ZDE Podcast 164: Neu! Der Szenetalk mit Heike Scholz
Heute probieren wir mal etwas neues: Den Szenetalk! Heike Scholz und Frank Rehme identifizieren aktuelle Themen und beleuchten die Hintergründe aus anderer bzw. ihrer Sicht. Das Ziel: Die Hörer:innen bekommen eine ganzheitliche Sicht auf ein Thema und können dieses in ihrer Entscheidung einfließen lassen. Zukünftig soll dieses Format im 4-6 wöchigem Wechsel erscheinen.
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Zukunft des Einkaufens – Der Podcast für Innovation im Handel.
Frank Rehme: Und schon wieder haben wir eine neue Folge, Heike.
Heike Scholz: Ja, super. Ich freue mich, mal wieder dabei zu sein. Und vor allen Dingen finde ich das auch super, dass wir uns was Neues einfallen lassen haben.
Frank Rehme: Eben. Und wer wir sind, das erklären wir den Hörerinnen und Hörern jetzt auch. Ich bin Frank Rehme und beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit dem Thema Innovation im Handel. Und du, Heike?
Heike Scholz: Ich bin noch nicht ganz so lange im Handelsumfeld unterwegs. Seit 2015 Mitgründerin von Zukunft des Einkaufens und auch ich kümmere mich immer so ein bisschen mehr um Technologien und Consumer-Sichten und bin so ein bisschen die Technik-Tante, ursprünglich mit einem anderen Blog angetreten, aber jetzt bei Zukunft des Einkaufens.
Frank Rehme: Wir machen jetzt ein neues Format bei Zukunft des Einkaufens im Podcast. Und zwar greifen wir uns spezielle Themen raus, 2, 3, 4, je nachdem, was wir in unserem Zeitfenster so untergebracht bekommen und zerpflücken diese Themen mal, um einfach unseren Hörerinnen und Hörern, ich sage mal, andere Sichtweisen von Themen zu geben, die in der Presse erscheinen, auf verschiedenen Blogs erscheinen. Und das schauen wir uns dann aus anderen Gesichtspunkten nochmal an. Das habe ich dazu richtig zusammengefasst, Heike?
Heike Scholz: Das war wunderbar. Und das, was wir damit auch erreichen möchten, indem wir uns darüber unterhalten und vielleicht auch mal zu Kontroversem unseren Senf dazugeben, zu den Presseveröffentlichungen, ist, dass wir auch mit Ihnen, mit euch in Dialog gehen können. Also ihr müsst unsere Meinung natürlich immer total gut finden, das ist eh klar. Aber nein, ihr müsst sie natürlich nicht teilen und wir hoffen, dass wir irgendwie zu einer Diskussion kommen können und ihr uns schreibt oder auch Kommentare hinterlasst oder auf Social Media, was ihr davon haltet, ob ihr das genauso seht wie wir, denn das finden wir das Interessanteste, wenn wir in echten Meinungsaustausch kommen können.
Frank Rehme: Und auch wir. Ich freue mich schon darauf, wenn wir uns hier vorm Mikro auch mal richtig fetzen über ein Thema, weil wir uns uneinig sind.
Heike Scholz: Kann passieren.
Frank Rehme: Also für alle da draußen an den Geräten, wir werden dieses Format, ich tippe mal, so alle vier bis sechs Wochen machen. Ansonsten machen wir natürlich die normalen Zyklen und Marylin Repp macht ja auch noch den Podcast bei uns mit. Wir wollen euch damit bestimmte Themen nochmal wirklich zerlegen und fangen jetzt einfach mal an. Sollen wir loslegen, Heike?
Heike Scholz: Fang an, Frank. Du bist der erste mit deinem ersten Thema, das du uns mitgebracht hast heute. Ich bin gespannt.
Frank Rehme: Und zwar folgendes, es geht um das Thema Innenstadt. Wir haben gerade das Thema Innenstadt in Deutschland ganz, ganz oben aufgehängt, weil einfach die Großimmobilien momentan sehr stark vom Leerstand bedroht sind, hier Kaufhauskrise usw., da haben wir oft drüber geredet auch, aber es gibt mittlerweile Studien darüber. Eine Studie ist mir so ganz besonders ins Auge gefallen und ich möchte gar nicht so groß über den Inhalt der Studie reden, den werde ich natürlich gleich kurz erklären, sondern ich würde auch sehr stark mal auf die Methodik eingehen, die dort benutzt wurde. Und zwar hat das ifo Institut über verschiedene Medien erklären lassen – ich stell auch mal einen Link in die Shownotes, der ohne Paywall ist – dass man rausgefunden hat, dass ein starker Rückgang in der Innenstadt ist und eine stabile Lage in den Nebenzentren. Also was bedeutet das? Man hat festgestellt, dass in der Pandemie die Umsätze in der Stadt runtergegangen sind und in den Nebenzentren dementsprechend hoch. Man schließt daraus, dass eben weniger Leute in die Innenstadt gehen und dort einkaufen. Und weil die jetzt alle im Homeoffice sitzen, lieber draußen in den Nebenzentren, dann im örtlichen Geschäft einkaufen gehen. Ich sage mal, verrückt, da wären wir nie draufkommen, dass wenn alle Läden in der Stadt zu haben durch die Pandemie und die Leute, die alle zu Hause sitzen müssen, dass auf einmal zu Hause mehr Geld ausgegeben wird.
Heike Scholz: Also wir sind völlig überrascht und hin und weg. Wer hat damit gerechnet?
Frank Rehme: Genau! Aber wie gesagt, kann man drüber streiten, wie man diese Erkenntnis findet, aber ich habe dann auch mal zwischen den Zeilen gelesen und da geht es um die Methode, die dort angewandt wurde. Ich bin ein bisschen vorbelastet durch unser Projekt Stadtlabore für Deutschland, wo wir zusammen im IFH ein digitales Ansiedlungsmanagement entwickelt haben und dort haben wir sehr viel mit Daten-Dienstleistern zusammengearbeitet und ich habe dann viel gelernt über dieses Thema Data Awareness. Warum habe ich dieses Beispiel mitgebracht für euch? Weil ich einfach auch dieses Thema Data Awareness bei euch im Auge nochmal ein bisschen schulen möchte. Und zwar Folgendes: In dem gerade angesprochenen Projekt kam eine Ergebnisbar heraus von einer Untersuchung, dass man erkannt hat, dass die Besucher des Kölner Doms zu 63 % Kölner sind. Da habe ich gedacht, okay. Die Kölner, die sind natürlich sehr fröhlich und die sind immer gerne beim Löwen, so wie die immer sagen, aber ich glaube nicht, dass 63 % der Besucher, wenn man auch mal die Touristenströme dort ansieht, alles Kölner sind. Und dann hat man mal geschaut, wie ist das Ganze denn zustande gekommen und das waren Mobilfunk-Bewegungsdaten. Und dann hat man geschaut, wie groß war denn die Wabe, mit der man gemessen hat? Dabei kam raus, in dieser Wabe ist auch der Hauptbahnhof, der direkt neben dem Dom ist, mit drin. So, und dann hat man natürlich ein ganz anderes Gefühl auf einmal und hat festgestellt, eigentlich wird nicht gemessen, wie viele Kölner im Kölner Dom sind, sondern wie viele Kölner am Hauptbahnhof unterwegs sind und da macht das Ganze natürlich schon wieder Sinn. Das heißt, wir müssen mal schauen, wie ich, wenn ich mir so Daten anschaue, auch ein bisschen Bewusstsein dafür kriegen, wie sind die überhaupt entstanden und wie kommen die zusammen? Und da war dann drin, dass man gesagt hat, man hat die Auswertung genommen von Zahlungsdaten von Mastercard, sprich auch nur einer Kreditkartensorte und hat eine Geodaten-Analyse gemacht. Ich kenne diese beiden Verfahren auch recht gut und man hat das gemacht mit einer Tochter vom Markt und Meinungsforschungsinstitut Infas. Und da muss ich ehrlich sagen, fehlt mir Folgendes: Man hatte keine Zahlen auf Sortimente oder Formate, dass man wusste, ist das jetzt DIY, Fashion, Lebensmittel usw., man hat überhaupt gar keine Information darüber gekriegt. Gibt es denn vielleicht noch andere Payment-Optionen, die damit untersucht werden über Mastercard hinaus? Denn eigentlich haben wir jetzt nur ein Gefühl dafür bekommen, wo wurde Mastercard am meisten eingesetzt. Und wenn jetzt auf einmal andere Bezahlformate große Kampagnen fahren wie Visa, Maestro – ist zwar langsam auch am Aussterben, aber angenommen da wird nochmal so ein letztes Zucken irgendwie versucht – dann verschiebt sich natürlich auf einmal so ein Payment-Angebot. Ich weiß noch, dass die Sparkassen mal eine große Kampagne gefahren haben, speziell an Tankstellen, dass man da Goodies bekam, wenn man mit der Sparkasse-Karte bezahlt hat, sowas verschiebt natürlich dann sehr stark auch die Zahlströme. Und dann sehen wir natürlich auch gerade das Thema Mobile Payment, was in der Pandemie ganz besonders hochgekommen ist, weil wir alle kontaktlos bezahlen wollten, dass sich da auf einmal auch Zahlstreams verändert haben, weil zum Beispiel Apple Pay die ganzen Zahlwege eigentlich kryptisiert und man gar nicht weiß, wo ist denn jetzt was bezahlt worden. Das heißt, wenn man sich die Zahlen anschaut, muss man ehrlich sagen, wenn die nur auf diesen Mastercard-Daten basieren, dann ist das für mich nicht ausreichend. Vielleicht ist ja einer von denen, die an der Studie beteiligt war, hier in unserer Hörerschaft, wir würden uns freuen, wenn man in den Kommentaren vielleicht mal reinschreibt, ob da vielleicht noch andere Methoden mit zugezogen wurden. Ja, und dann habe ich mir nochmal angeschaut bei dem ganzen Mix, auch mit der Geodaten-Analyse, die bei Infas zum Einsatz kommt, die kenne ich recht gut, und habe festgestellt, dass ist die sogenannte CASA Gebäudedatenbank, wo man wirklich ganz runter rechnen kann, was wo, in welchen Bereichen, dementsprechend auch passiert. Das heißt, man sieht auf einmal ganz genau, welche Menschen wo wohnen, welche Gebäudetypen da sind, wie viel Einwohner da sind. Also wirklich ganz viele Indikatoren sind da analysiert worden und das machen die eigentlich recht gut. Ich glaube, das ist eine Datenbasis, die so genau ist, so granuliert ist, dass man da auch dementsprechend, ich sage mal, darauf bauen kann. Also wie gesagt, aus meiner Sicht zwei Gesichter. Aber an diesem Beispiel wollte ich euch nur mal zeigen, da ihr sicherlich auch immer ganz viele Daten um die Ohren gehauen bekommt, mal genauer hinzuschauen und mal so ein Gefühl für Data Awareness zu entwickeln, dass man merkt, ich gucke da nochmal hinterher und dann weiß ich ungefähr, in welche Richtung ich das auswerten kann für mich. Heike, wir haben ja immer dieses Beispiel mit dem Schokoladeneis gehabt.
Heike Scholz: Das ist vor allen Dingen faszinierend, dass es Studien dazu gibt, dass bei bestimmten Wetterlagen, zum Beispiel bei bestimmtem heißem Wetter, der Schokoladeneis-Konsum steigt. Und jetzt kann man natürlich sagen, schönes Wetter bedingt hohen Eiskonsum. Man kann aber auch sagen, die Leute essen Eis und schon scheint die Sonne. Als ob es immer eine Korrelation zwischen den gemessenen Werten gibt. Das muss man auch immer sehr detailliert hinterfragen, weil sonst kommt man irgendwo zu Rückschlüssen, die so gar nicht gemessen wurden, sondern die wir da rein interpretiert haben. Deswegen immer Augen auf beim Studien lesen. Ich halte das zwar für einen hinlänglich bekannten Tipp, aber schön, dass an dem Beispiel nochmal zu sehen, dass man zumindest viele Fragen haben muss an Daten, wenn man sie sieht.
Frank Rehme: Ansonsten ist natürlich die Korrelation Läden zu, keiner kauft mehr ein, auch schon eine gute Erkenntnis.
Heike Scholz: Wären wir vielleicht auch von allein draufgekommen, aber es ist gut letzten Endes. Wie gesagt, vielleicht meldet sich noch jemand und hat noch ein bisschen mehr aus dieser Studie. Vielleicht ist da auch einfach nur in den Medien nicht ganz so viel transportiert worden von dem, was wirklich drinsteckt in der Untersuchung. Wer weiß, wer weiß. Wir freuen uns auf jeden Fall über jeden Input.
Frank Rehme: Wenn uns einer beim Faktencheck helfen kann, immer gerne her damit! Schreibt hier in die Kommentare, ruft uns an, wir werden das dementsprechend beim nächsten Mal mit verwursten.
Heike Scholz: Und wenn wir darüber sprechen, dass weniger Menschen in die Innenstadt gehen, was ja hinlänglich bekannt ist und es sehr viele Gründe dafür gibt, bringt mich das natürlich zu einem ganz anderen Thema. Ich bin nämlich über ein sehr interessantes Interview gestolpert in der Telecom Handel und zwar hat sich die Telecom Handel mit ChatGPT unterhalten. Ist ja hinlänglich bekannt mittlerweile, das ist ein KI basierter Chatbot von OpenAI und man kann dieser KI alles Mögliche an Fragen stellen oder mit ihm chatten. Das sollte man eigentlich tatsächlich mal machen und das hat die Telecom Handel gemacht und hat mit ChatGPT darüber gesprochen, wie das nun eigentlich ist mit der Beratung im Handel. Ich zitiere mal aus dem Interview eine kurze Passage: „Die Telecom Handel fragt, gerade in der Beratung ist die KI doch besonders stark? Wie kann da ein Mensch dagegen ankommen?“ Also das Thema war Menschen in der Beratung, Verkaufspersonal, wie können die eigentlich mit einer KI mithalten. ChatGPT antwortet darauf: „Es stimmt, dass KI-Systeme bei der Beratung von Kunden sehr stark sein können. Durch den Einsatz von Machine Learning Algorithmen und künstlicher Intelligenz können KI-Systeme große Mengen an Daten analysieren und so personalisierte Empfehlungen für Produkte oder Dienstleistungen aussprechen. Jedoch kann die menschliche Interaktion in der Beratung auch Vorteile gegenüber KI haben. Ein guter Verkäufer kann beispielsweise eine Verbindung zu einem Kunden herstellen und ihm ein Vertrauen in das Produkt und in das Unternehmen vermitteln, was ein KI-System nicht unbedingt leisten kann. Ein Verkäufer kann auch auf die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben des Kunden eingehen und ihm Empfehlungen geben, die auf persönlicher Erfahrung und Fachwissen basieren.“ Soweit aus diesem Interview. Wir linken natürlich das Interview noch in den Shownotes, aber da sind ein paar ganz schöne Sachen drin über die ich jetzt mal mit dir, Frank, sprechen möchte. Ist es denn wirklich so, dass tatsächlich die Beratung durch einen Menschen so viel mehr Vertrauen in ein Produkt vermittelt, als es tatsächlich eine KI kann? Ich behaupte einfach mal, dass KI-Systeme sich schnell weiterentwickeln werden. Das werden wir dieses Jahr noch erleben, meiner Meinung nach, dass sie menschlicher werden, dass wir also gar nicht mehr so genau merken, dass es eine Maschine ist. Also dieses Maschinelle, was wir manchmal noch sehr deutlich spüren können, wird weiter in den Hintergrund gehen. Und wenn wir uns dann von einer KI beraten lassen und es eigentlich auch gar nicht mehr so offensichtlich ist, dass das eine Maschine ist und wir bekommen ein gutes Beratungsergebnis, interessiert es uns eigentlich noch, ob das eine Maschine war oder ein Mensch?
Frank Rehme: Heike, du hast ja gerade gesagt, du bist unsere Technik-Tante. Und genau das ist es letztendlich, also das reine Übermitteln von Informationen. Da unterschreibe ich voll, dass das sicherlich eine Maschine, die auf zig Daten innerhalb von Millisekunden zugreifen kann, wesentlich besser kann. Das heißt, die Vermittlung von Informationsinhalten. Aber Menschen, du weißt ja, ich bin so ein alter „Neuromarketinger“ und habe mich sehr damit beschäftigt, was eigentlich in der Sekunde der Kaufentscheidung in mir passiert, um rauszukriegen, wie man Menschen aktiviert. Und mein Grundsatz, den ich da gelernt habe, ist, Menschen kaufen bei Menschen. Und darum geht es ja letztendlich, dieses Menscheln dazwischen. Das wird momentan eine Maschine nicht machen können. Und wenn wir jetzt durch ChatGPT, das Ende der Verkäufer erwähnen, dann erinnert mich das sehr stark an die 90er und zwar als das Internet aufkam. Natürlich ist, wie alles, wo irgendetwas neu ist, immer die Erotikbranche ganz vorne mit dabei, die Gamer und die Erotikbranche. So, und da wurde Ende der 90er mal prognostiziert, dass wir in zehn Jahren spätestens einen signifikanten Anteil an Cyber-Sex haben werden. Also diese Geschichte ist vollkommen an mir vorbeigelaufen, wenn er denn wirklich wahr geworden ist. Ich glaube nicht, dass so ein echter Mensch da auch ersetzbar ist. Und man muss das immer unterscheiden bei dem Thema, ich hole mir Informationen, was für mein Case und da gehe ich mal davon aus, dass die KI zukünftig mich besser kennt als jeder andere Mensch auf diesem Planeten durch mein Verhalten, die richtigen Informationen dann zu mir kommen bzw. auch die richtigen Empfehlungen, aber trotzdem dieses mit Menschen interagieren, ist so ein Thema.
Heike Scholz: Ich bin im Grunde, auch wenn ich Technik-Tante bin und damit auch immer ein bisschen kokettiere, vollkommen bei dir. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Mensch zu Mensch-Beziehung auch im Kaufprozess der entscheidende Moment sein wird, weswegen Menschen eben noch in Läden gehen, um dort von Menschen direkt zu kaufen. Und sie können tatsächlich alle Sinne benutzen, um ein Produkt zu erfahren, zu erfassen, auszuprobieren, zu riechen, zu schmecken, alles wirklich um dies zu tun, dafür werden Menschen immer noch an einen Point of Sale gehen. Nur letztendlich ist es ja so, dass was wir noch in den letzten Jahren sehr viel auch aus dem stationären Handel oder zumindest von Händlerinnen und Händlern mit einer starken stationären DNA gehört haben, wäre ja das Ausschlaggebende immer die Beratung vor Ort. Und ich glaube, hier schlägt tatsächlich KI auch einen Pflock ein und wird gut kuratieren können. Nicht umsonst arbeitet Zalando schon mit einer KI basierten Kuratierung. Also wenn eine Maschine meinen Geschmack kennt, meine Körpergröße kennt, meine Abmessung kennt und weiß, was mir gefällt aus meiner Kaufhistorie oder weil ich es ihr sage, dann kann sie mir in kurzer Zeit so viel gute Sachen vorschlagen, die gut zusammenpassen, dass ich die dann vielleicht noch anprobieren möchte und dafür los gehe und dass ich, wenn ich los gehe, Freude an einem Einkaufserlebnis habe, wozu dann vielleicht auch gehört, noch einen Kaffee zu trinken, gut essen zu gehen, irgendetwas anderes zu machen in der Innenstadt, wovon wir ja gerade gekommen sind. Dann bin ich immer da, wo ich sage, da gehen die Menschen dafür los. Aber für eine reine Beratung, da sehe ich schon auch die Vorteile, eben durch die Informationsverarbeitung, die eine KI leisten kann, wenn es darum geht, ich möchte eine Auswahl treffen. Nehmen wir mal ein anderes Beispiel und nicht Kleidung oder so etwas wie bei Zalando, sondern sagen ganz einfach, ich brauche eine neue Computermaus. Ich stehe vor einem riesigen Angebot und weiß überhaupt nicht, wo ich hin greifen soll. Da würde mir natürlich eine KI, wenn ich eine informationsbasierte Entscheidung treffen möchte, helfen können. Geht es mir nur darum, eine zu kaufen und die einmal angefasst zu haben, werde ich in Laden gehen, also wird es sich weiterhin aufteilen. Aber ich glaube schon und ich würde es auch Händlerinnen und Händlern sehr empfehlen, sich intensiv damit zu beschäftigen, wie sie gegebenenfalls auch KI nutzen können, um eine umfassendere Beratung machen zu können. Also auch das ist eine Möglichkeit der Anwendung.
Frank Rehme: Also sicherlich spannend. Wir werden so eine Hybride, glaube ich, so eine hybride Kundenberatung werden wir in Zukunft auf jeden Fall bekommen. Und manchmal wünsche ich mir die auch, alleine bei dem Thema personalisierte Werbung, um da wirklich die passenden Angebote für mich zu finden, fände ich schon eine gute Sache. Ich bin ja einer, der relativ datenoffen ist. Leute, die mich kennen, wissen, wie ich viel auf Social Media teile und ich sage mal, ich klicke auch ganz selten mal die Cookies weg, weil ich einfach sage, je besser und schärfer mein Profil irgendwo ist, desto besser kann ich auch dann dementsprechend bedient werden. Das ist immer so ein zweischneidiges Schwert auch.
Heike Scholz: Ich bin das totale Gegenteil. Bei mir werden alle Cookies regelmäßig gelöscht und zwar immer, wenn ich einen Rechner ausmache. Also das rigoros und da muss ich sagen, personalisierte Werbung ist dann bei mir natürlich unglaublich schlecht. Mir werden Dinge empfohlen, wo ich mich ernsthaft frage, wie kommt man darauf? Aber das ist halt etwas, was ich ertragen muss, dann, wenn ich es sehe, wenn ich die Werbung überhaupt sehe, dass es dann einfach nicht passt, weil ich da ein bisschen datensparsamer unterwegs bin.
Frank Rehme: Ja, sehr gut. Und beim Thema Daten? Aber da sind wir beim neuen Thema, bevor wir mit dem neuen Thema anfangen. Heike, was sicherlich unsere Hörerinnen und Hörer jetzt vermissen, ist irgendwelche Sprüche von irgendwelchen tollen Matratzen, die wir gut finden, oder von irgendwelchen Apps, die Versicherungen empfehlen. Da hört man bei uns gar nichts von.
Heike Scholz: Ja, mit Absicht, weil wir eigentlich, also du ja noch mehr, Werbungsfreund bist als ich. Wir finden das immer schade, wenn etwas so unterbrochen wird, wo man eigentlich gerade im Thema ist. Und deswegen machen wir das nicht hier bei uns, dass wir jetzt irgendeinen mit diesen Themen, die überhaupt nichts damit zu tun haben, den Werbespot einblenden, sondern wir machen das ein bisschen anders.
Frank Rehme: Genau richtig. Und zwar könnt ihr uns aus dem Grunde auch unterstützen. Und zwar braucht ihr dafür noch nicht mal irgendwie Geld in die Hand zu nehmen, sondern wenn ihr einfach mal hingeht und mit euren Arbeitskolleginnen und Kollegen, Freunden, Bekannten usw. über uns sprecht und sagt, da gibt es ein cooles Format. Zukunft des Einkaufens hat über 1200 coole Artikel zum Thema Retail-Innovation auf der Plattform. Die haben Podcasts mit über 160 Folgen, hör doch mal rein. Wenn ihr uns einfach mal weiterempfehlt oder ich sage mal, im Podcatcher eurer Wahl möglichst viele Sterne verteilt, damit wir auch von anderen gut gefunden werden, das wäre schon mal eine gute Summe. Und dann haben wir natürlich auch, wenn ihr jetzt sagt, das ist mir so viel wert, ich kann mir vorstellen, dass die viel Zeit dafür aufwenden, solche Inhalte zu erstellen, denen möchte ich mal etwas zukommen lassen, was haben wir dafür da, Heike?
Heike Scholz: Da haben wir auf unserer Webseite unter zukunftdeseinkaufens.de/unterstuetzer die Möglichkeit, dass ihr uns tatsächlich auch mit selbst kleinen Beträgen monetär unterstützen könnt. Ihr bekommt dann auch ein paar Goodies bei uns, noch Zugang zu Whitepaper und und und. Guckt euch das einfach mal an unter zukunftdeseinkaufens.de/unterstuetzer, ist auch auf der Webseite verlinkt. Das geht schon bei 5 € im Monat los, damit tut ihr uns natürlich ein riesigen Gefallen. Wir planen nämlich schon den Firmenausflug auf die Malediven. Nein, natürlich nicht. Aber ihr tragt damit einfach wirklich auf eine nette und unkomplizierte Art und Weise bei, dass wir so ein bisschen die Kosten, die mit so einem Format verbunden sind, wieder reinbekommen. Das wäre super. Und ihr habt auch was davon und helft uns natürlich ganz besonders, wenn ihr euch da mal ein Unterstützerpaket klickt.
Frank Rehme: Ja gut, aber jetzt gehen wir wieder zurück zum Thema. Es geht um Folgendes: Alle reden von Influencern. Influencer ist mittlerweile mit einer der Top Berufswünsche bei jungen Leuten geworden, oder?
Heike Scholz: Ich weiß es nicht. Ist das so? Um Gottes Willen. Wir sind zu alt, wir sind zu alt dafür, wir schaffen das nicht mehr mit den Influencern.
Frank Rehme: Nein, pass auf, eben nicht, Heike. Ich habe schon mal gehört, du warst auch öfters mal im TV unterwegs und eigentlich bist du auch so ein Retail-Influencer, so könnte man es schon fast nennen oder könnte man das eher als Schimpfwort bezeichnen?
Heike Scholz: Hahaha. Nein. Ich glaube, man muss das ein bisschen unterscheiden, ob man irgendwo gehört wird in einer Branche und es letzten Endes auch einen gewissen Einfluss hat, was man sagt. Um Gottes Willen, ich will nicht überbewerten. Und das, was der Influencer ist, das ist ja dann doch, finde ich, ein bisschen klarer umrissen, dass man also hauptsächlich auf Instagram oder auf TikTok am Ende irgendwelche Produkte in die Kamera hält oder davon erzählt, wie glücklich man mit ihnen wird. Das ist dann schon ein bisschen, doch sehr viel mehr Lifestyle und ein anderes Influencer sein, als wir das im B2B-Bereich sind. Aber wo wir ganz einfach sage, uns hört man vielleicht auch in der Branche öfter mal.
Frank Rehme: Ja, okay. Also Gott sei Dank ist der Kelch nochmal an uns vorbei.
Heike Scholz: Du musst deine Visitenkarten nicht ändern, Frank.
Frank Rehme: Na gut. Okay, dann ist das schon mal gut so. Es geht um Folgendes: Die Lebensmittelzeitung hat Interessantes geschrieben. Übrigens, das ist jetzt kein Werbeblock hier, aber die Lebensmittelzeitung beschäftigt sich nicht nur mit der Lebensmittelbranche, muss man mal sagen, da ist auch DIY und alles bei. Und die haben mal analysiert, wie der Lebensmitteleinzelhandel von Influencern und Markenfans profitiert. So, und da gucken die natürlich erst mal ganz besonders auf die Reichweite. Es kommt immer wieder dabei raus, dass man sich aussucht, welcher Influencer wäre für uns gut. Wer passt von dem Style den zu unserem Unternehmen und wie können wir den dementsprechend dafür nutzen, unser Brand irgendwo nach vorne zu bringen bzw. auch unsere Produkte. Und da ist man darauf aufmerksam geworden, dass man gesagt hat, wir gucken uns mal die Interaktion auf Instagram an und da ist bei rausgekommen, dass Kaufland zum Beispiel mit dem eigenen Content 609.000 Likes generiert hat und mit dem Creator-Content auf einmal 961.000. Und man sieht an der Stelle, dass das die Interaktion auf Instagram dementsprechend größer waren mit dem Influencer. Aber da geht es letztendlich um Interaktion, da geht es um Likes und Kommentare usw., wenn ich mir aber mal die Gesamtreichweite anschaue, dann sehe ich auf einmal, dass Kaufland in dem Bereich, was eigentlich die Gesamtreichweite angeht, mit dem eigenen Content wesentlich besser dasteht als mit dem Creator-Content. Also man hat gemerkt, Kaufland erreicht mit seinem eigenen Content mehr als der Creator, aber kriegt halt weniger Likes. Und da sieht man mal, was es eigentlich bedeutet, zwischen Reichweite und Interaktion dementsprechend nochmal zu unterscheiden. In dem Bereich bist du auch immer sehr stark unterwegs und analysierst solche Dinge und schaust dir an, was so in dem Bereich los ist. Wie hast du die Zahlen, die ich da jetzt bei uns in unserem Skript mal reingestellt habe, wie hast du die wahrgenommen?
Heike Scholz: Als ich die die ersten Zahlen, die du als erstes sagtest, in absoluten Zahlen also Interaktionen auf Instagram bei Kaufland von gut 600.000 zu 960.000 bei den Creatorn gesehen habe, habe ich mich sofort gefragt, wie viel Creator waren das? Was haben die gemacht? Sind da Kampagnen gefahren worden und und und. Also die ganzen Fragen poppten bei mir auf. Und natürlich wie ist es denn pro Post? Also wie erfolgreich ist denn ein einzelner Post gewesen? Weil in absoluten hunderttausender Zahlen Likes und Kommentare zu zählen ist das eine, das andere ist eben, wie erfolgreich ist der Post? Und da hast du ja auch Kaufland mit rausgegriffen. Da waren dann doch auf den einzelnen Post bezogen, die direkten Posts von Kaufland selbst etwas erfolgreicher als die von Creatorn. Nichtsdestotrotz zeigen diese Statistiken auch sehr gut, wenn man dann viele Fragezeichen hat, dass das, wie wir das früher mal genannt haben, User-generated Content, tatsächlich aber auch Wirksamkeit entfalten kann. Man muss sich Zahlen immer genau angucken, aber auf der anderen Seite ist es eben auch der Hinweis, dass man Communities bilden soll, dass man seine Kundinnen und Kunden dazu auffordert, mach doch mal was mit unserem Inhalt. Wie geht es euch mit unseren Produkten? Erzähl doch mal darüber! Und eben genauso gut auch mit professionellen Influencern zusammenzuarbeiten. Also es ist tatsächlich nicht so, dass dieser Creator-Content nichts bringt. Aber jetzt sind wir wieder bei der Data Awareness, man muss sich die Zahlen eben auch genau ansehen.
Frank Rehme: Genau. Und noch so ein Fall von Data Awareness ist, wir haben jetzt gerade nur von Instagram geredet, die Gesamtreichweite auf TikTok und da schlägt der eigene Content den Creator-Content um ein Vielfaches bei allen. Kaufland, Aldi Nord, Rewe, Lidl, Aldi Süd, Edeka ist alles deutlich höher als der Creator-Content. Und jetzt muss man wieder Data Awareness aufpassen, vielleicht werden gar nicht so viele Creator eingekauft und deshalb läuft der eigene viel, viel besser. Kann natürlich auch dieses Thema wieder sein, Data Awareness. So, aber jetzt komme ich eigentlich mit der Sache, die ich hauptsächlich rüberbringen wollte und zwar reden wir letztendlich nur über Reichweite und über Interaktion, aber nicht über Conversion. Und eigentlich soll es ja darum im Endeffekt letztendlich gehen, dass man weiß, mit welchem Creator oder Influencer, je nachdem wie man die nennen will, verkaufe ich eigentlich am besten. Und da ist mir etwas aufgefallen, als wir im Januar auf einer NRF-Show waren in New York, da habe ich ein Startup kennengelernt und die waren richtig erfrischend. Die haben gesagt, pass mal auf, wir müssen eigentlich mal schauen, bei welchem Creator konvertiert welches Produkt eigentlich am besten. Und die haben mit einer KI die ganzen Verkäufe von Kreativen, also wenn die irgendwo an einer Plattform angeschlossen war, wenn sie die dann natürlich isoliert gemacht haben nicht, sehr stark, auch natürlich im Livestream-Shopping, mit welchem Creator konvertiert welches Produkt am besten? Und so kann man sagen dann als Anbieter, ich habe hier, ich sage mal, – einen MP3-Player gibt es gar nicht mehr, kann man gar nicht mehr kaufen, glaube ich.
Heike Scholz: Ich denke, der iPod kommt gerade wieder nur vom anderen Hersteller. Ich habe nur die Headline gelesen.
Frank Rehme: Ahh gut, ich sage mal irgendein Produkt, einen Lippenstift, bei welchem Creator funktioniert dieser Lippenstift am besten? Dann haben die die Auswertung davon und können schauen, welches Produkt in welchem Bereich besser funktioniert. Die haben mir eine wunderbare Geschichte gezeigt, auch dass ein Creator seinen Lippenstift da vorgestellt hat, aber was dann hinterher besser konvertiert hatte, war gar nicht der Lippenstift, sondern die Uhr, die diese Frau getragen hat, denn die haben ganz viele Anfragen gekriegt zu dieser Uhr. Und da hat man festgestellt, schau mal, da sind bestimmte Zielgruppen, die sich genau affin zeigen für dieses Produkt und hat dann gesagt, dann werden wir dieses Mal weiter da positionieren und wir sehen an der Stelle die Conversionrate von Influencern, die ist jetzt messbar geworden. Und das ist natürlich für viele Influencer, die eigentlich nur viele Follower haben, aus ganz, ganz anderen Gründen, weil sie irgendwie keine Ahnung ganz viel Haut zeigen oder irgendwie tolle Tänze können, nicht von Vorteil, denn dann merkt man auf einmal, dass die Produkte dort überhaupt gar nicht funktionieren und eigentlich der, der viel, viel weniger Reichweite hat, aber in der Conversion viel besser ist. Und so viel zum Thema Data Awareness. Reichweite alleine ist nicht alles, sondern man muss schauen, in welche Richtung was geht. Heike, aber du hast auch nochmal geguckt, was so in dem Bereich New Retail unterwegs ist und hast uns da nochmal etwas mitgebracht, was ich hochinteressant fand, wo ich mich erstmal erschreckt habe, muss ich auch sagen, weil ich die ganzen Sachen bisher nur immer als App irgendwo auf dem Handy hatte, aber noch nie richtig analysiert habe, ich irgendwann mal runtergeladen habe, weil man gehört hat, da musst du dich mal drum kümmern und du hast dich jetzt drum gekümmert.
Heike Scholz: Ja, ich habe mich ein wenig darum gekümmert, dass Temu in Deutschland gestartet ist, aber die Meldung ist jetzt ein paar Tage her. Die Apps sind in den einschlägigen App-Stores verfügbar und man kann da ein bisschen intensiver mittlerweile drauf gucken. Ich habe mal was mitgebracht, da hat die Internet World, wie gesagt, auch Link in den Shownotes, ein bisschen was dazu geschrieben. Das nehmen wir jetzt einfach mal als Intro für den Start in Deutschland: „Temu ist noch ein recht junger chinesischer Marktplatz, der wie einst Wish auf extrem billige Produkte setzt und mit einem hohen Gamification-Faktor auf junge Kundschaft zielt. Hinter Temu steht der chinesische E-Commerce Gigant Pinduoduo und damit jede Menge Werbekapital.“ Kleiner Einschub von mir Pinduoduo macht so round about 19 Milliarden US-Dollar Umsatz im Jahr, also dass man mal so ein bisschen Größenordnung weiß, wer steht eigentlich hinter Temu. Weiter In dem Artikel der Internet World: „Zur Eröffnung in Deutschland bietet Temu Rabatte, die schmerzhaft für das Budget sein müssen. 8 € Rabatt bei Warenkörben ab 60 €, 20 € Rabatt ab 100 €, 40 € ab 150 € Einkaufswert. Auch Versandkosten werden gerade als kostenlos beworben mit einer Versanddauer von durchschnittlich einer Woche und einer Rücknahmegarantie innerhalb von 90 Tagen. In Deutschland scheint das Ambassador-Programm zwar nicht verfügbar zu sein, dafür können Kundinnen aber auch durch Weiterempfehlungen mit dem Suchbegriff Free Gifts Artikel im angeblichen Wert von 100 € erhalten.“ Bis hierhin die Internet World. Also da steht natürlich sehr viel mehr noch in dem Artikel und man kann über Temu auch sicherlich noch einiges sagen. Das, was wirklich auffällt hier dran, ist ganz klar Fokus auf eine junge Kundschaft. Und das ist ja das, worüber wir uns alle Gedanken machen müssen. Wie werden wir in Zukunft einkaufen? Und das zeigen schon immer die jungen Leute ganz gut, wie es in Zukunft laufen könnte für mehr Menschen als nur die Jungen, kommen dann ja neue Junge. Also sehen wir hier ganz klar, es ist ein Discovery-Shopping. Das heißt, ich gehe nicht zu Temu, weil ich weiß, was ich haben will, dann werde ich wahrscheinlich zu Amazon oder Zalando oder Uber gehen, sondern Temu ist reines Impulskaufen. Ich weiß noch gar nicht, was ich kaufen will und geh zu Temu und dann kommt die ganze Inspiration. Da kommt eine unglaubliche Gamification auf mich zu, bis hin zu Pyramidenspielen. Werbe drei oder fünf andere, dann kriegst du nochmal einen Rabatt. Also alles ist nur darauf ausgelegt, auf Klick und weiterklicken und sich zu verlieren in diesem Shoppingsystem, also ein wohlgeordneter Produktkatalog, den gibt es da nicht, dafür gibt es da Turnschuhe für 2,50 €. Wir alle können jetzt lächeln und sagen, das ist alles China-Ramsch, wer will das schon? Ich habe das auch nicht mitgebracht, weil ich der Meinung bin, dass das ein unbedingt nachhaltiges oder anstrebenswertes System wäre, Wish ist damit auch nur bedingt weitergekommen, aber das, was man letztendlich an solchen Dingen immer lernen kann, ist das, wie gehen junge Menschen mit so etwas um? Also was machen die eigentlich? Da kann man sich TikTok angucken, dann staunt man schon sehr und Temu ist auf TikTok wahnsinnig präsent. Und schafft es dort tatsächlich, die Leute zu aktivieren, dass sie die App runterladen und dass sie dort einkaufen gehen. Also ich bin ja auch eine alte Frau, ich verstehe das nicht und ich möchte so nicht shoppen, aber ich bin auch nicht die Zielgruppe. Wenn sie aber oder ihr die Zielgruppe sehr junger Leute habt, sagen wir mal 16 bis 29 irgendwo in dem Dreh, dann ist das tatsächlich etwas, was ihr euch angucken müsst. Denn dieses Discovery-Shopping, ich weiß gar nicht, was ich haben will, gehe aber garantiert mit einem gefüllten Warenkorb raus, das ist das, was die jungen Leute tatsächlich suchen. Plus das ganze Social Media-Entertainment auf TikTok. Ja, Frank, lädst du sie dir runter die App?
Frank Rehme: Also, ich habe schon reingeguckt. Ich bin auch nicht Zielgruppe, habe ich festgestellt. Ein kleines bisschen Qualitätsanspruch an der Ware hätte ich dann doch. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Superpiloten-Sonnenbrille für 2,20 € erstmal gesund ist für die Augen, aber auch lange hält. Heike, mich hat dieses ganze Thema natürlich auch an etwas erinnert, was ich auch im stationären Bereich sehe und zwar gibt hier so Läden, um einen zu nennen, Action. Da geht man rein, nicht weil man etwas sucht, sondern weil man sich einfach mal überraschen lässt, was da ist. Die Produktqualität ist vergleichbar mit dem, was wir da sehen. Aber irgendwie kauft man doch immer was ein, wenn man da drin ist. Und wenn da nur ein Handy-Ladegerät ist, was für 6 € drei Anschlüsse hat. Also kann man immer mal brauchen.
Heike Scholz: So nach dem Motto es sind wie die 1 €-Läden. Die Sachen sind teilweise sogar sehr teuer in den 1 €-Läden, aber es kostet halt alles 1 € und woanders würde man weniger als einen Euro bezahlen. Man kauft es trotzdem, also ist es ist schon das, was man jetzt Discovery-Shopping nennt. Eigentlich brauche ich gar nichts, ich gehe da trotzdem mal rein und ich komme garantiert mit irgendwas raus. Und das macht Temu wirklich in Perfektion. Nun ist es so, dass natürlich, wenn so Apps schon ein bisschen länger draußen sind, guckt man sich nochmal die Rezensionen an, das habe ich getan und da sind, sagen wir mal, drei große Kritikpunkte, die von den Nutzenden dort hinterlassen werden. Das erste ist tatsächlich, es ist Scam, sprich Pyramidenspiele, Goodies, die ausgelobt werden. Sie werden immer von einer Seite auf die nächste Seite, auf die nächste Seite, auf die nächste, nächste und übernächste Seite geleitet. Und Sie wollen eigentlich überall erstmal was kaufen, bevor sie dann eigentlich an die versprochene Incentivierung kommen. Das ist auch unter rechtlichen Gesichtspunkten hier in Europa äußerst fragwürdig, was da gemacht wird. Und das ist auch der größte Vorwurf, den eigentlich die Nutzenden machen. Der zweite sind ungenaue Preisauszeichnung, aber auf der Übersicht hat das Produkt einen Preis. Einer schrieb in einem Kommentar: „Eine Drohne für 16,50 €.“ Ich meine gut, wer billig kauft, kauft immer zweimal. Also „Eine Drohne für 16,50 €, da entpuppte sich dann, das war der Preis für die Batterien.“ Also da auch sehr viel Kritik, dass die Preisauszeichnung dort nicht korrekt vorgenommen wird. Und das dritte natürlich, wir wissen es, es ist China-Ware. Die Produktdarstellung und Produktqualität korrelieren nicht unbedingt miteinander, sondern es kommt halt dann doch ziemlich viel Schrott, der ganz anders aussieht, als auf den Fotos dargestellt war. Klassisch, das hatten wir auch erwartet. Aber auch die beiden anderen Sachen tragen mit dazu bei, dass wir natürlich erstmal warten müssen. Schafft es Temu wirklich relevant zu bleiben? Im Moment sind sie mit einem irrsinnigen Werbedruck unterwegs und wollen Reichweite aufbauen. Ob das so bleibt, ob das Ganze dann auch wirklich ein Erfolg wird, auch das werden wir sicherlich abwarten müssen. Aber nichtsdestotrotz denke ich, dass man sich das angucken muss, denn wir haben diese Systeme. Shein ist es ja im Textilbereich, aber man hatte nicht so gute Zahlen und man hatte schon wieder den Untergang auch von Shein besungen. Das ist aber so nicht erschienen, eröffnet im Moment in Europa 30 Pop up-Stores. Das heißt, Shein geht tatsächlich auch in die Fläche, um ihre Marke auch erlebbar zu machen und für andere Zielgruppen zugänglich zu machen und haben in Irland jetzt das EMEA Headquarter eröffnet. Der Shop in Dublin wird täglich nach Angaben von Shein von 4000 Shoppern besucht. Also auch hier sehen wir, dass sich der Erfolg auch ins Stationäre übertragen lässt und ob Temu auch mal stationär sein wird oder eher in die Richtung, wie die eigene Muttergesellschaft Pinduoduo gehen wird, die zum Beispiel ad hoc Einkaufsgemeinschaften gebildet hat. Dass wir da tatsächlich sagen können, wenn sich genug Käufer finden, so eine Art Crowd-Shopping entwickelt, wenn genug da ist, dann wird das Produkt produziert und kann ausgeliefert werden. Das macht Temu noch nicht, wird aber sicherlich auch kommen noch. Und das, was wir eben noch sehen müssen bei Temu, ist tatsächlich, dass sie es schaffen, Communities aufzubauen. Auch durch diese Schneeballeffekte, lade noch deine Freunde ein, für uns, gerade in Deutschland, hat das immer so ein Geschmäckle, so dieses Einladen und dann seid ihr alle zusammen. Aber es ist das, was Marken nun schon seit Jahren machen, versuchen eigene Communities aufzubauen. Und hier tut es einfach einen Online-Händler wirklich in Reinkultur.
Frank Rehme: Also du hast gerade wunderbar gezeigt, wie die einen immer dazu verleiten, immer noch etwas länger da zu bleiben und noch mehr zu kaufen. Da wird aber bald, glaube ich, ein Riegel vorgeschoben vor diese Machenschaften. Ich weiß von meiner Arbeit im Handelsverband, dass in der EU grade eine Verordnung diskutiert wird zur Vermeidung von Dark Pattern, so heißt das Ganze, ist praktisch ein Design von Stores und Shops, das darauf ausgelegt ist, die Benutzer zu Handlungen zu verleiten, die ihren eigenen Interessen eigentlich entgegenstehen. Und da geht es um Verknappung, du kennst das wahrscheinlich auch von den Buchungsportalen „Nur noch drei Zimmer“. Und da will man jetzt irgendwie langfristig auch einen Riegel vorschieben. Da gibt es natürlich auch Verbandsdiskussionen, was man der EU da dementsprechend empfehlen oder abraten möchte. Aber wenn du dir diese ganzen Geschichten hier anschaust, die da passieren, dann erinnert mich das sehr stark auch an Spieleentwickler. Die Shops sind praktisch nach dem Thema der Spieleentwickler gebaut worden, denn ich habe mal mit Spieleentwicklern gesprochen und die gucken nicht welches Spiel, wenn die anfangen sollen ein Spiel zu entwickeln, ist eigentlich das, was die Menschen am meisten begeistert, weil sie da tolle Punkte machen können oder die können da keine Ahnung abballern oder Rennen fahren oder so. Nein, dann schaut man zuerst mit Psychologen, wie macht man Menschen am besten abhängig von einer Sache und danach werden dann die Spiele entwickelt. Und genauso ähnlich sieht man das unter anderem auch unter der Zuhilfenahme von diesen Dark Patterns sehr stark, auch im Retail-Bereich untergeht. Die Chinesen, seit TikTok wissen wir ja alle, man guckt da mal kurz rein und dann sind zwei Stunden rum, haben sehr stark natürlich entdeckt, wie man die Leute an der Nadel hält.
Heike Scholz: Das tun ja schon alle, also auch alle Social Media-Plattformen machen das. Der nächste Klick ist halt das, was wir suchen und der nächste Kick, das nächste Mal Dopamin, dass wir irgendwie bekommen, wenn wir was gefunden haben oder wenn wir was gesehen haben oder wir gesehen wurden oder wir was spielen können. Wie gesagt, ich will auch nicht sagen, dass das, was Temu macht, ich alles gut finde oder dass ich das für richtig halte, was dort getan wird. Aber immer Vorsicht, ich halte es für ein Lehrstück, dass wenn man im Handel arbeitet, sich angucken muss, um zu verstehen, wie gut solche Unternehmen heute schon die Trigger setzen können bei jungen Menschen. Ob das moralisch okay ist, das lasse ich jetzt hier mal offen. Dazu sagen wir jetzt einfach mal nix, da wird es auch, wie du ja sagst, Regelungen geben. Es ist aber tatsächlich für mich wieder ein Lehrstück, um zu verstehen, wie Shopper ticken. Und hier sind es die Jungen, die tatsächlich so etwas wollen und mögen. Das soll keine Blaupause sein, sondern wir sollen es nur verstehen. Was ist eigentlich bei den jungen Leuten los und was erwarten die von uns? Und zwar online und stationär? Das ist jetzt Temu, nur weil es ein reiner Online-Händler ist, das der Stationäre abtun und sagen kann, das betrifft mich nicht, sondern auch die sollten da mal gucken. Das ist für mich das Wichtige, dass wir uns solche Sachen immer angucken und kritisch angucken, um daraus zu lernen, auch für das eigene Geschäft.
Frank Rehme: Du hast gerade etwas so angedeutet, was ich nochmal ein bisschen vertiefen möchte. Und zwar diese Formate konditionieren unseren Kundennachwuchs. Das bedeutet, dass mit einer klassischen Konditionierung, sorry, mit klassischen Stores, die werden als langweilig empfunden und machen überhaupt gar keinen Umsatz mehr, weil die Anforderung, letztendlich irgendwo aktiviert zu werden, immer höher wird. Und jetzt mal ehrlich gesagt, Heike, wir haben schon oft drüber gesprochen, die meisten Produkte, die in den Läden liegen, werden doch überhaupt nicht gebraucht. Wir verkaufen doch in volle Schränke, in volle Regale. Wir sind auf dieser Maslowschen Bedürfnispyramide so weit hochgeklettert, dass wir viele Sachen gar nicht mehr brauchen, die da sind. Und natürlich muss der Handel dann die Bedarfe künstlich schaffen, indem er natürlich zu solchen Mitteln greift. Wo gerade für diese 2, 3 € Produkte die da sind, da ist natürlich der Need, der Druck sehr stark in die Richtung Umsatzsteigerung zu gehen, noch viel höher.
Heike Scholz: Ja, natürlich. Und das ist der eine Aspekt letztendlich, dass wir Überkonsum haben und das andere ist, wenn ich noch das Thema Nachhaltigkeit damit reinbringe, dann können wir gleich sagen, bloß nicht kaufen in so einem Laden. Dann werden aber auch alle Fast Fashion-Läden platt. Wir haben halt ein Problem, dass wir immer weiterwachsen müssen. Und wenn dann die Schränke voll sind, wie bei uns, dann muss man uns eben Gründe geben, doch weiter zu kaufen und damit weiter Wachstum hergestellt werden kann.
Frank Rehme: Ja gut, die Gesellschaft werden wir nicht ändern, aber was wir jetzt ändern werden, ist die Freizeit der Leute. Denn wir machen jetzt Schluss, würde ich sagen. Ich glaube, die Lage im Handel ist ausgiebig gut besprochen. Aktuell das, was wir für bemerkenswert fanden. Wir freuen uns auf die nächste Folge. Gibt uns mal ein Feedback wie ihr diese Art des Podcasts, wo wir Themen beleuchten und mal ein bisschen auseinandernehmen, wie ihr das Ganze fandet. Schreibt es gern in die Kommentare rein, ihr könnt uns auch ruhig anrufen. Auf unseren Webseiten findet ihr immer sehr gut die Nummern. Und ja, dann würde ich sagen Heike, du hast das letzte Wort.
Heike Scholz: Ich habe das letzte Wort, das ist lieb von dir. Es hat mir viel Freude gemacht. Feedback oder auch Themen, wenn ihr Themen habt, wo ihr sagt, dass müsst ihr mal aufgreifen oder ich habe in der Presse gelesen, das ist ja eine Katastrophe und greift das mal auf. Also bitte füttert uns auch mit eurem Input. Es war mir eine Freude und ich wünsche euch jetzt allen noch einen wundervollen Tag.
Hier die Shownotes zur aktuellen Folge
Unterstützer von Zukunft des Einkaufens werden: zukunftdeseinkaufens.de/unterstuetzer/
Bericht über die IFO Studie zu Corona Auswirkungen www.br.de/nachrichten/wirtscha…stadtzentren,TdeS4aL
Interview mit ChatGPT zur Beratung: www.telecom-handel.de/point-of-sale/…n-2853056.html
Zalando nutzt ChatGPT für Beratung: t3n.de/news/fashion-assistan…ten-beartung-1547808/
Start von Temu in Deutschland: www.internetworld.de/online-marktpl…n-2857718.html
Diskussion bei Alexander Graf, CEO von Spryker: www.linkedin.com/feed/update/urn:…7394156724224%29
Pinduoduo mit C2M: blog.lengow.com/de/e-commerce-tre…-commerce-leader/
Shein eröffnet 30 Pop-up Stores (Pressemeldung) sheingroup.com/corporate-news/sh…s-in-dublin-city/
LZ Bericht Wie der LEH von Influencern und Markenfans profitiert (Paywall)
www.lebensmittelzeitung.net/handel/nach…iert-171161
Startup auf der NRF, das die Effizienz von Content Creators analysiert logie.ai
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