wurde die Vermarktungsstrategie des Bundesligavereins BVB Dortmund vom Marketingverantwortlichen präsentiert, eben „echte Liebe“.
Eine weitere Erfolgsgeschichte präsentierte Anton Stetter, der sein 1999 gegründetes Unternehmen Slyrs Destillerie vorstellte. Ein bayrischer Whisky wird zum Global Player? Mit Authentizität, vielen kreativen Produktideen und Storys rund um die Produkte haben die beiden Gründer genau dies erreicht.
Einen Exkurs in die hart umkämpfte Textilwirtschaft lieferten die Vorträge von Sina Trinkwalder und Wolfgang Grupp, beide „Rockstars“ ihrer Branche. So unterschiedlich ihre Strategien auch sind, das Ziel nachhaltigen Erfolg zum Wohle aller an der Wertschöpfungskette Beteiligten mit ihren in Deutschland produzierenden Unternehmen zu erzielen, ist gleich.
Am Ende siegt der menschliche Verstand
Zum Abschluss des Kongresses zeigte Dr. Stefan Sigrist, Gründer und Leiter des Think Tanks W.I.R.E., die Grenzen einer datenbasierten Gesellschaft auf. Ohne Menschenverstand kommt eben auch datengetriebenes Marketing nicht aus.
Was für ein tröstlicher Abschluss: Daten können das menschliche Gehirn auch in Zukunft nicht ersetzen.
Mein Fazit
Von allen Kongressveranstaltungen in Deutschland ist und bleibt der Neuromarketing Kongress mir einer der Liebsten. Warum? Weil eben nicht vorgefertigte Antworten, Systeme oder Konzepte präsentiert werden, sondern weil dieser Tag immer wieder neue Perspektiven und Inspiration bietet.
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