Messenger Marketing: MIT statt ZU den Kunden sprechen (1/2)
Das Ende der digitalen Massenwerbung? Marketing und Kundenservice können heute nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Zahlreiche Unternehmen setzen bereits auf „Conversational Commerce“ via Messaging-Apps, um Kunden individuell und effizient zu beraten, an sich zu binden und Neukunden zu generieren. Welche Möglichkeiten bietet heute das Messenger Marketing?
Über 20 Millionen retournierte Artikel musste der deutsche Onlinehandel im Jahr 2018 auf den Müll werfen. Die damit verbunden Kosten und die Vernichtung an Ressourcen sind ein deutliches Indiz für den Nachteil des digitalen „Selbstbedienungsmodells.“ Zugleich hat die universelle Vergleichbarkeit und Verfügbarkeit von Produkten im Netz in den vergangenen Jahren bei großen Teilen des stationären Handels zu deutlichen Umsatzeinbußen und einem verstärkten Preisdruck geführt.
Die Wirkung von Marketing nimmt immer weiter ab
Dabei ist der mittlerweile fast schon „klassisch“ zu nennende Ansatz, sich von der Vielzahl der Anbieter durch verstärktes Marketing abzuheben, heute nur noch begrenzt wirksam, wie das Beispiel Media Markt zeigt: Der Elektronik-Riese verzeichnet eine seit Jahren konstante sinkende Markenwahrnehmung. Was für Media Markt gilt, gilt nahezu unverändert für alle Branchen. Ein wesentlicher Grund für die nachlassende Wirksamkeit von Werbung liegt in der Informationsüberflutung: Addiert man alle digitalen und analogen Kanäle, wird der Durchschnittskonsument heute von bis zu 5.000 Werbebotschaften „bespielt“ – täglich!
Messenger erreichen (fast) alle!
Wenn es eine Aussage gibt, auf die sich branchenübergreifend alle Händler der Welt einigen können, dann ist es wohl die Erkenntnis, dass man die Kunden am besten da erreicht, wo sie sich ohnehin befinden. Und das heißt heute: in Messenger-Apps.
Die Nutzung der intuitiv bedienbaren Kommunikationstools ist in allen Zielgruppen – unabhängig von Alter oder sozialen Schichten – zu einem Massenphänomen unserer Zeit
geworden. WhatsApp, der Facebook Messenger, iMessage, Telegram und Co. sind heute mit deutlichem Abstand das beliebteste Kommunikationsmedium. Laut der neusten ARD / ZDF Online Studie nutzen 63% der Deutschen Gesamtbevölkerung regelmäßig WhatsApp.
WhatsApp und Co. sind diejenigen Kommunikationskanäle, die die Lebenswirklichkeit potenzieller und bestehender Kunden am stärksten widerspiegeln. Dabei sind Messenger- Apps sehr schneller, direkter und persönlicher Kommunikationskanal: Bislang tauschten sich die Nutzer hier hauptsächlich mit Freunden und der Familie aus.
Service per WhatsApp mittlerweile etabliert
Bereits heute wünscht sich knapp die Hälfte der 25- bis 55-Jährigen, ein Unternehmen auch über WhatsApp kontaktieren zu können. Dabei stehen dabei Terminvereinbarungen (69 Prozent), der Erhalt von nützlichen Informationen (57 Prozent) und die Möglichkeit, Reklamationen via Messenger abwickeln zu können (48 Prozent) ganz oben auf der Liste der Situationen, in denen sich die deutsche Kunden den Messenger-Kontakt zu einem Unternehmen wünschen.
Das heißt: Der Kunde von heute erwartet nicht noch mehr „Marketingspam“ nach dem Gießkannenprinzip von einem Unternehmen – sondern unkomplizierten, schnellen und auf seine jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittenen Service. Hier können Messenger-Apps ihr volles Potenzial ausspielen: Sie bieten dem Handel eine Chance, dem Kunden nach den zahlreichen Werbe-, E-Mail- -, DisplayAd- und PopUp-Übertreibungen in der Ära der digitalen Massenwerbung wieder eins-zu-eins, ehrlich und direkt zu begegnen: als Individuum mit Wünschen, Vorlieben und Ansprüchen – und nicht als anonymes Element einer algorithmisch definierten Zielgruppe.
Konversation statt Massenwerbung wirkt vertrauensbildend
Weg von der „Sales Economy“ hin zum „Conversational Commerce“, muss das Motto lauten, um sich langfristig am Markt behaupten zu können. Mit anderen Worten: Der Handel von morgen spricht MIT und nicht ZU dem Kunden. Marketing und Kundenservice können heute nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden! So geben über zwei Drittel der Konsumenten, die ein Unternehmen via Messenger kontaktieren, an, dass ihnen die Möglichkeit des Messagings hilft, ein größeres Vertrauen in eine Marke aufzubauen. Via Messenger geben Kunden nicht nur häufiger freundliches Feedback – sie teilen ihre Erfahrungen auch öfter mit anderen Menschen im Freundes- und Bekanntenkreis.
Die gesamte Customer Journey in einer App
Entsprechend haben sämtliche großen Messenger Plattformen in den vergangenen eineinhalb Jahren ihre Business-Lösungen in Richtung Dialog und Kundenservice positioniert. So hat etwa WhatsApp mit der WhatsApp Business App (für kleinere Unternehmen) sowie der WhatsApp Business API (für mittlere und große Unternehmen) zwei Produkte gelauncht, die klar auf direkte Kundenkommunikation ausgerichtet sind. WhatsApp geht sogar soweit, Newsletter und massenweises Content Marketing ab dem 07.12.2019 generell zu verbieten.
Das heißt: kein Unternehmen – egal welcher Größenordnung – darf mehr über WhatsApp Newsletter oder Informationen mit werblichem Inhalt versenden. Dieses Verbot gilt für ALLE Nutzer: für Nutzer der Broadcast-Funktion der „normalen“ WhatsApp-Version (was für Unternehmen aus Datenschutzgründen ohnehin untersagt ist) ebenso wie für Händler, die bislang die WhatsApp Business App für ihr Content Marketing genutzt haben.
Alternativen zum WhatsApp-Newsletter
Was bleibt nun als Alternative für Händler, deren Kernumsatz aus der Bereitstellung zeitlich begrenzter Angebote besteht (in der Praxis v.a. E-Commerce- und Touristik-Anbieter)?
Für diese gibt es nach wie vor auch Möglichkeiten, ihren Content als Push-Nachricht via Messenger auszuspielen. Dabei sind aktuell vor allem drei Alternativen Erfolg versprechend:
Das erste wäre der Umzug des bisherigen Kanals zur Messenger-App Telegram. Das Abonnieren von Newslettern bei Telegram funktioniert, ähnlich wie bei WhatsApp, über Kommandos. Der Kunde startet die Konversation – und abonniert den gewünschten Kanal durch Klick auf den vorgefertigten „Start“-Button.
Die zweite Alternative: Die Nutzung der kostenfreien Notify-App, über die Nutzer ebenfalls aktuelle Nachrichten und Updates von Unternehmen abonnieren können. Bislang wurde die vom Münchner Unternehmen MessengerPeople entwickelte App (kostenfrei zum Download bei Google Play und Apple Store) über 100.000 Mal heruntergeladen. Versenden Unternehmen dann einen Newsletter, erhalten Nutzer eine Push-Benachrichtigung über Notify.
Und last, but not least: der Apple Business Chat! Mit dieser Anwendung können Unternehmen ihrer Zielgruppe über iPhone-, iPad, Mac und Apple Watch direkt über die
Nachrichten App einen Live-Chat bieten. Angemeldete Unternehmen werden beispielsweise bei Suchanfragen im Safari-Browser mit einem Symbol zur direkten Kontaktaufnahme via Apple Business Chat versehen. Dies gilt ebenso für die Suche mithilfe von Spotlight, Siri oder in Apple Maps. Nutzer haben die Möglichkeit, über iMessage mit Unternehmen zu chatten, Termine zu vereinbaren, Bestellungen vorzunehmen oder Zahlungen über Apple Pay zu tätigen.
Die Fraunhofer-Gesellschaft ist eine der ersten Institutionen in Deutschland, die sogar Content-Distribution über die Nachrichten App von Apple bieten. Die Einschränkungen von Apples „Notifications“: Händler dürfen über den Kanal nicht ausschließlich senden, sondern müssen auch Kundenservice anbieten.
In allen drei Fällen gilt es, die eigenen Kunden und Nutzer rechtzeitig auf das neue Angebot aufmerksam zu machen, um Reichweitenverluste beim Wechsel des Messenger-Kanals möglichst zu minimieren und die (oftmals langwierig) aufgebauten Kontakte zu halten.
Service rund um die Uhr: Automatisierung ist der Schlüssel
Mittlerweile haben sich Messenger-Apps über alle Stationen der Customer Journey hinweg zu universellen Plattformen entwickelt, auf denen sich sämtliche Kundeninteraktionen und – transaktionen mit Hilfe von Messengern digital abbilden lassen – von der individuellen Beratung und Empfehlung über die Bestellung und Bezahlung (bspw. via ApplePay) bis hin zur Reklamation, Kundensupport, Upselling- und Weiterempfehlungs-/ Customer Retention- Maßnahmen.
So lassen sich über Messenger auch zahlreiche Prozesse im Handel automatisieren. Mit Hilfe von einfachen Chatbots via WhatsApp und Co. können Standardfragen der Kunden (z.B. zu Öffnungszeiten oder Sonderangeboten) zudem rund um die Uhr automatisiert beantworten. Auch zur Terminvereinbarung oder zum Versand von Informationen (zur Paketverfolgung, Bestell- oder Versandbestätigungen) oder für die Abwicklung von Retouren – bis hin zum Versand des Retouren-Labels – lassen sich Chatbots sinnvoll einsetzen.
Fazit: Kundenbindung durch Präsenz im beliebtesten Kommunikationskanal
Die Kunden des 21. Jahrhunderts erwarten von Unternehmen die Möglichkeit direkter und persönlicher Beratung –unabhängig von Öffnungszeiten und gänzlich ohne Warteschleife! WhatsApp, Facebook Messenger, iMessage/Apple Business Chat und Co. können dabei wertvolle Kanäle für ein Unternehmen sein, um einen persönlichen Kontakt zu seinen
Zielgruppen aufzubauen und diesen stetig zu intensivieren. Umgekehrt sind Messenger-Apps für potenzielle und bestehende Kunden ein niedrigschwelliger und komfortabler Weg, um mit einer Marke zu kommunizieren.
Im zweiten Teil werfen wir einen Blick auf Lösungen, die heute bereits bei Handelsunternehmen im Einsatz sind: dm, Unger Fashion, Hessnatur, Müller und Vodafone.
Über den Autor: Nach verschiedenen Stationen auf Agenturseite verantwortete Matthias Mehner (41) fünf Jahre lang das Social-Media-Marketing beim Medienkonzern ProSiebenSat.1. Im Sommer 2017 wechselte Mehner zum führenden Messenger-Dienstleister MessengerPeople, wo er sich als Chief Marketing Officer und Mitglied des Management Boards mit dem Potenzial von Messengern und Chatbots für Unternehmen und Marken beschäftigt. Im Sommer 2019 veröffentlichte er mit „Messenger Marketing: Wie Unternehmen WhatsApp & Co. erfolgreich für Kommunikation und Kundenservice nutzen“ (Springer Gabler Verlag) das weltweit erste Fachbuch zum Thema Messenger-Kommunikation.
Beitragsbild: Stockfoto – Roman Samborskyi/Shutterstock
Trackbacks & Pingbacks
[…] zu gewinnen. Welche Möglichkeiten heute für das Messenger Marketing bieten, hatten wir im ersten Teil dieses Artikels bereits behandelt. Jetzt zeigen wir, wie Messenger-Apps im Handel eingesetzt […]
[…] Marketing. Der Handel kann mit Messengern wie WhatsApp oder dem Facebook Messenger auf einen Schlag Milliarden potenzieller Kunden erreichen und zwar genau dort, wo sie sich aufhalten. Welcher Marketer bekommt da keine feuchten […]
Ihr Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie gern einen Kommentar!