Mobile Payment: Welches Zahlverfahren will der Handel?
Seit über fünf Jahren beschäftige ich mich mit Mobile Payment. Genauso lange höre ich die Mahnungen des Handels, dass hierbei die Gebühren für den bargeldlosen Zahlungsverkehr sinken müssen. Eigentlich soll das Ganze gar nichts kosten. Dazu verweist man gerne auf die Alternativen Bargeld und Lastschrift. Allerdings schwingt sich Bargeld gerade zum teuersten aller Zahlverfahren auf. Das spürt mittlerweile auch die Akzeptanzseite.
Die Lastschrift, ein Lieblingskind des deutschen Handels, bekommt man Huckepack über die EC Karte Girocard frei Haus geliefert. Doch kostenlos ist die natürlich auch nicht. Das Ausfallrisiko trägt man selber oder bezahlt einen Dienstleister, der das übernimmt. Hinzu kommen die umständlicheren Prozesse am POS, sowie die Verpflichtung die „Lastschriftmandate“ zu archivieren.
Ein Verfahren das geradezu nach mobiler Digitalisierung schreit. Aber selber bauen will man solch ein System dann auch nicht. Der Blick über die Landesgrenzen zeigt, der Handel tut sich extrem schwer, so etwas in Eigenregie zu bewältigen. Nicht einmal der Handelsgigant Walmart schafft es, das hochgelobte Payment Projekt „CurrentC“, zu einem Erfolg zu führen.
Viele Lösungen bereits gescheitert
Service-Anbieter, die sich dem Handel andienen wollten, sind bisher gescheitert. Allen voran Yapital aus der Otto Gruppe. Neben einer denkbar schlechten Nutzerführung, litt die Lösung auch an mangelnder Unterstützung durch den Handel. Der eigentlich selbstverständliche Hinweis am POS auf das neue Zahlverfahren wurde verweigert. Der Handel hat die Werbekostenzuschüsse von Yapital dankbar eingestrichen und das war’s. Damit befindet sich das Verfahren in guter Gesellschaft. Edeka und Netto bewerben ihr eigenes Lastschrift Mobile Payment ebenfalls nicht. So dümpeln die Nutzerzahlen weiter vor sich hin. In der Schweiz startet gerade mit Twint ein weiteres neues Zahlverfahren. Ausgang ungewiss!
Macht es Payback besser?
Beim Mobile Payment Verfahren Payback Pay dagegen scheint ein Erfolg durchaus möglich. Wer kennt sie nicht, die penetrante Standardfrage an der Kasse nach der blauen Kundenkarte. Einfach die Sprechblase gegen: „Nutzen Sie schon unser neues Mobile Payment Verfahren?“ tauschen und irgendwann knickt auch der standhafteste Mobile Payment Verweigerer ein. Zudem kann man hier Mehrwerte bieten. Punkte sammeln will der jagdbereite Kunde eh, warum dann nicht alles zu einem ganzheitlichen Prozess verbinden?
Der Start im letzten Sommer bei dm war nach kleineren Anfangsproblemen vielversprechend. Das Unternehmen hatte dafür sogar den POS-Checkout hochwertig aufgerüstet. Ernüchterung dann bei Real die Handscanner zur Erfassung des QR Codes vom Handy Display erfordern oft eine Wiederholung des Scan Vorgangs. Der von Payback im Prinzip gut durchdachte Prozess endet häufig in einer unbefriedigenden Nutzererfahrung. Da ist man schon eher geneigt, die kontaktlose Payback Amex-Karte zu zücken. Einmal vor den Scanner halten, anschließend am Kassenterminal tappen und fertig. Aral schließt mal eben die iPhone Nutzer von Payback Pay aus, weil die Anschaffung neuer Scanner bei den Tankstellenpächtern anscheinend nicht durchzusetzen war.
Rewe hat mit seinen selbständigen Händlern wohl ähnliche Probleme. Da ist man zunächst auf Nummer Sicher gegangen und hat die kontaktlosen Zahlverfahren der Kreditwirtschaft vorgezogen. Im Juli will man dann erneut einen Anlauf für Payback Pay starten. Man darf auf die Umsetzung gespannt sein.
Erkenntnis 1 – Zusätzliche Hardware am POS ist nicht erwünscht!
Eine Alternative zu den kontaktlosen Bezahlverfahren zu etablieren ist extrem schwierig. Sie wird nahezu unmöglich, wenn die teilnehmenden Einzelhändler aus selbständigen Einheiten bestehen, wo der Durchgriff eines zentral geführten Regiebetriebes fehlt. Ansätze die, zusätzliche Investition erfordern, werden bei einer heterogenen Händlerschaft scheitern. Wenn der Handel das also noch nicht mal für seine favorisierten Lösungen forciert, dann braucht es ein neuer Dienstleister gar nicht erst zu versuchen.
Erkenntnis 2 – Die Angebote der Kreditwirtschaft sind attraktiver als der Handel glauben macht
Die Angebote der Kreditwirtschaft von Girocard bis Kreditkarte bekommt man Dank Regulierung bereits zu einem attraktiven Preis. Das gilt zumindest für die großen Retail-Ketten. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) zahlen beim Akquiring und im Netzbetrieb immer noch zu viel.
Durch die mPOS Unternehmen formiert sich hier aber gerade ein scharfer Wettbewerb. Die Firma Enfore von Star Division Gründer Marco Börries will den deutschen Markt nachhaltig verändern.
Damit fällt auch das KMU Segment für ein in Gänze neues Mobile Payment aus. Hier wird bis zum Jahresende die Terminal Infrastruktur auf das kontaktlose Verfahren umgestellt sein.
Erkenntnis 3 – Nur wer Mehrwerte in einem neuen Zahlverfahren mitbringt hat eine Chance
Der Handel ist derzeit vor allem an Kundenbindung interessiert. Nur deshalb erhält Payback Pay eine Chance. Welche Handlungsoption haben die anderen Händler? Derzeit gibt es nur wenige weitere Loyalty-Programme mit einem Fußabdruck im deutschen Markt. Das Größte davon ist die Deutschlandcard, aber mit einem deutlichen Abstand zu Payback. Alle anderen sind noch wesentlich kleiner. Sehr unwahrscheinlich, dass hier die Ressourcen vorhanden sind, um ein weiteres Mobile Payment Verfahren hoch zu ziehen.
Bliebe noch die Möglichkeit, sich mit den Anbietern der Kartenzahlungssysteme an einen Tisch zu setzen. Wahrscheinlich die bessere Option, als auf die Angebote von Apple und Google zu warten. Bei ersterem sind die gesalzenen Preise nicht verhandelbar. Möglichkeit zwei wird wohl mit einem nicht unerheblichen Abfluss von Daten einhergehen. Man darf gespannt sein, welche Wahl der Handel letztendlich treffen wird.
Zu guter Letzt
Für alle, die immer noch von einer neuen Mobile Payment Welt träumen, hier der Mobile Payment Reality Check aus dem Jahr 2013. Er ist noch immer gültig!
Über den Autor: Rudolf Linsenbarth ist Senior Consultant für den Bereich Mobile Payment und NFC bei der COCUS Consulting GmbH. Zuvor war er 11 Jahre im Bankbereich als Senior Technical Specialist bei der TARGO IT Consulting (Crédit Mutuel Bankengruppe). Hier auf mobile zeitgeist schreibt Rudolf Linsenbarth in eigenem Namen .Mehr über Rudolf auf Twitter @Holimuk oder bei XING.
Dieser Artikel erschien zuerst auf mobile zeitgeist.
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