Metaverse und Web3 – so sieht die Handelswelt der Zukunft aus (Teil 2)
Handelsexpertin Marilyn Repp gibt in ihrer Reihe zu Web3 und Metaverse Einblicke in die Zukunft. Sie zeigt der Handelsbranche, welche Trends wichtig werden und worauf sich Händler:innen einstellen können. Im ersten Teil wurden einige wichtige Begriffe und Grundlagen der neuen Welt Metaverse geklärt. Im diesem Teil geht es darum, wie Kundenbindung im Metaverse aussieht, was Händler hier schon machen und wie auch der Mittelstand punkten kann.
Hersteller und Marken verkaufen direkt an Endkund:innen
Zuerst die schlechte Nachricht: Das Thema Direct-2-Consumer könnte noch stärker werden. Durch den E-Commerce der vergangenen Jahre und Jahrzehnte waren Hersteller und Marken immer weniger auf den Handel angewiesen. Der Zugang zu den Kund:innen konnte durch Plattformen, aber auch eigene Webshops schnell umgesetzt werden. Das lohnt sich allerdings nur für bestimmte Produkte oder Produktgruppen, die eine starke Emotionalisierung des Kunden hervorrufen. FCMG, die meisten Lebensmittel oder auch Fast Fashion gehören eher nicht dazu – diese Güter werden nach wie vor auf den Handel setzen.
D2C ist für den Handel natürlich problematisch. Viele Händler:innen werden auch unter den zusätzlichen Möglichkeiten und Marktverschiebungen durch das Metaverse leiden. Umso mehr müssen sich Händler:innen auf ihre Kernbereiche konzentrieren: Beratung, Kuratieren, Kundenbeziehung.
Und der stationäre Handel?
Die Marktanteile des Onlinehandels wachsen jedes Jahr, die Corona-Pandemie hat sogar nochmal als Katalysator fungiert. Wann dieser Prozess abgeschlossen sein wird, kann man derzeit nicht abschätzen. Eines ist sicher: derzeit ist er noch nicht abgeschlossen, denn immer weitere Branchen und Produktgruppen verlagern sich in den E-Commerce. Wenn vor zehn Jahren Handelsexpert:innen felsenfest behaupteten, dass niemand Schuhe online kaufen würde, so wurden sie vom Gegenteil überzeugt. Auch für den Lebensmittelhandel war es vor einigen Jahren noch undenkbar, dass so viele Menschen online Lebensmittel einkaufen würden. Die Quick Commerce Anbieter bewiesen in den Pandemiejahren, dass auch sie den alteingesessenen und scheinbar fest im Sattel sitzenden LEH-Giganten Marktanteile abringen können. Tendenz steigend.
Web3 und Metaverse haben das Potential, diese Prozesse noch zu verstärken. Was also kann der stationäre, gerade kleine und mittlere Einzelhandel dem entgegensetzen? Die Antwort lautet auch hier: Erlebnis, Erlebnis, Erlebnis. Hier geht es allerdings um das physische, persönliche, zwischenmenschliche Erlebnis. Um das Gespräch, die Beratung, die haptische Inspiration, das Einkaufserlebnis gepaart mit Events in der Innenstadt und guter Gastronomie. Umfragen zeigen, dass auch sehr junge Zielgruppen der Generation Z und Y das echte Einkaufserlebnis in der Innenstadt schätzen und nicht missen wollen. Wer das als Einzelhändler:in gut macht, wird auch in Zukunft gute Chancen haben.
Ob es im Metaverse Plattformen und Online-Marktplätze geben wird wie im Web2, bleibt abzuwarten. Die Wahrscheinlichkeit besteht allerdings. Nicht alle Marken und Hersteller werden hier direkten Vertrieb machen, denn die Kosten dafür sind hoch – es lohnt sich also eher für hochpreisige Produkte.
Beispiele: Mittelstand im Metaverse
Was können Einzelhändler:innen tun, um ins Metaverse einzusteigen? Derzeit sind die Möglichkeiten noch begrenzt. Aber warum nicht Bitcoin oder Ether als Zahlungsmittel im Store akzeptieren? Das kann auch eine gute Marketing-Aktion für die Lokalpresse sein und sorgt für Aufsehen. Gerade wenn man junge Zielgruppen ansprechen will, lohnt es sich, darüber nachzudenken. Rechtlich ist das unproblematisch: im Netz finden sich dazu Anleitungen.
Außerdem gibt es bereits einige NFT-Funding-Projekte kleinerer Unternehmen. Ein Beispiel ist das des estnischen Eier-Bauern Tanel Tang, der eine wichtige Finanzierung durch seine Bank vor Ort nicht erhielt. Seine Lösung: er bot seinen Kund:innen NFT mit einer Gewinnbeteiligung an. Tangs Bio-Eier hatten schon vor der Aktion eine große Fan-Community und Bekanntheit in der Umgebung. Durch seine reichweitenstarke Online-Community waren die angebotenen NFTs zu 65% innerhalb der ersten 24 Stunden verkauft.
Ein anderes Beispiel für NFT-Funding ist das der Rennfahrerin Laura-Marie Geissler, die aufgrund ihres Geschlechts in ihrer Profession weniger Sponsoring-Mittel für die teuren Saisons erhielt. Auch hier hieß die Lösung: Verkauf von NFT an die Community. Der Erlös geht zu 100 % in die Finanzierung ihrer Renn-Saison.
Ein mittelständischer Händler macht’s vor: Deiters
Mit 29 Filialen und bis zu 700 Mitarbeitenden in der Saison-Spitze ist der Verkleidungsausstatter Deiters mit Sitz in Frechen nahe Köln ein klassischer Mittelständler. Im Zuge einer neuen Digitalstrategie begann der Einzelhändler Anfang 2022 komplett neue Wege zu gehen, um neue Zielgruppen zu erreichen und zu expandieren. Ziel war der Aufbau einer Deiters-Fan-Community, die mittels NFT (Non-Fungible-Token) an die Marke gebunden wird. NFT sind digitale Güter (z.B. Bilder, Videos oder Songs), die eine Person erwerben kann und die durch die Blockchain-Technologie absolut diebstahlsicher sind.
Mitte 2022 wurde dann der Dressed Ape Costume Club ins Leben gerufen. Mit dem Erwerb eines Deiters-NFT wird man Teil einer Community, die seitdem stetig wächst und für das Unternehmen ungeahnte Potentiale hat. 1 Solana kostet ein solcher NFT, die Kryptowährung ist in etwa 30-35 Euro pro Einheit wert, je nach derzeitiger Bewertung. Der Kauf ermöglicht es dem Unternehmen, mit dem Kund:innen immer wieder in Kontakt zu treten: es gibt ständig Verlosungen – für das Oktoberfest, für Festivals oder andere Partys. Außerdem erhalten die Community-Mitglieder regelmäßig Rabatte, Gutschein-Codes und können an Umfragen zum Sortiment teilnehmen oder starten diese sogar selbst. „Die Community ist extrem aktiv – wir können direktes und blitzschnelles Feedback zu unserem Sortiment einholen. Das ist für uns Gold wert!“, sagt Corinna Dahlhaus, Leiterin des Projekts und Marketing-Verantwortliche bei Deiters. Organisiert wird der Austausch über die Plattform Discord – für Metaverse-Enthusiasten ist das der Treffpunkt. Außerdem sei die Conversion Rate der Community-Mitglieder unvergleichlich hoch, so Dahlhaus. Die Mitglieder erhalten regelmäßig Pakete mit Karnevals- oder Partybedarf. An dieser aktiven Zielgruppe und der Reichweite haben auch andere Unternehmen Interesse – es entstehen Kooperationen mit Unternehmen, die ihre Produkte testen lassen möchten.
Wir werden bei Zukunft des Einkaufens über die nächsten Schritte des Unternehmens berichten.
An der Stelle bleibt zu sagen: Ausprobieren, scheitern, ausprobieren, nächstes Projekt und wieder von vorn – so funktionieren Innovationen. Viele der derzeit laufenden Metaverse- oder NFT-Projekte werden irgendwann wieder eingestellt werden. Was bleibt, ist die Erfahrung und ein Wissensvorsprung gegenüber Wettbewerbern. Einige Projekte werden auch erfolgreich sein, dann gehört man zu den First-Movern, den ersten in dem Bereich.
Über die Autorin
Raus aus der Komfortzone – rein in die Zukunft! Das ruft Marilyn Repp den Unternehmen der Handelsbranche zu. Sie ist als Speakerin und Autorin eine gefragte Handelsexpertin und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Digitalisierung, Innovationen und Trends im Handel. Beim Handelsverband Deutschland leitet sie als stellvertretende Geschäftsführerin das Mittelstand-Digital Zentrum Handel – die Anlaufstelle für Digitalisierung für mittelständische Händler:innen. In ihrem Podcast „Zukunft des Einkaufens“ ordnet und übersetzt sie die neuesten Technologie-Trends für die Branche, zuletzt vor allem Metaverse und Web3-Themen.
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