[Glosse] Alle Jahre wieder: Endlich 3D-Shopping
Es ist mal wieder soweit, das Thema virtueller Showroom wird gehypt! Entwickelt auf Basis des Oculus Rift Head Mountes Displays gibt es ein völlig neues Einkaufserlebnis: Menschen kaufen per Vitual Reality zukünftig noch mehr von Zuhause aus ein. Ein leider wenig aussagekräftiges Video und viele Berichte ohne konkrete Anwendungen mischen gerade die Twitter- und Blogosphäre auf.
Genau der richtige Zeitpunkt, einen meiner Berufe wieder aus dem Schrank zu holen: Den des „Vitual Shopping Therapeuten“
Dazu muss ich etwas in der Erfahrungskiste aus meiner Zeit als Innovationsverantwortlicher bei der Metro Goup kramen. Im Hochzeitalter des Second Life Hypes 2007 waren sich alle Experten einig: Viele Dinge werden wir zukünftig nicht mehr selbst tun, sondern Avatare werden in virtuellen Welten vieles für uns erledigen: Party machen, Freunde treffen und vor allen Dingen Shoppen wird virtuell erledigt. Wir haben uns damals intensiv mit der Einkaufswelt der Zukunft beschäftigt und nach intensiver Recherche für ein Startup entschieden, das eine weniger eskapistische Welt auf die Beine gestellt hat: Twinity. Mit viel Investorengeld haben die Jungs und Mädels Berlin in 3D übertragen, von den Gebäuden über das Baumkataster bis hin zum Wetter war alles da. Unser Ziel war, den Usern die Möglichkeit zu geben, sich ihre Vorstellung vom idealen Supermarkt zu bauen, damit wir lernen können, wie sich die Generation Y oder Z das Einkaufen der Zukunft vorstellt. Ein echtes Forschen an der Zielgruppe von morgen also.
Leider wurde man von der Realität eingeholt:
Durch einen Kinderpornographie-Skandal in 2008 (Das gibt es: Eine 13jährige hat ihren Avatar in ein Bordell geschickt) und virtueller Kriminalität ist das Thema der 3D-Welten sehr schnell von der Bild- und Businessfläche verschwunden.
Aber noch ein weiterer Punkt ist mir damals klar geworden, nachdem ich intensiv damit begonnen hatte, mich mit Neuromarketing zu beschäftigen: Wollen die Menschen das überhaupt? Geht man statt in einen echten Laden lieber in ein virtuelles Geschäft, ist das ein passabler Ersatz?
Parallelen zeigen die Bedeutung von Multisensorik
Ich erlaube mir mal ein paar Parallelen aufzuzeigen, um die damaligen Erkenntnisse deutlich zu machen. Mitte der 90er waren sich alle Experten einig: Das papierlose Büro wird spätestens 2010 Realität sein. Anfang der 2000er Jahre wurde prognostizert, dass der Anteil der Menschen, die virtuellen Cybersex haben werden, rapide ansteigt. Nun, was ist aus beiden Themen geworden? Nie war der Papierverbrauch in Büros höher als heute, zugleich habe ich noch nie jemanden getroffen, der mir etwas von Cybersex vorgeschwärmt hat.
Wir kommt das? Wieso konnten die Experten so daneben liegen? Nun, ich glaube die Antwort gefunden zu haben, und habe daraus den Job des „Virtual Shopping Therapeuten“ kreiert: Wenn ein VC in das Thema investieren will, kann ich die Sucht nach dem Verbrennen von Geld schnell heilen.
Endlich ist die Therapie da: Die Sucht nach Geldverbrennung kann geheilt werden!
Papierlose Büros, Cybersex und virtuelle Stores haben alle etwas gemeinsam: Sie sprechen überhaupt nicht die Sinne der Menschen an. Diese Lösungen gibt es nur, weil sie machbar sind und nicht etwa, weil die Menschen sie brauchen. Es wird immer Print geben, weil das Blättern eine konditionierte Lust beim Menschen auslöst. Die Vorzüge von realem Sex erlaube ich mir jetzt als bekannt vorauszusetzen, bleibt also noch das virtuelle Shoppen: Die wenigsten Menschen gehen in einen echten Store, um sich mit Waren zu versorgen: Für die meisten ist es Erlebnis, Inspiration und Freizeitgestaltung! Warum gehen Menschen in Las Vegas einkaufen? Warum investieren sie wertvolle Urlaubszeit auf einem Wochenmarkt in der Toskana? Genau aus diesen Gründen!
Lokales Einkaufen ist zudem Identifikation mit der Kommune, soziale Interaktion und nicht zuletzt für viele Menschen eine unmittelbare Selbstbelohnung: Einkaufen bringt den Dopaminschub im Belohnungszentrum des Gehirns und der will jetzt gestillt werden, nicht erst in drei Tagen wenn das Paket ankommt.
Eher ein Monitor 2.0
Im besten Fall kann man diese virtuellen Shops als eine Weiterentwicklung des Computermonitors ansehen, der übrigens schon lange 360° Views ermöglicht. Von einem neuen Einkaufserlebnis ist man aber weit entfernt!
Solange Investoren viel Geld in Lösungen stecken, die von Technikern im Glauben zu wissen was Menschen wollen entwickelt werden, kann der Therapeut nicht arbeitslos werden.
Leider hat mich in meinem vorherigen Job als „Mobile Payment Therapeut“ niemand konsultiert, sonst wären die vielen verbrannten Millionen von Yapital und anderen Zahlungspionieren sinnvoller investiert worden. Da hat man auch eine Lösung auf den Markt gebracht, die zwar machbar, aber nicht gewollt war.
Es bleibt spannend!
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