ZDE Podcast 184: Shein, Temu und Co. bestimmen neue Regeln
In dieser Folge geht es um ein brandheißes Thema: Den chinesischen Online Plattform wie Temu und Shein, die alles auf den Kopf stellen. Am Mikro haben wir heute den Logistik Experten Prof. Christoph Tripp, der das Geschäftsmodell untersucht hat.
Folge direkt anhören:
Die Folge zum Nachlesen
Intro: Zukunft des Einkaufens – Der Podcast für Innovation im Handel.
Frank Rehme: Ja, und da haben wir wieder eine neue Folge unseres Retail Innovation Radios. Heute mit einem beliebten, wiederkehrenden Podcast-Gast, nämlich meinem lieben Freund, dem Professor Christoph Tripp. Hallo Christoph, grüß’ Sie.
Christoph Tripp: Ich grüß’ dich, Frank. Hallo.
Frank Rehme: Christoph, du kommst ja immer wieder und gibst uns mal so Einblicke, was so gerade beyond the lines eigentlich liegt und wir haben jetzt mittlerweile etwas, wo ich gedacht hab: Mensch, da kommt der Christoph eigentlich wie gerufen, was mich, ja, ich sag mal, jeden Tag zigmal anschreit und das sind die Werbebotschaften von Temu und SheIn und noch anderen chinesischen Formaten. Ja, ich sag mal, wir kannten solche Sachen ja, AliExpress und Wish und solche Sachen, die gibt es ja schon länger, aber die waren nicht so aggressiv und momentan haben wir dieses Thema, dass man wirklich dem überhaupt nicht entkommen kann. So, jetzt erst mal ein paar Worte zu dir. Wer bist du? Für unsere Hörerinnen und Hörer, die zwei, die dich noch nicht kennen, damit die auch Bescheid wissen? Und dann steigen wir mal ins Thema ein.
Christoph Tripp: Ja, sehr gerne, Frank. Also, Christoph Tripp, ich bin Professor für Distributions- und Handelslogistik an der Technischen Hochschule in Nürnberg. Ich bin nebenher als Berater, als Autor, als Podcaster, als Interviewgast, als Speaker eben auch unterwegs und bewege mich vor allen Dingen sehr intensiv in der E-Commerce-Welt, aber natürlich auch in der stationären Handels- und auch Großhandelswelt und hab mich schon intensiv mit dem Thema Temu beschäftigt.
Frank Rehme: Ach, übrigens, wir teilen ja mit dir Einblicke, Trends und inspirierende Geschichten direkt aus der Welt des Einzelhandels und du kannst uns aber dabei unterstützen, diese Mission auch zukünftig fortzuführen. Und das Beste daran: Du kannst uns helfen, ohne auch nur einen Cent auszugeben. Dazu erzähle einfach deinen Kolleginnen und Kollegen von uns, abonniere unseren Newsletter und wenn dir gefällt, was du hörst, bewerte uns in deinem Podcatcher mit fünf Sternen. Deine Stimme zählt und hilft uns enorm. Für diejenigen unter euch, die unsere Arbeit auch finanziell unterstützen möchten, bieten wir verschiedene Unterstützer-Pakete an, die teilweise schon bei einem Euro anfangen. Schon für sehr kleines Geld kannst du also dazu beitragen, unser Retail Innovation Radio am Laufen zu halten. Schau da auf unsere Webseite in’s obere Menü bei „Unterstützer“. So, jetzt geht es aber weiter.
Ja, Temu, unser Lieblingsthema. Also, als ich mal so dahintergeschaut habe, was die eigentlich machen, da habe ich eigentlich gesagt: Mensch, wieso bin ich da eigentlich nicht draufgekommen? Oder einer der großen Retailer? Wer weiß das besser als du? Das Thema Logistik ist ja mit eins der Kernkompetenzen, die ein Retailer mitbringen muss. Ich weiß noch, als ich damals bei Metro angefangen bin, da hieß es immer: Zwei Backbones hat der Handel: IT und Logistik. Ohne die funktioniert gar nichts mehr. So, und die sind da hingegangen und haben ja einfach den Logistikweg mal komplett anders gestaltet. Also, nicht irgendwo man ordert in China irgendwo einen Container, ich sage mal, blaue Mützen, dann kommen die blauen Mützen hier beim Zoll an, dann werden die verzollt und dann gehen die an die Distributionszentren, oder nein, erst mal an die Händler, dann an die Distributionszentren und die Händler verteilen das dann von den Distributionszentren in ihre Läden. Und die gehen hin und sagen: Das überspringen wir einmal komplett und wir schicken direkt an die Verbraucher. Alles einzelne Päckchen, keine große Verzollung. Und damit haben wir ja, ich sage mal, einen riesen Weg umfahren eigentlich, aber auch einen riesen Vorteil rausgeholt. Und der Vorteil ist das Thema Versteuerung, Mehrwertsteuer und diese ganzen Dinge alle.
Christoph Tripp: Ja.
Frank Rehme: Warum sind wir beide nicht schon vor zehn Jahren darauf gekommen und haben gesagt: Damit werden wir jetzt steinreich und wir werden ganz viel Gold, Diamanten und Edelsteine besitzen? Das haben wir nicht gemacht. Wie kam das auf einmal zustande, dass so etwas auf die Welt kam?
Christoph Tripp: Ja, vielleicht ist das gar nicht so neu. Ich weiß, dass die Kollegen von e-tailment vor, glaube ich, zwei oder drei Wochen einen netten Artikel hatten, zu der Movement App, die Zalando schon mal 2015 bis 2018 probiert hatte. Die war im Prinzip so eine Art Vorläufer, dieses sogenannten Factory to Consumer oder Manufacturer to Consumer Models, was wir eben jetzt bei Temu und in Teilen auch bei SheIn eben so finden. Ich glaube, das Spannende daran ist natürlich aus Handelssicht, dass man im Prinzip alle Mittelsmänner ausschaltet, wie du ja gerade auch schon gesagt hast. Man sagt ja dazu so schön: Cut out the middle man. Das heißt, dass Temu mit der Plattform letztendlich Technologie bereitstellt, Reichweite bereitstellt, Vermarktung bereitstellt und Logistik bereitstellt. Für man schätzt mittlerweile circa 100.000 Hersteller/Händler in China. Man schätzt, dass die Verhältnisse so circa 50:50 sind zwischen kleineren Händlern und Herstellern in China und eben die direkte Brücke im Prinzip schlagen eben hier zum Endkunden. Und ich glaube mal, dass Neue daran ist, also die Wege müssen ja trotzdem zurückgelegt werden, aber sie werden eben im Moment anders zurückgelegt. Nämlich überwiegend, oder nicht überwiegend, sondern vollständig per Luftfracht aus China eben direkt in die entsprechenden Zielmärkte. Und das Spannende an dem Modell ist sicher, dass wir zunehmend erkennen, so würde ich es mal sagen, dass die Anbieter in China eben ja alles über uns wissen und über unsere Gesetze und entsprechenden Rahmenbedingungen. Wir aber umgekehrt eigentlich relativ wenig über sie wissen. Das fängt bei den Umsatzzahlen an und Sendungszahlen an, geht letztendlich eben bis hin zu den Besonderheiten, die wir im chinesischen Markt eben haben, die wir so ohne weiteres nicht kennen und das nutzen die halt jetzt wirklich mit einer extremen Effizienz aus.
Frank Rehme: Ja, ich habe von Alex Graf hier den Podcast gehört, der hatte da mal erzählt, dass er mal geschaut hat, also hat man eine Probebestellung gemacht und hat mal geschaut: Wo kann ich denn die Rücksendung hinschicken? Und es stand auch eine Rücksendeadresse drinnen. Dann hat er mal bei Google Maps geguckt, wo das ist und dann hatte die die Straße aber nur halb so viel Hausnummern und die Straße endete irgendwie in einem Fluss oder so ähnlich. Also die gibt es überhaupt gar nicht.
Christoph Tripp: Ich glaube, das ist eine Besonderheit. Das hat sich dann auch im weiteren Verlauf geklärt. Das ist eben so eine Art Sammeladresse der Paketdienste für Retouren unterschiedlicher Händler, also insofern ist es eher sozusagen eine interne Kodierung, so würde ich es mal sagen, die man da vorgenommen hat. Aber nichtsdestotrotz hast du natürlich Recht: Wir wissen nicht wirklich viel über die Retouren von Temu und auch von SheIn. Es gibt Vermutungen dazu, dass die also irgendwo in baltischen Ländern, osteuropäischen Ländern dann gesammelt werden und wohl auch vernichtet werden. Viele, die auch schon bei Temu bestellt haben, kriegen auch die Rückmeldung, dass sie die Waren gar nicht zurücksenden müssten, wenn sie sie entsprechend sozusagen mit der Retoure beauftragen. Das ist natürlich ein Thema in dem gesamten Modell, das recht schwierig ist, wenn du keine Lagerhaltung und kein Fulfillment in deinen Zielmärkten hast. Vielleicht noch mal zu dem Logistikmodell: Ich komme ja aus der Logistik und hab auch versucht mir das ein bisschen genauer anzuschauen.
Spannend ist halt, dass tatsächlich diese 100.000 Hersteller und Händler in China quasi angedockt werden an das Temu-Modell über 12 bis 15 Fulfillment-Center, die im ganzen Land verteilt sind, die Temu auch nicht selber betreibt, sondern die dort Logistiker im Auftrag von Temu betreiben. Dort wird die Ware angenommen, versandfertig gemacht, verpackt und wird dann eben auch aus den lokalen Fulfillment-Centern über die Regionalflughäfen in China, also nicht nur über den Flughafen Hongkong, sondern auch über die Regionalflughäfen, eben direkt in die Zielmärkte geschickt. Und was man zumindest sehen kann im Moment ist, auch dazu gibt es ja auch schon sehr viele Berichte, dass man sich bewusst auch Zielflughäfen aussucht in Europa, bei denen man vermutet, dass der Zoll nicht so intensiv kontrollieren kann, weil er eben auch sehr schnell überlastet ist und die Ressourcen nicht da sind. Es gab jetzt Berichte auch im Fernsehen über den Flughafen in Lüttich beispielsweise, wo man einfach eine Horde von chinesischen Online-Bestellungen sieht und die im Prinzip das Personal gar nicht bewältigen kann und das heißt also, dass das schon auch irgendwo bewusst gemacht wird. Also wir könnten jetzt sagen mit einer gewissen Cleverness eben auch gemacht wird, um letztendlich eben dann auch tiefere Kontrollen dann eben auch vermeiden zu können. Wir haben ja die Zollgrenze in der EU von 150 Euro. In den USA sind es die 800 Dollar. Und man versucht natürlich schon auch, im Pricing dann am Ende, was den Warenkorb anbetrifft, unter diesen 150 Euro zu bleiben in Europa, damit eben da keine weitere Zollabwicklung und Zollgebühren entsprechend anfallen.
Frank Rehme: Ja, interessant, wenn man sieht, mit welcher Cleverness da auch teilweise vorgegangen wird. Wir haben diese Diskussion auch im Handelsverband, bekommen ich die auch mit. Und da sagt man natürlich, das sind ganz andere Regeln, einmal für die deutschen Händler oder die europäischen Händler gegenüber den Regeln, die man mit den chinesischen hat. Und da geht es ja nicht nur einmal, dass das steuerlich selbst hochgradig zweifelhaft ist, was da abläuft, aber auch an der anderen Stelle, dass wir Regularien unterliegen hier. Lieferkettengesetz ist ja jetzt eine aktuelle Diskussion in der EU. Ein bisschen zu solchen Themen, dass wir Carbon Footprint nachweisen müssen in Nachhaltigkeitsberichten und so, das ist ja da überhaupt gar nicht der Fall. Und die große Fragestellung ist ja dann natürlich auch: Wie sicher sind die Produkte, die da überhaupt auf den Markt kommen? Unsere Hersteller müssen, ich sage mal für einen Toaster, ganz bestimmte Nachweise führen, um den überhaupt in den Markt bringen zu können. Und in China, ich bin jetzt mal ganz böse, klebt man einfach einen Aufkleber drauf mit irgend ein paar Zertifikaten, die man irgendwo aus dem Internet zusammengesammelt hat und schickt die hier hin. Das ist natürlich eine Sache, die so nicht geht. Siehst du denn irgendwo, dass da im Regulierungsfall momentan etwas passiert?
Christoph Tripp: Also, da tut sich was. Also ich glaube schon, dass die Politik aufmerksam geworden ist und das Thema auch erkannt hat, weil natürlich auch einige der größeren Online-Händler sich entsprechend geäußert haben. Das trifft auf die Produktqualität zu, auf das Thema Verzollung, auf das Thema Einfuhrumsatzsteuer, Weltpostvertrag war ja so das erste große Thema, das sich aber dann doch aufgelöst hat, weil man festgestellt hat, dass das doch nicht so extrem ist, wie man das gedacht hat. Da haben sich die Regularien eben auch schon verändert. Also ich sehe schon, dass da Aufmerksamkeit da ist, in den USA schon ein ganzes Stück länger als in Europa. Also insbesondere, ich sage mal, das ganze Thema Weltpostvertrag ist schon etwas, was unter Trump relativ weit oben auf der Agenda stand. Und die Änderungen, die wir dort haben, das ist tatsächlich eine der offensichtlich der wenigen guten Dinge, die wir Herrn Trump zu verdanken haben, dass die Chinesen dort eben nicht mehr als Entwicklungsland eingestuft werden. Also wir haben da schon eine gewisse Aufmerksamkeit, aber jetzt muss man auch ganz klar sagen: Ich habe jetzt nicht die Hoffnung, dass die Geschwindigkeit unserer Veränderung der Regularien nur ansatzweise mithalten kann mit der Veränderung der Geschäftsmodelle solcher Spieler. Also wir hängen immer hinterher. Das ist so ein bisschen so das alte Spiel, glaube ich, das von Katz und Maus, wo man sagen muss: Wer gewinnt denn da am Ende? Und ich glaube, die Maus in dem Fall, die chinesischen Spieler sind deutlich agiler und schneller im Ändern ihrer Geschäftsmodelle. Nur um eine Sache noch mal zu sagen, was ja Temu jetzt auch angekündigt hat und das wird wahrscheinlich eine grundlegende Veränderung auch sein, dass sie ab März eben auch in den USA, also im Kernmarkt USA, in dem ja auch neben China, also was die Auslandsmärkte anbetrifft, vermutlich circa 80 Prozent der Umsätze von Temu gemacht werden, dass dort eben eine Plattform aufgebaut wird für amerikanische Händler und das würde wahrscheinlich auch nach sich ziehen, dass man dort mit dem Fulfillment dann ansässig wird, wodurch dann natürlich das eine oder andere Verzollungsthema und Retourenthema dann wieder neu und anders zu bewerten ist. Und für Europa haben sie Ähnliches angekündigt, ohne konkreten Zeitplan, aber das ist etwas, was kommen wird. Also man merkt schon, dass sie auch darauf reagieren auf diese Kritik, die da ist und das auch tatsächlich versuchen, in ihrem Geschäftsmodell umzusetzen und vielleicht, also einfach von meiner Seite mit ein bisschen Abstand auch noch gesagt, es ist natürlich schon so, dass ja auch alle anderen Spieler im Markt, wenn ich an Fashion denke und Non Food denke, ja auch massiv in Asien sourcen. Ja, also das Thema haben die natürlich ähnlich. Klar ist und da bin ich völlig bei dir, was spannend zu sehen sein wird und da gibt es auch noch keine wirkliche rechtliche Einschätzung, in wie weit fallen denn Plattformen und insbesondere auch chinesische Plattformen wirklich unter ein Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz, wenn es denn auf europäischer Ebene dann überhaupt kommt, das wissen wir ja nicht. Das ist ja im Moment noch in der Schwebe, aber grundsätzlich ist die Frage der Plattform eben schwer zu beantworten. Das sagen eben auch Juristen, dass das sehr Einzelfall abhängig, vermutlich, sein wird und man sich genau anschauen wird, wer hat da eigentlich welche Verantwortung zu tragen. Das wird ohnehin noch ein sehr spannendes Thema für den Handel werden. Was bedeutet das für Plattformen überhaupt? Also, aber wenn man Strich drunter zieht, dann ist es eben so, ich glaube, dass die Legislative letztendlich immer nur reagiert und dann verändern sich wiederum Geschäftsmodelle, aber wir werden wahrscheinlich niemals in der Lage sein, dass die Legislative wirklich mal einen Vorsprung hat und dem einen starken Riegel vorsetzt. Ich glaube darauf zu hoffen, das wäre der falsche Ansatz für die Händler, sondern eher zu überlegen, so hart wie sich das anhört, aber drüber nachzudenken: Was kann ich denn davon lernen? Was machen die denn eigentlich besonders gut und was kann ich möglicherweise für mein Geschäftsmodell adaptieren?
Frank Rehme: Jetzt haben die ja auch so ein bisschen, also jetzt ganz dünnes Eis, wo ich jetzt draufgehe, pass auf. Die haben ja auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Ich habe da schon immer die Augen verdreht, als diese fast fashion Formate hier in Deutschland waren, hier so Primark und so, T-Shirts 4 Euro. Aber wir erzählen ja hier in unserer Gesellschaft, dass jeder Teil des ewigen Konsums sein kann. Und die kommen ja auch, Shopping like a Billionaire und solche Sachen alle. Wir stellen damit natürlich auch ein Teil der Bevölkerung ruhig, indem wir sagen: Guck mal hier, ihr könnt euch auch was leisten. So, jetzt stell dir mal vor, wir gehen hin und sagen: Ab jetzt wird nur noch alles nachhaltig sein und solche Sachen alle. So, das ein T-Shirt auf einmal, weil er bio- und nachhaltig produziert wurde, 70 Euro kostet, dann ist ein Teil der Bevölkerung nicht mehr Teil dieses Konsumversprechens. Ob wir dann nicht Bevölkerungsunruhen bekommen können, mag ich mir gar nicht auszumalen. Also da, ich sag mal, die haben eine gesellschaftliche Aufgabe, die untere Bevölkerungsschichten auch an ihrem Konsumversprechen irgendwo, diesen Traum: Man kann sich was leisten, irgendwie teilhaben zu können.
Christoph Tripp: Ja, also ich wage mich jetzt nicht auf dieses dünne Glatteis, weil da bin ich nicht auskunftsfähig. Aber ich gebe dir insofern natürlich Recht, die Zahlen, die wir kennen jetzt eben auch, Bloomberg hat gerade Zahlen veröffentlicht dazu auch und Meinungen veröffentlicht für die USA, da ist total erstaunlich, dass tatsächlich ein großer Teil der Temu-Kundschaft eben erstaunlicherweise nicht die Generation Z und Alpha sind, sondern die Boomer und die Generation X.
Frank Rehme: Ach!
Christoph Tripp: Das ist das, was Temu auch offensichtlich völlig unterscheidet von SheIn. SheIn ist ja wirklich sehr stark fokussiert auf die junge Generation. Dass eben dieses billig Versprechen offensichtlich kein Thema der jungen Generation ist, sondern eben auch ein Thema, genau wie du es gerade gesagt hast, der älteren Generationen, die über Kinder und Kindeskinder verfügen und die jetzt auch damit angesprochen werden. Das ist etwas völlig Neues, also das ist keine Sache der jungen Generation. Und das bedeutet natürlich vor allen Dingen für die etablierten, auch stationären Non-Food-Händler, immenser Wettbewerb auch in deren Discount-Preisstrategien eben auch, also insofern ein völlig neuer Ansatz, der viel breiter zu sehen ist.
Fran Rehme: Eigentlich ja interessant, da sieht man jetzt auf einmal, dass der große Amazon, der immer der große Wettbewerber von allen anderen war, jetzt auf einmal selbst ein Wettbewerber an die Hand bekommt.
Christoph Tripp: Absolut, das ist ein Frontalangriff, also Temu ist ein Frontalangriff auf Amazon und auf den Amazon Marketplace. Da muss man ja auch sehen, vor ein paar Jahren hatten wir intensive Diskussionen um das Thema Plagiate und Qualität auch im Amazon Marketplace. Amazon hat dann daraufhin auch Beziehungen zu einigen Lieferanten, gerade auch in China gekündigt und es ist natürlich ganz stark zu vermuten, dass einige von denen jetzt bei Temu gelandet sind. Und das ist jetzt ein neuer Wettbewerb, um Hersteller und kleinere Händler auch in China geworden. Und da hat plötzlich Amazon ein Spieler vor sich, der ja auch viel aggressiver im Markt auftritt. Wenn man sich die Marketing-Budgets anschaut, es gibt Schätzungen von zwei bis drei Milliarden Dollar im letzten Jahr, was Temu an Marketing-Ausgaben hat. Also 25 Prozent ungefähr des Bruttohandelsumsatzes, das ist natürlich schon eine echte Hausnummer und also da geht man sehr, sehr aggressiv und mittlerweile auch offensiv eben in den Wettbewerb mit Amazon.
Frank Rehme: Du hast ja gerade vom Bruttohandelsumsatz gesprochen. Ist bei denen nicht Bruttohandelsumsatz, gleich Nettohandelsumsatz?
Christoph Tripp: Ja, ist schwer. Also der GMV sozusagen, der wird ja nicht wirklich ausgewiesen von diesen Unternehmen. Letztendlich lebt natürlich ein Temu auch von Provisionseinnahmen, das ist klar, das ist deren Hauptgeschäftsmodell. Und das muss man sagen, das ist ja das Spannende dran. Im Hintergrund mit Pinduoduo, also mit PDD, ein riesen Player im Bereich Social Media Marketing. Deswegen schätzt man ja auch, dass ungefähr 80 Prozent der Werbeausgaben im Bereich Social Media landen, was Temu anbetrifft. Also es ist ein sehr, sehr ernstzunehmender Spieler. Ich bin der Meinung, anders als vielleicht der ein oder andere, auch Verbandsvertreter, das jetzt so formuliert hat, die sind wirklich gekommen, um zu bleiben. Und werden nicht so schnell verschwunden sein wie Wish.
Frank Rehme: Ach übrigens, wusstet ihr, dass unsere Autorinnen und Autoren auch für Vorträge, Beratungen oder Expertengespräche zur Verfügung stehen? Wenn ihr also tiefere Einblicke in die Zukunft des Handels wünscht, seid ihr bei ihnen genau richtig.Und wenn ihr vor Herausforderungen bei der Transformation im Handel steht, ist unser Partner, die GMV Team GmbH, bereit, euch mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Zögert nicht, Kontakt aufzunehmen, einfach hier an , kommt immer an. Danke, dass ihr Teil unserer Community seid. Jetzt geht es aber weiter.
Warum ich dieses Brutto-Netto gefragt habe, ist: Führen die eigentlich Umsatzsteuer ab, die wir so haben?
Christoph Tripp: Das kann ich dir nicht beantworten.
Frank Rehme: Das würde mich mal interessieren. Wenn einer aus der Hörerschaft da etwas genaueres weiß, gerne hier in die Kommentare schreiben. Weil ist ja schon lange Thema in Deutschland, dass chinesische Händler nichts bezahlen. Daraufhin hat ja auch Amazon dann auch reagiert und hat dann dementsprechend die Händler wieder rausgeschmissen, die dies nicht getan haben. Da steht man auch mit dem Rücken an der Wand. Aber jetzt noch mal eine Frage für dich als Logistikexperte: Carbon Footprint, wenn ich jetzt einen Container verschiffe, nach Deutschland, Lüttich. Nein, Lüttich hat, hat Lüttich Wasser? Weiß ich gar nicht.
Christoph Tripp: Nee. Eher nicht.
Frank Rehme: Eher nicht. Sagen wir Duisburg. Aber Duisburg hat, gut Flughafen Düsseldorf, sagen wir so, okay, Duisburg, Düsseldorf. So einen Container verschiffe ich dahin. Oder ich verschicke, ich weiß gar nicht, ich werde in so ein Seecontainer, wie will ein Päckchen da reinpassen, diese Mützen, die Wollmützen.
Christoph Tripp: Häng davon ab, was du verschickst, ne?
Frank Rehme: Diese Wollmützen nehmen wir jetzt mal. Und da sage ich mal, da passt jetzt 20.000 Wollmützen rein. 20.000 Wollmützen einmal im Container verschifft oder in einzelnen Paketen mit dem Flieger hier rüber gebracht. Wie sieht da der Carbon Footprint aus?
Christoph Tripp: Ja, müssen wir nicht drüber reden. Das ist natürlich logischerweise die Konsolidierung über die Seefracht ein erheblich niedrigeren CO2-Fußabdruck hat, als natürlich Einzelsendungen per Luftfracht. Wenn gleich die natürlich dann auch hoch ausgelastet sind, das ist gar keine Frage. Vieles im Übrigen, was dann von China nach Deutschland geht, von Temu, geht häufig in Kooperation mit SheIn rüber. Das sind die beiden großen mengenstarken Spieler. Also der CO2-Fußabdruck, der ist natürlich erheblich schlechter. Die Frage ist natürlich nur: Wen interessiert es wirklich?
Frank Rehme: Ja.
Christoph Tripp: Ich bin immer der Meinung, wir müssen, auch wenn es die Händler nicht gerne hören, aber wir müssten natürlich irgendwie, und gesetzlich ist es ja angestoßen, es gibt ja DIN-Normen mittlerweile auch zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks. Wir müssten eigentlich in der Lage sein, am Ende artikelspezifisch einen CO2-Fußabdruck benennen zu können, damit das dann am Ende auch in die Kaufentscheidung eines Kunden einfließen kann. Solange wir das nicht können, können wir viele Stories erzählen und viel Greenwashing betreiben, aber dann ist es völlig intransparent. Und ich glaube, das wird irgendwann die Zielrichtung sein, wenn wir das stärker pushen wollen, dass das am Ende ein Vergleichskriterium neben dem Preis und neben der Leistung und sonstigen Dingen eben für den Kunden ist und da sind wir aber noch ein ganzes Stück davon entfernt. Das, was wir bisher haben, sind ja eigentlich völlig intransparente Label und Sonstiges, die der Kunde so in der Form, also die seine Kaufentscheidung nicht wirklich beeinflussen können.
Frank Rehme: Das ist so meine Erfahrung, die ich so in der Vergangenheit auch gemacht habe.
Christoph Tripp: Ja.
Frank Rehme: Und wo du gerade dieses Thema DIN-Norm zur Berechnung abgibst. Da fiel mir jetzt gerade mal ein, ich habe das schon vollkommen verdrängt gehabt. Ich habe vor ungefähr achtzehn Jahren mit der SAP zusammen, damals noch bei der Metro, wollten wir Carbon footprint Berechnungen machen. Solange ist dieses Thema schon auf der Tagesoberfläche, wir haben damals mit Erdnüssen angefangen, haben festgestellt: Wir brauchen über Verkehr nicht nachzudenken, weil 99% des Footprints bei der Produktion anfällt.
Christoph Tripp: Ja.
Frank Rehme: Und da ist der Verkehr hinten Peanuts dagegen. Aber da sieht man schon mal, wie lange wir schon an diesem Thema dran sind. So, jetzt gehe ich hin, ich jetzt, der Frank Rehme und ich sage: Pass mal auf, ich will was für meinen Carbon footprint tun. Ich fliege jetzt nicht mehr nach Berlin, sondern ich fahre mit der Bahn. Was ich eh immer mache, aber angenommen, das wäre jetzt so. Und bestellt jetzt aber mal 20 Dinge bei Temu, dann habe ich eigentlich meinen Carbon footprint versaut. Muss jeder wissen, der dass mal dort einkauft. Ja, Christoph, danke schon mal für den Überblick. Jetzt aber mal eine große Frage, weil du ja so ein guter Experte bist, den man auch gerne mal zur Rate zieht. Wie kann man dich kriegen?
Christoph Tripp: Wie meinst du, wie man mich kriegen kann?
Frank Rehme: Ja, wenn jetzt ein Hörer sagt: Mensch, hochinteressant, den will ich mal hier bei mir in die Firma holen. Du berätst ja auch, so wie du sagtest.
Christoph Tripp: Genau, ich berate auch und halte den einen oder anderen Vortrag auch sehr gerne zu, gerade zu diesen Themen, zum Thema Generationen, zum Thema Kaufverhalten, zum Thema Logistik, Distribution und so weiter. Also der erste Blick wäre immer geeignet auf meine Website. Die habe ich ganz kreativ Prof-Tripp.de genannt.
Frank Rehme: Ah gut.
Christoph Tripp: Also in Zeiten von Selbstvermarktung sozusagen, schien das mir irgendwie angemessen. Da findet man eigentlich viele der Dinge, die ich so mache und gemacht habe, so ein Sammelsurium geworden. Ansonsten jederzeit gerne über LinkedIn. Das ist auch ein sehr guter Weg, ist eigentlich auch das Hauptvermarktungsmedium, glaube ich, heutzutage. Das sind so die einfachen Steps, die man gehen kann. Ich freue mich natürlich sehr, wenn jemand Interesse daran hat und wenn jemand auf mich zukommt.
Frank Rehme: Ja, deshalb war dieser Werbeblock nochmal ganz besonders wichtig, Christoph.
Christoph Tripp: Sehr schön. Der war auch nicht abgesprochen.
Frank Rehme: Nee Nee, war nicht abgesprochen. Ich habe dich echt überrascht, aber warum nicht?
Christoph Tripp: Alles gut.
Frank Rehme: Also ich sage mal, wir haben ja immer hier so hochinteressante Gäste am Mikro und ich kann mir vorstellen, dass sie natürlich auch eine Relevanz über Zukunft des Einkaufens jetzt hinaus haben. Ja, Christoph, dann alles Gute für die nächsten Wochen. Wir sehen uns sicherlich in Kürze wieder irgendwo am Mikrofon hier und dann sehen wir mal, welches Thema wir dann haben.
Christoph Tripp: Sehr schön. Vielen Dank, lieber Frank.
Frank Rehme: Ja, vielen Dank. Ciao.
Christoph Tripp: Bis dann. Ciao.
Ihr Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie gern einen Kommentar!