Amazon Echo Look: Online-Shoppen mit Algorithmus
Den Amazon Echo gibt es nun schon eine ganze Weile und viele von uns haben sich damit die freundliche Alexa nach Hause geholt. Nun legt Amazon nach und bringt mit dem Echo Look nicht nur eine vernetzte Kamera in unsere Wohn- oder wahlweise Schlafzimmer. Echo Look ist ein mit künstlicher Intelligenz ausgestatteter Styleberater für zu Hause. Schöne neue Shopping-Welt?
Echo Look – Neuer Shopping-Assistent
Mit Echo Look kann man in den eigenen vier Wänden über die Sprachsteuerung von Alexa Fotos von sich aufnehmen und mit der Style-Check-Funktion zum Beispiel aus zwei Outfits das „bessere“ auswählen lassen. Warum „bessere“ in “ „, dazu unten mehr. Echo Look lernt maschinell, also über die künstliche Intelligenz von Alexa, aber auch durch menschliche Modespezialisten bei Amazon, die ebenfalls Empfehlungen aussprechen. Im Lauf der Zeit soll Echo Look dann immer mehr dazu lernen und immer passgenauere Ratschläge geben können.
Natürlich kann man seine Outfits auch direkt aus der dazugehörigen App in Social Networks teilen und sich ein persönliches Look Book anlegen, in dem man seine Styles und Lieblingsklamotten hinterlegen kann.
Echo Look gibt es zurzeit nur in den USA für knapp 200 US-Dollar.
Datenschutz? Nun ja….
Um die Bilder auswerten zu können, müssen diese an die Server von Amazon gesendet werden. Hier werden sie laut Amazon „unbegrenzt“ gespeichert, es sei denn, die Nutzer löschen ihre Bilder selbst über die App. Ob und in welchem Umfang Amazon diese Fotos, Videos und sonstige Daten an Dritte weiter gibt, ist zurzeit noch nicht ganz klar. Zeit Online hat bei Amazon dazu nachgefragt und erhielt eine nicht besonders (oder gerade?) vielsagende Antwort: „Amazon gibt keine persönlichen Daten an Werbetreibende oder Drittanbieter weiter, die Produktempfehlungen zeigen“.
Ebenfalls zum heutigen Zeitpunkt noch nicht zu beurteilen ist, wie sicher das System insgesamt ist, wie leicht es gehackt werden könnte. Die Informationen hierzu seitens Amazon sind ungenügend, auch wenn man Amazon nach den Erfahrungen mit den bisherigen Geräten, z.B. dem Dash Button, hier ein ausreichendes Maß an Sicherheit zutrauen könnte.
Ethisch einwandfrei?
Dass wir von anderen Menschen nach unserem Äußeren bewertet werden, ist nicht neu. Auch nicht, dass dies niemals vorurteilsfrei erfolgt. Was nun, wenn Maschinen anfangen, uns zu beurteilen? Nach welchen Regeln beginnt ein solches System zu „lernen“? Welche Kriterien wurden ihm von den Entwicklern mit gegeben? Wonach beurteilt der Algorithmus, ob etwas „besser“ aussieht (siehe oben)?
Die Soziologin Zeynep Tufekci kritisierte, dass Amazon erheblich mehr aus diesen Fotos heraus lesen könne, z.B. ob die Menschen schwanger oder depressiv wären. Und mit den richtigen Algorithmen wird noch viel mehr möglich sein.
Amazon selbst macht zurzeit keine Aussagen darüber, nach welchen Vorgaben Echo Look ins Rennen geschickt wurde. Es wäre nicht wünschenswert, wenn es nach den Kriterien der Hochglanzmagazine, in denen wir seit Jahren eher fast verhungerte und schlecht gelaunte Models sehen, vorgehen würde.
Welche Vorurteile wird also die künstliche Intelligenz haben? Es lässt nichts Gutes ahnen, wenn in der Vergangenheit bei Schönheitswettbewerben, wo künstliche Intelligenz die Jury stellte, fast ausschließlich weiße Frauen gewannen.
Das Thema „Digitale Ethik“ muss und wird uns zukünftig viel mehr beschäftigen. Ein sehr interessantes Interview führte Ingo Stoll mit Dr. Sandra Wachter vom renommierten Oxford Internet Institute (OII) im neuwaerts.fm Podcast.
Richtiger Schritt für Amazon?
Nachdem Amazon bereits seine eigene Modemarke etabliert hat, erscheint Echo Look nur als nächster logischer Schritt, den eigenen Kunden mehr Mode zu verkaufen. So weit, so richtig. Doch jede(r), die/der mit Alexa versucht zu kommunizieren weiß, dass hier noch etwas Weg zu gehen ist. Alexa ist weder besonders „intelligent“ noch gut bedienbar. Unterhaltungen mit ihr sind entweder belustigend oder nervtötend. Zielführend sind sie nur in einem sehr schmalen Korridor, von dem man nicht abweichen darf.
In meinem Podcast mit Johannes Lenz zu Chatbots (und Alexa ist ebenfalls einer), sprachen wir auch darüber, dass wir sehr hohe Erwartungen an sprachgesteuerte Assistenten haben. Vielleicht im Moment schlicht zu hohe. Doch Amazon täte gut daran, sich auf die Verbesserung von Alexa zu konzentrieren, bevor sie noch mehr Gadgets auf den Markt bringen. Denn wenn die User Experience weiterhin so mäßig bleibt, wird es eher negative Auswirkungen auf den Erfolg der Lösungen haben.
Googles Assistent, den ich auch gerade auf dem Smartphone nutze, ist zwar als Hardware für zu Hause bei uns noch nicht verfügbar, er verspricht aber bereits viel. Und wie viele dieser Assistenten wir Nutzer letztlich haben wollen, steht zurzeit noch aus. Ob es mehr als einer sein wird? Wer weiß.
Insgesamt darf man bei Amazon nicht aus den Augen verlieren, dass es schon lange kein Buchhändler mehr ist. Schaut man sich an, wo Amazon derzeit freie Stellen ausschreibt, bekommt man einen Eindruck, welche Schwerpunkte in diesem Unternehmen gesetzt werden. Alle diese Geschäftsbereiche sind datengetrieben und hierum geht es letztlich. Wie viele und in welcher Qualität kann ich bei den Nutzern erheben? Und wie kann ich sie anderweitig nutzen? Und hier wird Echo Look gute Dienste leisten. Darüber hinaus hatte Amazon noch nie große Probleme damit, insb. Hardware-Abenteuer auch einfach wieder einzustellen, wenn sie nicht gut laufen.
Die gesamte Analyse von CB Insights kann man hier nachlesen.
Bedrohung für den stationären Handel?
Ja. Und Nein. Kurzfristig wird Echo Look noch unter einigen Kinderkrankheiten und der zurzeit bestehenden Ablehnung der Nutzer zu leiden haben. Doch das sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass Amazon hier vormacht, wie man das, was man immer für das einzigartige Merkmal des stationären Handels hält, das persönliche Beraten, eben auch digitalisiert werden kann.
Der Handel sollte sich also nicht auf „wir machen doch Beratung“ ausruhen, sondern vermehrt auf persönliche und emotionale Beratung, auf Erlebnis und Wohlfühlen setzen, also auf die Bestandteile einer optimalen User Experience, die Alexa dann doch nicht leisten kann. Zumindest in nächster Zeit nicht. So ganz sicher ist das nämlich auch nicht.
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