Amazon den Kampf ansagen
Letzte Woche lief im ARD die Dokumentation „Das System Amazon“ über die Machenschaften von Amazon. Bereits während des Anschauens dachte ich, wenn Amazon schon verrissen wird, warum wird die Frage, warum Amazon so erfolgreich ist, nicht ebenso beleuchtet?
Online Marktplätze oder Marktplatz – immer schlecht?
Und wenn schon „Amazon-Bashing“ gemacht wird, warum schaut das ARD nicht gleichzeitig auf erfolgreiche Plattformen wie z.B. die Otto Group, die mit myToys.de (alles für das Kind) das Kombishopping mit mirapodo (Schuhe), ambellis (fashion), und yomonda (Wohnen) ermöglicht. So ist myToys ein Marktplatz der Händlern und Herstellern offen steht, die das Sortiment ergänzen. Die 17 hauseigenen Shops bieten myToys Erfahrung auf der Fläche.
Allen voran sei noch Zalando genannt, die mit der neuen Plattform nicht nur die Einbindung von Fashionketten wie z.B. Hallhuber ermöglichen, sondern stationäre etablierte Händler können vom Zalandonetzwerk gegen eine Gebühr ebenfalls profitieren. Selbst die ANWR mit Schuhe.de ist dabei (siehe auch Redpaper BearingPoint No.12 – Ecosysteme & Plattformen verändern die Handelslandschaft S.16).
Eigentlich müsste jedem etabliertem Händler mit gesundem Menschenverstand klar sein, dass die vermeintliche Bequemlichkeit von Amazon ihren Preis hat. Entweder in Form von Prozenten, die man abgibt, oder eben die zusätzliche Arbeit die der Händler hat, sofern er das Fullfillment von Amazon nicht nutzt. Im Gegenzug bekommt der Händler Reichweite und „Gefundenwerden“. Letzendlich sind nicht wenige Marktplatz Teilnehmer erst durch Amazon zum Händler geworden und das mit Erfolg. Wahrscheinlich sollte man als Händler den richtigen Zeitpunkt zum Ausstieg erwischen, oder aber nur mit einem Teilsortiment dort auftreten, das werden wir aber zu einem anderen Zeitpunkt näher beleuchten.
Mein Heilbronn.de
Zurück zur Doku: So wurde der neue Heilbronner Marktplatz, welcher mit 25 Geschäften mit der Atalanda Lösung online gegangen ist gezeigt, um hier zumindest lokal Amazon die Stirn zu bieten. Die Besitzerin eines Handarbeitsgeschäftes gab zu, man müsse wahrscheinlich mit der Zeit gehen, sonst bleibe die Kundschaft weg. Ihre Aussage jedoch, dass die Kunden einfach älter geworden sind, bezweifle ich, denn der Trend zum Selberstricken, -nähen, -basteln ist ungebrochen. Da hilft der schiere Auftritt auf einem Portal sicherlich. Die Idee bei dieser Plattform ist über die Artikelsuche den Händler zu finden, und so den Kunden anzuregen, in den Laden zu kommen. Das funktioniert relativ gut, wie ich soeben feststellen konnte.
Diese Lösung ist sicher ganz gut, aber ich bin mir nicht sicher ob dies ausreicht, denn das Einstellen der Artikel in das System ist langwierig und nicht jeder Händler ist davon zu begeistern. Auch die Mühe, die Herr Heimbold von Atalanda beim Überzeugen jedes einzelnen Händlers aufbringen muss, ist beachtlich und wirkt wie das Pauken mit Schülern, die die Klasse wiederholen müssen.
Hilft denn der eigene Web-Shop?
Einige Hersteller, die den Weg über einen eigenen Web-Shop mit der E-Commerce Platform Shopware gehen, kamen auch zu Wort. Diese mutet ähnlich an wie Shopify oder Jimdo und ist ein sehr einfach zu erstellender Onlineshop, der ausserdem eine Verlinkung (ich konnte diese leider nirgends finden) zu anderen Shops ermöglicht, und so den Community Gedanken fördern soll, den auch Händler in einer Stadt/Gemeinde beispielsweise haben. Die Verlinkung ermöglicht so sicher eine Erhöhung der Klickraten beim „Gefunden werden“. Aber ob das ausreichen wird? Wie so oft kann man nicht oft genug betonen, dass Beratung und Kundenservice es ermöglichen der Bequemlichkeit, die Amazon bedient, die Stirn zu bieten.
Amazon bedeutet Licht und Schatten –
ebenso wie andere Plattformen auch – denn für den interessierten Händler wie Käufer, gibt es Marktplätze, die es wert sind, betrachtet und ausprobiert zu werden. Die Klarstellung dessen hat mir an dieser Doku für einen Angriff auf Amazon ganz klar gefehlt. Es ist nicht alles schlecht und es gibt Alternativen zu Amazon, von Unternehmen, die in Deutschland sogar Steuern zahlen. Gerne lasse ich mich auch noch eines Besseren belehren, und freue mich über Anregungen, die hier nicht genannt wurden. Ein Beispiel möchte ich zum Schluss noch erwähnen:
Ein Marktplatz mit Spassfaktor – Sugartrends
Bei Sugartrends geht es ausschliesslich um Unterstützung lokaler Läden mit schönen Dingen, und das sogar aus der ganzen Welt. Hier können Boutiquen sich und ihre einzigartigen Produkte online präsentieren. Es geht vorwiegend um das Kundenerlebnis, individuelles Storytelling des jeweiligen Händlers und den Communitygedanken. So erzählte mir auch Tim Lagerpusch, Mitgründer von Sugartrends, seine Händler zu überzeugen, einfach mal tagsüber Instagram zu nutzen, um die Stammkundschaft auf neue Kollektionen aufmerksam zum machen, sei liebevolle und mühsame Kleinarbeit. Obwohl die Boutiquebesitzerin dies sogar mal schnell beim Kaffee machen könnte; es muss ja nicht die ganze Kollektion abgebildet sein. Die Kundin hat die Möglichkeit per Chat zu erfahren, ob das Teil in der passenden Größe, Farbe, etc. auf Lager ist. Das ist simpel, schnell und macht sogar Spass, speziell, wenn man auf der Suche nach etwas Besonderem ist und eine persönliche Beratung bräuchte. Die Lust vorbeizuschauen kommt dann von ganz alleine, denn Menschen kaufen nunmal gerne von Menschen.
Es könnte so schön sein,
wenn ich nicht den halben Sonntag nach einem schönen warmen Stiefel erfolglos online suchend verbracht hätte. Es gäbe ein Paar sogar in einer Filiale ganz in der Nähe von mir. Leider kann man mit dem Geschäft nicht chatten, auch eine click&reserve Möglichkeit gibt es nicht. Gäbe es diese, hätte ich längst vorbeigeschaut und probiert…..hätte, wäre, wenn, … ist aber nicht! Als Dank dafür werde ich wieder wochenlang mit Stiefelbildern zugespamt.
Unsere Autorin:
Daniela Schneider,
Senior Manager bei Bearing Point
Retail Expertin mit viel Insights in die Digitalisierung und einer Passion für den Handel
Macht den Kunden zum Onlineshopper!
Atalanta, Locafox und Co – die Heilsbringer für die gebeutelten Händler. Vielleicht sollte man mal darüber nachdenken, ob diese Systeme die Kunden in die Hände von Amazon & Co treiben. Vielleicht ist Online-City Wuppertal ein gutes Beispiel. Wuppertal ist inzwischen die Stadt mit dem höchsten Paketaufkommen pro Einwohner in Deutschland. Atalanta hat die Kunden zuerst Onlinefähig gemacht – für die Händler in Wuppertal zuerst eine Erfolgsstory. Jetzt wird der Kunde mutiger und geht in die Preisvergleichsportale und kauft mehr Online – aber nicht mehr in Wuppertal.
Sehr geehrter Herr Liehr,
Ihr Argument ist so hahnebüchend wie der Versuch den Städten und deren Gewerbetreibenden mit City Maps oder einem werbefinanzierten Schaufensterportal zu mehr Online-Sichtbarkeit zu verhelfen. Google war hier leider auch schon schneller.
Digitale City-Initiativen (und dazu zählen auch lokale Online-Marktplätze) müssen in erster Linie als Veränderungsmanagement begriffen werden, aber eben auf Basis einer werblich-vertrieblich ausgerichteten Infrastruktur, auf der sich Einzelhändler, insbesondere der inhabergeführte Handel, Dienstleister und Handwerk kooperativ entfalten können. Idealerweise in einer Public-Private-Partnership mit den Citymanagement- und Stadtmarketingorganisationen. Denn Städte müssen lernen, den online-lokalen Raum adäquat zu bespielen. Dass es am Ende nur über die Abbildung der Produktverfügbarkeit gelingen wird, signifikant die ROPO-Efffekte zu stärken, ist keine Raketenwissenschaft und im Übrigen auch durch die Erfahrung in Wuppertal bestätigt. Telefonnummern, Adressen und schlechte Bilder von Schaufensterfronten reichen hier leider nicht aus.
Wenn am Ende eine starke lokale Online-Marke steht, dann haben die Akteure vieles richtig gemacht. Davon ist man in Wuppertal übrigens auch noch weit entfernt. Viele Systeme – von Lokaso über Locamo bis in zu atalanda – befinden sich im Aufbau. LocaFox hier noch mit in den gleichen Topf zu schmeißen, ist leider genauso hahnebüchend wie die Aussage, die Online City Wuppertal würde lokale Kunden zu Amazon treiben. Denn LocaFox ist kein stadtkooperierender Infrastrukturgeber, sondern kooperiert mit Verlagen und hat vor allem filialisierte Händler im Zielgruppenfokus.
Beste Grüße,
Andreas Haderlein
Hallo Herr Liehr, hallo Herr Haderlein,
ich bin bei Ihnen, Herr Liehr, dass es nicht der Sinn für lokale Händler sein sollte, sich mehr und mehr dem E-Commerce und damit dem Paketepacken zu verschreiben. Man kann das so pauschal natürlich nicht sagen, denn es gibt Händler, für die ist es durchaus sinnig, seine Produkte über die Stadtgrenzen hinaus zu verkaufen. Das hängt immer etwas vom Sortiment ab. Wir bei LocaFox glauben, dass es jedoch nicht sein kann, dass die Händler händisch Ihre Daten eingeben müssen, um online sichtbar zu sein. Ich muss Herrn Haderlein auch widersprechen, dass wir hauptsächlich Filialisten vertreten. Das weiß Herr Haderlein vielleicht nicht, aber unsere Partnerhändler sind vor allem kleine und mittelständische Handelsunternehmen, alleine 1 500 Händler nutzen dabei unser Tabletkassensystem LocaFox POS, das mit integrierter digitaler Warenwirtschaft daherkommt, eben weil gerade viele kleine Händler eben noch nicht digital ihre Waren verwalten, dieses aber eine Grundvoraussetzung für alle Online-Aktivitäten ist. Seit neuestem kooperieren wir mit Google, um besonders kleine Händler mit den lokalen Produktanzeigen (Google Local Inventory Ads) ganz oben in der Google-Suche zu platzieren. Wir wollen nach wie vor die Kundschaft, die sich online informiert, in den Laden bringen und stehen eben nicht fürs Paketeverschicken. Letztlich geht es bei allen Initiativen und Projekten, ganz gleich ob Atalanda, LocaFox und Co. aber darum, den lokalen Handel zu stärken. Hier „kämpfen“ wir alle an der gleichen Front. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und verbleibe mit herzlichen Grüßen –
Thilo Grösch (Unternehmenssprecher LocaFox)
Mehr Informationen zu den Google-Möglichkeiten für Händler:
https://www.locafox.de/locafox-news/google-lia/
Wenn ich es richtig verstehe, dann baut Herr Liehr seit Jahren bereits die digitale Infrastruktur, welche Herr Haderlein vermisst. Das Public-Private-Partnership würde bei Liehr die Form von City-Booster oder Telyou-Maps oder ähnlichem haben, so what? Was Not tut ist erkannt; die richtige Form wird es irgendwie schon finden, wenn wir alle richtig daran arbeiten und einen Konsens darüber haben WAS Not tut.
Wenn es eine digitale Infrastruktur schon gäbe, dann wären partizipierende Unternehmen plötzlich sichtbar und hätten die Chance aus dem Schatten von Amazon und Co. zu treten. Jede mittelgroße Stadt in Deutschland hat mehr zu bieten als derzeitige Onlinehändler. Solange die Infrastruktur nicht steht lassen wir die Raubritter unsere Städte brandschatzen.
Viel wichtiger scheint mir:
Woher wissen Politiker und Gemeinden denn wem sie glauben sollen? Dort sitzen Hirne aus der Vergangenheit, die Pläne für die Zukunft schmieden sollen. Ist es fortschrittlich, wenn Sie ihre Städte an Rakuten, Google, Amazon etc. verkaufen? Den Teufel mit Belzebub austreiben? Die Onlineversuche mancher Städte sind zwar löblich, gut und interessant (Wuppertal, Heilbronn, Wiesbaden, etc.) treffen jedoch nicht des Pudels Kern. Sie sind nicht Teil einer digitalen Infrastruktur! Sie bleiben Insellösungen.
Mit g a s t freundlichen Grüßen
Dr. Christoph Hantermann
Hantermann.com – Der Hotelausstatter
Der Blick zur innerstädtischen Entwicklung müsse in einem längerfristigen Plan verfolgt werden – etwa bis 2030. Aber auch kurzfristig gelte es zu handeln. Noch gebe es die Chance, Amazon und Co. den Kampf anzusagen. Dazu müssten aber alle Waren des St. Ingberter Einzelhandels schnellstmöglich auf einer Plattform im Internet einsehbar und auf Verfügbarkeit prüfbar sein.