ZDE Podcast 201: Die breite Masse für grünen Konsum begeistern mit Johanna Gollnhofer
Das 60%-Potenzial: Mit Marketing die breite Masse für grünen Konsum begeistern – Dieses Buch hat Prof. Dr. Johanna Gollnhofer, Professorin im Institute for Marketing and Customer Insights an der Universität St. Gallen, gemeinsam mit Jan Pechmann, veröffentlicht. Heike hat das Buch gelesen und Johanna eingeladen, das 60%-Potenzial im Detail vorzustellen.
Am Ende verlosen wir noch ein Exemplar des Buchs. Details dazu auch unten in den Shownotes.
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Shownotes
Shownotes:
Buch: Das 60%-Potenzial: Mit Marketing die breite Masse für grünen Konsum begeistern
https://www.amazon.de/Das-60-Potenzial-Marketing-breite-begeistern/dp/3593519585
Link zum Newsletter Green Marketing von Johanna Gollnhofer: https://www.linkedin.com/newsletters/6907958620978593792/
LinkedIn-Profil Dr. Johanna Gollnhofer:
www.linkedin.com/in/prof-dr-johanna-gollnhofer-976288b1
Buchverlosung 1 Exemplar: Mail an mit dem Betreff „60%-Potenzial“. Bitte gewünschtes Format angeben: Print (Anschrift nicht vergessen!), PDF, EPUB. Gewinnbenachrichtigung erfolgt per Mail. Viel Glück!
Die Folge zum Nachlesen
Intro: Zukunft des Einkaufens – Der Podcast für Innovation im Handeln
Heike Scholz: Willkommen im Podcast von Zukunft des Einkaufens. Mein Name ist Heike Scholz. Vielleicht haben Sie eigentlich jetzt hier die Marilyn Repp oder den Frank Rehme erwartet, aber ich habe mir erlaubt, mal eine Podcast-Folge zu kapern. Ich bin Mitgründerin von Zukunft des Einkaufens, Speaker und unterstütze Handelsunternehmen und Städte bei der digitalen Transformation. Und ich bin über ein fantastisches Buch gestolpert und habe mir flugs die Autorin, eine der beiden Autoren, eingeladen und freue mich heute, Frau Dr. Johanna Gollnhofer, Professorin im Institute for Marketing and Customer Insights an der Universität St. Gallen, zu begrüßen und auch für die Show Notes schon mal hier vorab: Sie hat einen ganz tollen Newsletter, auf LinkedIn zum Green Marketing und jetzt ahnen Sie schon, um was es heute vielleicht gehen könnte. Herzlich willkommen, Johanna Gollnhofer.
Johanna Gollnhofer: Liebe Heike, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, hier zu sein.
Heike Scholz: Sehr gerne. Ich hatte schon erwähnt, du hast mit dem Jan Pechmann zusammen auch ein Buch geschrieben, das den schönen Titel trägt „Das 60%-Potenzial: Mit Marketing die breite Masse für grünen Konsum begeistern“. Und ich bin ja angesprungen wie nichts, habe sofort Kontakt zu dir aufgenommen und habe gesagt: Wir müssen reden. Nicht nur, weil wir auf Zukunft des Einkaufens uns ja viel auch mit Nachhaltigkeit und nachhaltigen Konsum beschäftigen und auch noch ein B2B-Format sind, sondern ich selbst versuche auch nachhaltig zu leben und so klingelten bei mir alle Glocken und wir mussten schon mal vorab ein bisschen reden. Erzähl doch bitte mal, wie du und der Jan Pechmann auf dieses Buch überhaupt gekommen seid.
Johanna Gollnhofer: Wenn man sich das mal so anschaut, so die grüne Transformation unserer Wirtschaft, da werden wir ja nicht mehr rauskommen. Also es ist eine Prämisse, wir haben einfach nur einen Planeten, da muss etwas passieren. Und wir, also Jan und ich, wir haben uns dann eben gefragt: Was kann denn hier das Marketing wirklich beitragen? Weil bis jetzt hat sich ja doch auch diese ganze Diskussion um Nachhaltigkeit und grüne Transformation sehr stark eigentlich eher in den Naturwissenschaften abgespielt. Also dann haben wir zum Beispiel den CO2-Abdruck berechnet oder wir haben uns dann zum Beispiel auch angeschaut, wie wir das CO2 mehr aus den Wertschöpfungsketten rauskriegen. Aber was uns eben so ein bisschen aufgefallen ist, wir haben den Menschen dabei so ein bisschen vergessen und wir müssen den Menschen für die grüne Transformation auch mitnehmen. Und insbesondere im Marketing müssen wir auch die Kunden und die Kundinnen für nachhaltige Produkte mitnehmen. Und wenn wir uns das nämlich mal anschauen, dann gibt es pro Kategorie auch oftmals nicht so viele nachhaltigere Alternativen. Also oftmals sind wir da beim Wert von 15 % oder weniger in der gesamten Produktkategorie. Und deshalb sind wir so damit gestartet: Gut, wie können wir Marketing leben, um die grüne Transformation voranzutreiben und wie sollte das Marketing für solche nachhaltigen Angebote noch ausgestaltet werden? Wir kommen nicht drumherum, wir müssen die Menschen dafür begeistern. Und was wir auch gesehen haben, bis jetzt haben wir die Menschen noch nicht wirklich für nachhaltige Produkte begeistert.
Heike Scholz: Naja, es ist der Mensch, das ist ja an vielen Stellen ein wenig ambivalent. Ich habe ein wunderschönes Zitat von David Ogilvy gefunden, der mal sagte: „Die Verbraucher denken nicht darüber nach, wie sie fühlen. Sie sagen nicht, was sie denken und sie tun nicht, was sie sagen.“ Ihr behandelt das in eurem Buch ja auch unter dem Marketingbegriff Attitude Behavior Gap. Auf den bezieht ihr euch ja auch. Das ist ja ein großes Dilemma, das wir immer sehen. Zahlbereitschaft und was passiert dann eigentlich am Regal wirklich?
Johanna Gollnhofer: Ja, und wir haben uns ja erst mal wirklich angeschaut: Was passiert denn auf dem Markt? Wie ticken die Konsumenten und Konsumentinnen? Und wir haben das dann aggregiert über verschiedene Studien und dann haben wir klar gesehen, wir haben so 15 bis 20 % der Bevölkerung, die sind eigentlich nicht stark in diesem Attitude Behavior Gap drin. Die haben eine sehr grüne Einstellung und tun eigentlich alles, was sie machen können, um diese grüne Einstellung auch auszuleben. Das unterscheidet sich natürlich immer wieder ein bisschen von Kategorie zu Kategorie, aber so circa 15 bis 20 % der Menschen. Und an die können wir eigentlich so ein bisschen Haken dahinter setzen, weil die haben wir ja schon überzeugt, die haben wir schon begeistert. Dann auf dem anderen Extrem, wir nennen sie liebevoll die Ökomuffel. Die sagen: Interessiert mich nicht, lass mich damit in Ruhe, das Ganze ist mir eigentlich zu woke, ist absolut nicht mein Problem. Die haben gar keine grüne Einstellung und wenn die sich mal grün verhalten, dann ist das eher fast aus Versehen. Da haben wir auch gesagt: Die zu überzeugen wird ganz, ganz schwierig. Aber wenn wir uns die Mitte anschauen, und das sind so circa eben die 60 %, deshalb auch das 60%-Potenzial, da haben wir die Menschen, die sagen stimmt: Wir haben die planetaren Grenzen, wir müssen was machen. Also sie sehen die Notwendigkeit, sie haben die Einstellung, aber sie verhalten sich noch nicht so. Und in unserem Kontext heißt das ganz plakativ ausgedrückt, sie stehen im Supermarkt und anstatt zur nachhaltigen Alternative zu greifen, greifen sie doch zum konventionellen Produkt. Und uns hat es dann erst mal interessiert, rauszufinden: Woran liegt das denn, dass sie nicht automatisch zur nachhaltigen Alternative greifen? Weil damit wäre ja auch schon mal ein Hebel getan. Also wenn wir es schaffen, möglichst viele Leute von konventionellen Produkten auf nachhaltige Alternativen zu schieben. Also erster Schritt war: Woran liegt das? Und was könnten wir anders machen im Marketing, um die Leute wirklich für diese nachhaltigen Angebote zu begeistern?
Heike Scholz: Ja, gerade bei der Frage: Woran liegt das? Also dieser Attitude Behavior Gap, da habt ihr ja auch ein paar ganz interessante Erkenntnisse bei euch im Buch niedergelegt. Zum Beispiel, dass der Begriff „vegan“ also schon für manche Menschen fast ein Disclosure ist. Die kaufen das nicht mehr, weil vegan draufsteht, weil es sie so triggert, dieses Wort, dass sie sagen: Um Gottes willen, bitte nicht vegan. Obwohl sie eigentlich tatsächlich auch zu fleischlosen Alternativen greifen würden. Aber allein dieser Aufdruck lässt sie sofort das abbrechen und wieder zum herkömmlichen oder zu dem, was sie sonst immer gekauft haben, greifen. Das war mir zum Beispiel vollkommen neu. Ich dachte schon, vegan wäre immer noch so mal der Fingerzeig: Hier tust du was Gutes, wenn du dieses Produkt nimmst. Und dass es aber doch offensichtlich eine durchaus kritische Masse von Menschen gibt, die sich ganz andersherum negativ davon getriggert fühlen. Das wusste ich noch nicht.
Johanna Gollnhofer: Das hat mich ehrlich gesagt bei meiner Recherche auch überrascht, weil mir und Jan war es schon auch einfach ein Anliegen, dass unser Buch auch wissenschaftlich abgestützt ist. Das heißt, ich berufe mich auch auf viele Studien aus meinem Fachbereich, also aus der Konsumentenforschung, aus der Konsumentenpsychologie. Und ich bin ja auch, weil ich würde mich selber wahrscheinlich auch als Öko-Fan bezeichnen und dich Heike wahrscheinlich auch, und deshalb denken wir: Ja, vegan nachhaltig ist toll, will ich, machen wir. Dann bin ich auch auf diese Studien gekommen, und das ist ja nicht nur für den Begriff „vegan“, das kannst du fast auch noch auf „nachhaltig“ ausweiten, wo die breite Masse anders auf diese Begriffe reagiert als wir. Die reagieren eben so, dass sie sagen: Oh mein Gott, vegan, das kann ja nicht schmecken, da muss ich auf Geschmack verzichten, keine Lust. Die reagieren so: Vegan, du willst mir vorschreiben, dass ich jetzt nicht mehr Fleisch essen darf? Oder die assoziieren automatisch, dass vegane Produkte, und das ist leider auch oftmals der Fall, mehr kosten als Fleischalternativen. Und daran sieht man einfach schon, diese Assoziationen sind nicht sonderlich positiv. Also es gibt eine Gruppe, die diese positiven Assoziationen hat, und das sind eben diese 15 bis 20 % Bio-Fans. Aber das 60%-Potenzial, die hören nicht vegan und nachhaltig und schmeißen die Hände in die Luft und brüllen „Hurra“.
Heike Scholz: Ja, und wie kriegen wir denn jetzt, noch mal einen Schritt vorher, warum fällt es heute den Marken und auch dem Handel eigentlich so schwer, dieses Potenzial zu heben? Also worin sind sie gefangen, dass sie da nicht rauskommen, das Marketing und die Produkte umstellen und ganz einfach erkennen: Wir müssen es eigentlich anders machen? Was sind so die Vorurteile und die Gewohnheiten, die eben auch die Unternehmen haben?
Johanna Gollnhofer: Ja, wir haben dafür in dem Buch ein Konzept entwickelt, das nennen wir die Öko-Falle. Und die Öko-Falle heißt eigentlich in unseren Worten, dass man besonders die Kommunikation, das heißt die Werbung für nachhaltige Produkte auf diese Öko-Nische ausgerichtet hat. Und das ist eigentlich auch gut so, weil so ein Markt muss ja auch am Anfang erst mal entstehen. Und man hat am Anfang eigentlich immer, man sieht die sogenannten Early Adopters, und dann steigt das langsam an und irgendwann will man den Sprung in die breite Masse machen. Was aber ganz klar ist, so Early Adopters ticken halt ganz anders als die breite Masse. Und das sehen wir hier auch. Zum Beispiel, wenn wir nochmal auf unser Konzept von der Öko-Falle zurückgehen. Was für die Öko-Fans gut funktioniert hat über Jahre und auch um diesen Markt aufgebaut hat, sind zum Beispiel Produkte im Öko-Look. Ganz klassisch mit den Farben Grün oder diesem Öko-Braun, was öfters genommen wird. Für die Öko-Fans hat es auch funktioniert, dass man sagt: Schau mal her, das ist ein nachhaltiges Produkt und deshalb kostet das ein bisschen mehr. Für die Öko-Fans funktionieren auch oftmals diese Nachhaltigkeits-Appelle, wie: Komm, lasst uns die Welt verändern. Und die Öko-Fans machen dann auch den Umweg in den Fachmarkt, weil sie ja wirklich diese grüne Seele haben. So, wenn wir jetzt aber den Schritt in die breite Masse machen wollen oder das 60%-Potential erschließen wollen, dann müssen wir halt verstehen, dass diese breite Masse anders tickt als die Öko-Fans. Die finden Grün und Braun teilweise fast ein bisschen abstoßend, weil sie sich ja selbst nicht als Ökos sehen. Die wollen oftmals tolles, ästhetisches Produktdesign. Die denken sich auch: Klar, Nachhaltigkeit ist wichtig, aber ich will nicht auf einen Teil meines Einkommens dafür verzichten. Das heißt, mehr zahlen für das Produkt. Wenn ich denen sage: Komm, lasst uns die Welt verändern, lasst uns gemeinsam was machen. Dann denken die sich: Lasst mich doch in Ruhe, ich hab ganz andere Probleme. Und wenn ich denen auch noch sage: Und jetzt fährst du noch 15 Kilometer zum Fachmarkt, damit du da die nachhaltigere Alternative kriegst – das funktioniert nicht. Und das heißt, wenn wir jetzt aus der Nische rauswollen in den Mainstream, dann ändern sich natürlich die Spielregeln und wir müssen gemäß den neuen Spielregeln im Marketing spielen.
Heike Scholz: Und jetzt hast du dir ja eigentlich meine nächste Frage schon aufs Tablett gelegt, weil die Frage ist jetzt natürlich: Was müssen die Unternehmen tatsächlich tun beziehungsweise tun das Unternehmen schon? Also gibt es schon Beispiele, wo wir sehen können, die haben den Turnaround in dieses 60%- Potenzial schon geschafft und wie haben die das gemacht?
Johanna Gollnhofer: Also für uns ist es eigentlich relativ logisch, dass wir jetzt in die breite Masse wollen. Wir wollen in die breite Masse mit nachhaltigen Produkten, weil dann haben wir einen größeren Hebel auf die Umwelt, weil je mehr Leute es schaffen zum Shiften von konventionellen Produkten zu nachhaltigen Alternativen, desto größer unser CO2-Hebel. Aber eigentlich macht es das auch endlich mal für Unternehmen attraktiv, weil die haben im Moment viele nachhaltige Angebote, aber die hängen in der Nische. Und da wäre es ja auch schön, wenn man da mal ein bisschen mehr Absatz finden könnte von nachhaltigen Produkten anstatt von konventionelleren Produkten. Wir haben zum Beispiel ein Beispiel, was wir uns dem Buch auch genauer angeschaut haben, das ist Weleda. Das ist ja ein Naturkosmetikhersteller und wenn man sich mal so ein bisschen die Berichterstattung auch bei Weleda anschaut letztes Jahr, Weleda hängt so ein bisschen in der Krise, haben ein tolles nachhaltiges Produkt, haben eine super starke Marke, also kennt fast jeder, aber bezogen auf die Umsatzzahl: Die hängen in der Nische fest. Und natürlich wäre es schön, wenn ich mir das jetzt auch anschaue, dass mehr Leute natürlich Weleda nehmen, anstatt eine konventionelle Alternative und damit was Besseres für die Umwelt machen. Und wenn wir uns jetzt noch mal ein Beispiel Weleda anschauen, dann haben wir uns auch angeschaut: Wie versuchen die denn, zumindest auch von der Nische, mehr in die Breite Masse zu kommen? Und bei Weleda ist es relativ spannend, auch was für Wechsel die in ihrem Management vorgenommen haben. Die haben sich letztes Jahr eine neue CEO geholt, Tina Müller, das ist die Ex-CEO von Douglas in Deutschland. Und wer versteht die breite Masse besser als Douglas eigentlich in Deutschland? Da geht man hin. Und dann haben sie sich auch noch einen neuen CMO geholt, Lars Zirpins, der davor bei Nivea war. Also Nivea ist ja auch eindeutig die breite Masse. Und Lars haben wir zum Beispiel auch in unserem Buch interviewt. Also wir haben in dem Buch auch noch 10 CMOs interviewt, Lars ist einer davon. Mit dem haben wir eben auch genau besprochen, wie sie da eigentlich rauskommen wollen. Also die haben zum Beispiel, das ist ein Beispiel dafür, sie suchen nach der Aspiration. Was man aber auch noch sieht, wir haben uns doch noch verschiedene Unternehmen angeschaut, wie die jetzt zum Beispiel über Nachhaltigkeit kommunizieren. Ein Beispiel ist zum Beispiel, hieß früher eBay-Kleinanzeigen, mittlerweile sind es nur noch die Kleinanzeigen. Ist ja an sich eigentlich ein sehr nachhaltiges Modell, weil anstatt was neu zu kaufen, kaufe ich es auf einer Gebrauchtplattform. Wenn man sich aber jetzt mal deren Kommunikation anschaut, die sagen dir nicht: Heike, oh mein Gott, bitte verkaufe was bei eBay, lass uns die Welt retten, du bist so nachhaltig, du bist so ein Gutbürger etc. Sondern die sagen ganz klar: Wenn du was bei uns verkaufst, dann verdienst du Kohle. Und das ist so, was wir gesehen haben, über verschiedene Werbeanzeigen auch hinweg. Und das ist auch das, was wir aus der Konsumpsychologie wissen. Und eigentlich auch schon aus Jahrzehnten von der Marketingpraxis, es gibt Kaufkriterien, die treiben die Leute wirklich an. Und dass es ein nachhaltiges Produkt ist, steht halt meistens erst in Rang 4 oder in Rang 5.
Heike Scholz: Ja, absolut. Davor sind dann ganz andere wichtige Kriterien. Und jetzt weiß ich schon, dass so einige von unseren Hörerinnen und Hörern so seufzen und sagen: Ja, aber verdammte Krux, wie kriegen wir denn jetzt die nachhaltigen Produkte bei dem wichtigsten Kriterium, insbesondere bei Lebensmitteln, wo wir ja viel auch jetzt zumindest andeutungsweise drüber gesprochen haben, wie kriegen wir das denn jetzt hin, dass diese Produkte eben preislich einfach mal runtergehen? Weil anders wird es ja nicht gehen, solange die Aufschläge immer noch bei 50, 80, 100 % liegen für ein Bioprodukt, das genau neben dem günstigen liegt. Dann ist doch die Versuchung für das 60%-Potenzial, die also nicht intrinsisch motiviert sind, jetzt trotz des hohen Preises das Bioprodukt zu nehmen. Sie werden doch immer wieder das Konventionelle nehmen, wenn wir diesen Gap zwischen den Preisen nicht geschlossen bekommen. Das ist ja eins der Hauptkriterien. Starke Marke, alles schön, aber am Regal entscheidet doch so oft der Preis.
Johanna Gollnhofer: Ja, da entscheidet sehr oft der Preis. Also es gibt manchmal super starke Marken, wo dann doch wieder die Marke entscheidet. Also wir haben auch in dem Buch eine Gleichung aufgestellt. Das ist ja immer die Frage: Was ist der Hauptgrund Nummer eins, wieso Menschen nicht zu nachhaltigen Produkten greifen? Das ist der Preis. Was schlägt im Endeffekt den Preis? Du hast eigentlich nur eine Möglichkeit im Marketing und das ist, wenn du eine super starke Marke aufbaust. Natürlich kostet so ein Markenaufbau Geld, Zeit und ist auch nicht für jeden möglich. Und deshalb ist natürlich die Frage: Wie kriegen wir jetzt wirklich die Preise runter für nachhaltige Produkte? Weil, was wir auch ganz klar gesehen haben in unserem Buch, diese Idee, dass die breite Masse ein Preis Premium zahlen wird für nachhaltige Produkte, die wird nicht halten. Das kommt zwar in jeder Marktforschungsstudie im Moment raus, aber ich denke jeder, der mal eine Marktforschungsstudie aufgesetzt hat, weiß auch, was soziale Erwünschtheit ist. Das heißt, man gibt das an, was man denkt, das gehört werden will. Und vorm Regal sieht die Realität halt doch wieder anders auf. Also wir haben die breite Masse und die ist nicht bereit, auf den Teil ihres Einkommens zu verzichten oder in anderen Worten gesagt, mehr für nachhaltige Produkte zu zahlen. Dann haben wir natürlich auf der anderen Seite die Unternehmen und auch bei den Unternehmen, die sagen natürlich: Oftmals sind nachhaltige Produkte, besonders im Supermarkt, in der Herstellung im Moment teurer als konventionelle Alternativen. Trifft jetzt nicht für alle Produkte zu, aber für einen Teil. Und die sagen dann natürlich: Ich kann nicht mit dem Preis runtergehen, ich will doch nicht auf meine Marge verzichten. Und das ist natürlich jetzt so ein Spiel, was hin und her gehen wird. Und da haben wir aber auch ganz klar im Buch anerkennen müssen, das ist wahrscheinlich keine Marketingaufgabe mehr, die wir hier haben. Also, was wir liefern können, ist, wir können dieses neue sozusagen Zielsegment, die 60 % besser verstehen und sie begeistern, aber auf Preise Einfluss nehmen oder Unternehmen zu sagen: Bitte verzichte auf einen Teil der Marge, das liegt wahrscheinlich doch nicht in unserem Einflussbereich. Da sind wahrscheinlich die politischen Lösungen gefragt, wie auch immer die aussehen mögen, vielleicht auf eine niedrigere Mehrwertsteuer für nachhaltige Produkte etc. Aber ich denke, was wir dennoch geleistet haben im Buch, wir sind wirklich die ersten, die mal das so klar aufgezeigt haben, dass dieses Preis Premium, worauf wir irgendwie unsere ganzen Überlegungen teilweise basiert haben die letzten Jahre, sieht man ja auch immer wieder in den Strategien, das hält nicht. Und deshalb brauchen wir da eine andere Lösung.
Heike Scholz: Also es hält zumindest nicht, wenn man nicht aus der Premiumnische heraus möchte, wenn man sich dort wohl fühlt, mit geringeren Absatzzahlen und entsprechenden Produkten, dann ist die Welt ja in Ordnung. Nur will man tatsächlich Skaleneffekte irgendwann mal nutzen, dann muss man eben auch einfach mehr abverkaufen, weil sonst passiert es eben nicht. Sonst komme ich eben auch in meinen Produktions- und Prozesskosten nicht runter von dem hohen Niveau.
Johanna Gollnhofer: Ja, und das wäre eigentlich auch wünschenswert für die Umwelt. Also je höher der Anteil von nachhaltigen Angeboten an einer Kategorie sind, desto höher den Hebel, den wir haben.
Heike Scholz: Absolut. Du hattest gesagt, ihr habt auch noch mit zehn CMOs gesprochen. Was sagen die denn so? Was müssen Unternehmen intern eigentlich anstoßen, um in diese Veränderungsprozesse zu kommen? Also jetzt wirklich zu sagen: Lasst uns doch mal drüber nachdenken, wie wir diesen Massenmarkt tatsächlich adressieren können?
Johanna Gollnhofer: Das Erste, was uns wirklich auch aufgefallen ist in den Interviews, die Diskussion um Nachhaltigkeit hat sich bis jetzt viel in anderen Disziplinen abgespielt. Die Diskussion, die wir bezüglich Nachhaltigkeit hatten im Marketing, war oftmals unter diesem Hashtag Greenwashing. Also es wurde was kommuniziert, was aber eigentlich in der Prüfung der Substanz nicht standhält. Und sich dann einfach erst mal zu überlegen: Was kann ich eigentlich mit meiner Rolle auf dem Markt und im Unternehmen für einen Hebel haben? Und dass Nachhaltigkeit jetzt möglich mittlerweile eigentlich ein CMO-Job ist. Weil wir haben das Wissen, wir haben die Technik, wir haben die Produkte auf dem Markt. Sie finden nur einfach nur nicht den Weg in den Einkaufswagen. Und es ist eine klare Marketing-Aufgabe. Und wir verstehen seit Jahrzehnten im Marketing, die breite Masse zu bewegen. Also wir haben es ja selbst geschafft, um es ein bisschen extremer auszudrücken, dass Rauchen steht für Freiheit und nicht für den Lungenkrebs. Und wieso wir nicht einfach dieses Wissen, was wir auch haben, in der Vermarktung, wie wir Leute wirklich für was begeistern, wie wir sie sozusagen catchen, nicht einsetzen können, dass wir eben wirklich endlich mal aus der Nische kommen, hin zu Bestseller.
Heike Scholz: Das ist ein wunderschöner, schöner Appell. Wir sind an dem Punkt, wo ich dich einfach nur noch mal fragen kann: Gibt es noch irgendetwas, was du jetzt unseren Hörenden, den Handelsunternehmen, der Industrie und den Städten zurufen möchtest, was sie tun sollen? Abgesehen davon, dass du dich natürlich freust, wenn sie euer Buch kaufen. Aber gibt es noch irgendetwas, wo du sagst: Das ist ein guter Ansatzpunkt, da kann man anfangen, tatsächlich jetzt auch im eigenen Unternehmen tätig zu werden?
Johanna Gollnhofer: Was uns auch ganz klar geworden ist, als wir das Buch geschrieben haben und was jetzt auch immer stärker rauskommt in den Medien: Die Leute sind Klimamüde. Das heißt, die Endkonsumenten, aber auch die Mitarbeitenden. Und deshalb, ich glaube, unser Ansatz, Leute zu motivieren über etwas sehr Faktisches oftmals, was immer dieser CO2-Abdruck ist, über was sehr Rationales, der bringt uns hier nicht weiter. Wir brauchen eher einen Ansatz, der narrativ ist, Storytelling, emotional. Weil wir seit jeher wissen, so, damit begeistern wir Menschen und damit können wir Menschen begeistern, innerhalb und auch außerhalb des Unternehmens.
Heike Scholz: Wunderbar, ganz lieben Dank. Jetzt habe ich noch mal eine kleine letzte schöne Ankündigung zu machen, denn die liebe Johanna hat uns angeboten, dass wir eins ihrer Bücher verlosen dürfen bei uns und da würde ich jetzt sagen, wer Interesse daran hat, der schreibt ganz einfach uns eine Mail an . Ganz normal wie man es auch auf unserer Webseite findet und setzt einfach einen Betreff: 60%-Potenzial, dann wissen wir auch, um was es geht. Und bitte, wer die Print-Ausgabe haben möchte, möge bitte unbedingt ihre/seine Anschrift mit dazu schreiben, damit das Buch dann auch seinen Weg findet. Andere Formate sind, soweit ich gesehen habe, PDF und EPUB. Also es gibt es auch in digitaler Form das Buch. Also je nachdem, was Sie haben möchten, bitte vermerken Sie das entsprechend in Ihrer Mail und wir werden alle Links zu Johanna Gollnhofer und ihrem Buch nochmal bei uns in die Shownotes packen und insbesondere den Link zu Ihrem tollen Newsletter, den ich dringendst empfehle auf LinkedIn, aber auch ihr Profil auf LinkedIn, werden wir nochmal verlinken in den Shownotes. Und in diesem Sinne bedanke ich mich ganz herzlich, Johanna, bei dir für diese unterhaltsamen 25 Minuten und ich bleibe an dir dran und werde verfolgen, wie es weitergeht mit dem 60%-Potenzial, weil es ist, finde ich, ein wahnsinnig spannender Ansatz und ich wünsche mir sehr für uns, für unsere Natur und für unser Klima, dass ganz viele nachhaltige Produkte jetzt in die Massenmärkte strömen können und wenn dein Buch dazu einen Beitrag leistet, ist das doch super.
Johanna Gollnhofer: Und ich wünsche es mir auch für den Umsatz der Unternehmen, damit wir hier wieder schön die Klammer gesetzt haben. Wir schlagen hier zwei Fliegen mit einer Klappe, hoffentlich dann. Danke dir, Heike.
Heike Scholz: Hoffentlich, es soll ja kein Unternehmen in Nachhaltigkeit untergehen, um Gottes willen, das ist nicht Sinn der Sache, sondern es soll ja alles besser werden. Daran arbeiten wir. Ganz lieben Dank.
Johanna Gollnhofer: Auf jeden Fall. Danke dir, Heike.
Heike Scholz: Gerne. Tschüss.
Johanna Gollnhofer: Ciao, ciao.
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