Erlebniseinkauf: Das Geschäft wird zum „Medium“
Zwei wichtige Entwicklungen dominieren seit einigen Jahren den Handel: Produkte und Services können überall gekauft werden, Online im Internet, in verschiedenen stationären Geschäften oder auch beim online beim Hersteller. Es herrscht vollkommene Preistransparenz und es kann zum günstigsten Preis gekauft werden. Auf der anderen Seite wandelt sich unsere Gesellschaft in eine Erlebnisgesellschaft. Produkte zu kaufen ist nicht mehr ausreichend. Viele Menschen erwarten Erlebnisse beim Einkaufen und mit dem Produkt. Erlebnisse, an die sie sich erinnern. Diese Gier nach dem Erlebniseinkauf wird befriedigt in neuen Themenrestaurants, Boutique-Hotels, Pop-up-Stores, Showrooms und vielen anderen Orten. Was aber bedeutet diese Entwicklung für das stationäre Geschäft?
Vom Produktvertrieb zum Medienkanal
Der stationäre Handel, Einzelhandelsgeschäfte und innerstädtische Läden werden trotz gegenteiliger Meinungen nicht verschwinden, aber sie werden sich ändern. Sie werden sich ändern in ein den Kunden anziehendes „Medium“. Sie werden sich von einem Kanal für den Produktvertrieb zu einem Medienkanal für Markenerlebnisse und Geschichten, einem Erlebniseinkauf, entwickeln. Ein Wandel, der vieles ändern wird, auch die Art und Weise, wie Einzelhändler ihre Umsätze generieren. Das Geschäft wird zum Medium oder besser und prägnanter ausgedrückt: The store is media.
Das Geschäft wird zum „Medium“
Was ist darunter zu verstehen? Es geht um die Zukunft des Einkaufens und Verkaufens in der postdigitalen Welt. Postdigitalismus beschreibt den Zustand der Gesellschaft nach der erfolgreichen Digitalisierung wesentlicher Lebensbereiche. Die zentralen Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen sind mittlerweile digitalisiert. Postdigitalismus bezeichnet die wahrgenommene Selbstverständlichkeit dieser Technologien.
Es geht hier nicht um ein Medium im spirituellen Sinn, sondern einen Ort, der einen Erlebniseinkauf, Emotionen, Empfindungen, Wahrnehmungen und Eindrücke bietet.
Warum wird das Geschäft zum „Medium“?
Drei wesentliche Gründe führen dazu, dass das Geschäft zum „Medium“ wird:
- Der physische Raum eines Geschäftes ermöglicht es dem Kunden handels- und markenspezifische Erlebnisse zu haben, die in der Online-Welt so nicht abgebildet und erlebt werden können.
- In unserer heutigen Welt der fragmentierten Aufmerksamkeit werden die Geschäfte Möglichkeiten bieten, gesamthaft kognitive, emotionale und auch physische Erlebnisse zu bieten. Das kann kein anderes Format.
- Die Ergebnisse der physischen Einkauferlebnisse können direkt und konsequent gemessen werden, wenn der Kunde am Ende des Besuchs im Geschäft auch einkauft.
Als Ergebnis bleibt festzuhalten, das dass physische Einkaufserlebnis stärker und besser messbar ist und beim Käufer in bleibender Erinnerung bleibt als Online-Erlebnisse.
Wie sieht das Einkaufen in der Zukunft aus?
Drei Entwicklungen zeichnen sich jetzt schon ab, die aufzeigen, wie der Erlebniseinkauf in der Zukunft aussehen könnte:
- Nachschublösungen und Abo-Dienste: Innerhalb der nächsten Jahre werden sich intelligente Nachschublösungen für Produkte des täglichen Bedarfs entwickeln. Erste Ansätze sind schon zu erkennen, wie zum Beispiel bei Amazon Dash oder vergleichbare Lösungen. Wir werden uns nie wieder fragen, ob wir Milch im Kühlschrank oder Waschmittel in der Waschküche haben. Abonnementprogramme werden unsere täglichen Produktanforderungen sehr effizient und effektiv erfüllen.
- Immersives Einkaufen: Zusätzlich werden sich immersive Einkaufserlebnisse entwickeln, bei denen die Produkte über Augmented Reality angesehen werden können. Wir werden Möbel und Mode online bestellen, denn haptische Technologien geben uns die Möglichkeit, das zu berühren und zu fühlen, was wir kaufen, bevor wir es kaufen. Der Einsatz von Virtual- oder Augmented-Reality-Technologie in unserem Haus oder Büro zum Einkaufen und zur Kontaktaufnahme mit Produktexperten wird in zehn Jahren so üblich sein wie heute das Einkaufen in einem physischen Geschäft.
- Künstliche Intelligenz: Intelligente Algorithmen stellen sicher, dass die Produkte, die wir kaufen, fast immer ideal zu unserem Körper und unserem Geschmack passen. Und eine schnelle und kostenlose Lieferung über verschiedene Verkehrswege bringt jedes Produkt innerhalb weniger Minuten vor unserer Haustür.
Warum sollten wir noch in physische Geschäfte gehen?
Von einigen wenigen Produkten abgesehen, werden wir nicht mehr die Notwendigkeit haben, in physische Läden zu gehen, um uns Produkte anzusehen, auszuprobieren, zu vergleichen und zu kaufen. Der physische Einkaufsraum, das Geschäft, wird zunehmend zum Medium, um emotional anregende Erlebnisse zu vermitteln.
Diese Erlebnisse zielen auf die Vermittlung von Markengeschichten durch Engagement und mehrfache sensorische Inputs, Möglichkeiten für immersive und kinetische Produkterlebnisse ab. Sie dienen als Eingang zum Marken-Ökosystem von Produkten, Dienstleistungen und Einkaufsalternativen.
Das Geschäft muss ein Ort für die erste und zweite Unterhaltung und zu unserem dritten Ort werden. Ohne eine starke Betonung der Unterhaltung haben die Kunden wenig Grund, überhaupt ins Geschäft zu gehen. Als Konsequenz heißt das, dass der Einzelhändler, um in Zukunft überlebensfähig zu sein, diesen Ansatz darauf anwenden, wie sie ihre physischen Räume planen, entwerfen, bauen und betreiben: in erster Linie Erfahrungen und Erlebnisse und in zweiter Linie Produkte.
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Wie sieht es heute aktuell aus?
Diese Zukunftsvision des stationären Einzelhandels ist heute noch selten vorhanden und umgesetzt. Es gibt einige Beispiele, eins ist im Beitrag „Der dritte Ort in Osnabrück: Einkaufserlebnis bei Lengermann & Trieschmann“ beschrieben.
In der heutigen Zeit verbringen die Einzelhändler die meiste Zeit damit, sich mit den Produkten zu beschäftigen, sie einzukaufen, zu inventarisieren, ins Regal zu legen, sie von einem Regal ins andere zu bringen und sie zu verkaufen und neu zu bestellen.
In der Zukunft wird das wichtigste Produkte, das die stationären Händler verkaufen, das Erlebnis sein. Die erfolgreichen Händler werden ihre Geschäfte inszenieren, Produkterlebnisse anbieten, Orte der Begegnung und Kommunikation kreieren und sich dadurch differenzieren. Die Verlagerung weg von der Produktdistribution hin zur Bereitstellung eines physischen Medienerlebnisses wird die Art und Weise verändern, wie Geschäfte konzipiert, gestaltet, besetzt, verwaltet und gemessen werden.
Ein Ausblick in die Zukunft
Es wird in Zukunft eine Unterscheidung zwischen Shoppen, der Erlebniseinkauf, und dem Einkaufen, der Bedarfseinkauf geben. Diese Unterscheidung haben wir umfassend in den Beiträgen „Einkaufen 2036“ in einer fünfteiligen Serie beschrieben.
Trotz des Bedarfseinkaufes, der überwiegend online und wie oben beschrieben, ablaufen wird, bleibt der Einkauf im stationären Handel noch ein wichtiges Ritual. Gerade weil der Mensch einen Großteil seiner Zeit in der postdigitalen Welt digital verbringt, ist Einkaufen ein analoges und sinnliches Kontrastprogramm. Auch wenn die Erlebnisse im stationären Handel auch durch innovative digitale Technologien verstärkt werden.
Der Erlebnis- und Unterhaltungswert, also der Erlebniseinkauf, wird zu entscheidenden Faktor beim Shoppen. Man trifft sich mit Freunden und der Familie, geht ins Cafe oder Essen und noch zum Shoppen. Dort kann man gemeinsam etwas erleben (social shopping). Die Menschen tauchen in eine spezifische Erlebniswelt ein, die oft stärker als rationale Kriterien wie Produkt und Preis das Einkaufen bestimmt.
Welche Rolle spielt beim Einkaufen in der Zukunft noch die Verkäuferin und der Verkäufer? Werden wir Geschäfte ohne Personal vorfinden? Darüber wird in einem der nächsten Beiträge berichtet.
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