Lokales Farming als Pilot-Konzept im stationären Handel
Die Begriffe Regionalität und Lokalität haben bei den Verbrauchern in jüngster Zeit stark an Bedeutung gewonnen. Noch vor 50 Jahren hat man dies lächelnd abgetan. Wie kommt dieser Wandel in der Gesellschaft zustande und was lernen wir daraus für den stationären Handel?
Ein neues Bewusstsein entsteht
Zu einem Zeitpunkt, als der Wohlstand in der Gesellschaft noch im Vordergrund stand, haben zunehmende Naturkatastrophen und deren massive Folgen auf unser Leben zu einem Umdenken geführt. Heute steht nicht mehr um jeden Preis der Wohlstand, sondern immer mehr der Mensch im Mittelpunkt. Erkennbar macht sich dies unter anderem durch eine bewusstere, gesündere Lebensweise und einen nachhaltigeren Lebensstil. Der Konsument ist anspruchsvoller geworden und legt Wert auf regionale und lokale Produkte. Dieser Trend führte zu einer Vielzahl an Neueröffnungen von reinen Biosupermärkten. Und gleichzeitig erhöhte sich das Angebot in Supermärkten von rund 3.200 Produkten in 1965 auf über 20.000 in 2020 laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Besonders interessant dabei ist, dass rund 33% aller Supermarktkäufer laut dem IFH (Institut für Handelsforschung) in Köln auch Wochenmarktbesucher sind.
Chancen für den stationären Handel
Der Endverbraucher kann heute regionale / lokale Produkte direkt beim Landwirt und dem Gemüse- oder Obstbauern auf dem Hof außerhalb der Stadt einkaufen. Er kann aber auch zum Wochenendmarkt im jeweiligen Stadtteil gehen oder er schließt sich mit Nachbarn zusammen, um kleinste Freiflächen in der Stadt für den Eigenanbau zu nutzen – dem sogenannten Urban Farming. All diese Möglichkeiten werden zwar immer mehr genutzt, benötigen aber auch viel Zeit – Zeit die wir oftmals nicht haben. Warum also nicht die Wünsche des Verbrauchers nach Regionalität und Lokalität direkt in die Supermärkte integrieren – dort wo der Endverbraucher so oder so einkaufen geht? Nicht im Sinne einer optischen Wochenmarkt Inszenierung am POS (Point of Sale), sondern in der Realität. Das nicht abgeschöpfte Potential an Supermarktkäufern, welche zusätzlich Ihre Einkäufe auf dem Markt decken, aber auch die Entwicklung der in Deutschland lebenden Veganer / Vegetarier. Von rund 83,1 Millionen Menschen sind heute bereits 2,6 Millionen (3,2%) vegan und zirka 3,6 Millionen (4,4%) vegetarisch. Dies entspricht ungefähr 10% der deutschen Bevölkerung und macht einen Umsatz von 1,5 Mrd.€ aus laut Statista (dt. Online-Portal für Statistik, welches Daten von Markt- und Meinungsforschungsinstituten zugänglich macht).
Supermärkte werden zu Produzenten!
Heute suchen die Lebensmittelhändler nach Produzenten, die Standards erfüllen und die Mengen produzieren, welche genau dem entsprechen, was für die Endverbraucher benötigt wird. Wieso nicht Produzent werden und die Entwicklung in dem Sektor der Regionalität selbst vorantreiben? In Eigenproduktion entscheiden, welches Obst oder Gemüse angepflanzt wird und wie es geerntet, bewässert und geliefert wird? Sie schmunzeln? Warum? Die ersten Ansätze dessen sehen wir bereits heute schon in den sogenannten Green Buildings einiger Händler. Auch an die enorme Entwicklung der Warengruppen vegan / vegetarisch hat niemand geglaubt und heute ist Sie der Wachstumsmarkt schlecht hin im Biosektor!
Ein derartiges Konzept, indem der Händler gleichzeitig Produzent ist, würde das erlebbar machen, wovon andere sprechen.
- 100% Kontrolle des Händlers von der Aussaat bis hin zur Ernte
- Lebensmittel anbieten, die zur entsprechenden Jahreszeit passen
- beim Ernte einholen den Kunden daran teilhaben lassen
- der nachfolgenden Generation zeigen, dass die Kuh nicht „lila“ ist und die Kirsche vom Baum kommt
- den Verbraucher vor Augen führen, dass Qualität und Regionalität ihren Preis hat
Schlaraffenland Eigenproduktion
Es kann alles vereint werden wonach der Verbraucher verlangt: regionale / lokale Produkte kaufen, einen Hersteller zum „anfassen“ und „erleben“ haben, einen gesunden Lebensstil für sich und die Familie führen. Der Hersteller wiederum hat alles in seiner eigenen Hand und erledigt ganz nebenbei einen Bildungsauftrag für die nachfolgende Generation.
Ganz konkret bedeutet dies, dass der Händler in eigener Produktion beispielsweise Obst oder Gemüse produziert und damit sein Geschäft bestückt. Parallel könnte das Konzept erweitert werden, indem man die passenden Nonfood Produkte anbietet wie der Spargelschäler oder das Gemüsemesser Made in Germany oder Omas neu aufgelegtes Rezeptbuch.
Das Konzept schafft nicht nur Flexibilität für den Händler, sondern vor allen Dingen eine enge Bindung und ein hohes Vertrauen der Endverbraucher.
Unsere Autorin: Christine Mengelée ist Diplom Betriebswirtin und Führungskraft eines international operierenden Konzerns
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