Neue Chancen im stationären Handel mit der 4 A Strategie
Der erste Internet Online Kauf im Jahre 1994 liegt schon lange zurück. Seitdem hat sich viel getan in der Welt der Digitalisierung und somit auch im stationären Handel. Plakate mit der Aufschrift „Wir haben geschlossen“ sind keine Seltenheit mehr. Unabhängig davon, ob wir von Geschäften auf dem Land oder in der Stadt sprechen. Eine Renaissance der Großflächen wurde durch den NonFood Bereich geboostet.
Covid hat es geschafft
Die weltweite Covid-19 Pandemie hat diese Situation verstärkt. Dies hat viele Händler in große finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Auch ganze Existenzen mussten durch die langanhaltende Situation aufgegeben werden. Als Ergebnis können wir in den Innenstädten immer mehr leere Verkaufsflächen wahrnehmen. Die Verbraucher beschränkten während der Pandemie Ihre Kontakte auf ein Minimum. Ein Einkauf in Geschäften außerhalb des Lebensmittelhandel war lange nicht möglich. Wo also während dieser Zeit Produkte erwerben welche keine Lebensmittel sind?
Werfen wir einen Blick auf das heutige Berufsleben erkennen wir, dass auch hier die Digitalisierung vieles möglich macht. Wir können heute von jedem Ort der Welt arbeiten und sind rund um die Uhr erreichbar. Vor 50 Jahren noch haben wir Briefe verschickt und mit viel Glück innerhalb einer Woche eine Rückantwort erhalten. Heute schreiben wir eine e-mail und haben nach wenigen Minuten möglicherweise 10, 20, 30 oder mehr zurück. Nicht nur die Komplexität auch die Vielzahl an Themen hat im Digitalen Zeitalter zugenommen. Fluch und Segen können so nah beieinander liegen ! Was für die Babyboomer gar kein Thema war, ist für die heutige Generationen wichtiger als je zuvor. Einerseits ist die digitale Kommunikation 24/7 nicht wegzudenken. Andererseits ist Frei(zeit) zu einem wertvollen Gut geworden: Zeit für sich selbst, für seine Hobbies oder für die Familie hat an Stellenwert stark zugenommen.
Jede Niederlage bietet Chancen: Wo im stationären Handel und vor allen Dingen in welchem Konzept könnten diese liegen?
Fassen wir zusammen scheint der Endverbraucher Geschäfte zu favorisieren die sowohl Lebensmittel, nicht Lebensmittel (Nonfood) als auch Drogerie Sortimente führen. Gleichzeitig sollen die Verkaufsflächen ein großes Menschenaufkommen verhindern und wenn möglich ein breites Produktportfolio anbieten. Welches stationäre Konzept zahlt auf diese Verbraucherwünsche ein? Genau, das sind die:
Die Großflächen des 21. Jahrhunderts !
Sie hat in den letzten Jahren bereits an Attraktivität gewonnen und während der Pandemie hat sich ihre Beliebtheit zunehmend beschleunigt. Mit der richtigen Strategie bietet Sie enorme Vorteile:
- Parkplätze stehen kostenlos zur Verfügung
- Die Lebensmittelsortimente sind breiter als beim Supermarkt um die Ecke
- Nicht Lebensmittelprodukte (Nonfood) können ebenfalls erworben werden
- Regionale und lokale Produkte gehören mittlerweile zum Standard
- Kundenservice wird noch großgeschrieben
- Selbst hergestellte Gerichte zum Verzehr im Markt sind möglich
- Verkostungsangebote oder Kinderevents werden mancherorts angeboten
- Hauseigene Produktion wie Bäckerei und Metzgerei
Wer also mehr Zeit für sich oder die Familie haben möchte investiert ein Teil seiner Freizeit in den guten alten Großeinkauf. Der Lebensmitteleinkauf ist unumgänglich, wieso also nicht gleich auch die wichtigsten nicht Lebensmittelbedarfe (Nonfood) decken. Neben haushaltsnahen Produkten wie dem „Schneebesen“ bis hin zum High Tech Elektrogerät – dem „sprachgesteuerten Staubsauger“ – ist alles erhältlich. Auch in der verstärkten Home Office Phase war die Großfläche gerne genutzt für Kopierpapier, Drucker oder Jogginghose und Hausschuhe.
Die 4 A´s als Erfolgskriterium
Ein besonderer Mehrwert wird dem Kunden durch vielerlei Serviceangebote offeriert. Sei es die Nutzung der Onlineplattform des Händlers direkt im Markt zur Bestellung weiterer nicht vor Ort vorhandener Produkte oder ein Lieferservice des gesamten Produktportfolios direkt nach Hause. So bequem und leicht die Digitalisierung erscheinen mag, hat der Kunde immer noch den Wunsch, die Produkte live erleben zu wollen. Dies wird unter anderem möglich gemacht, indem der Händler eine breite Palette an großvolumigen nicht Lebensmitteln (Nonfood) auf der Fläche bereitstellt, welche der Kunde nicht nur anfassen und erleben kann, sondern auf Wunsch auch noch beraten wird. Dazu zählen beispielsweise Matratzen, Kühlschränke, Waschmaschinen oder große Fernseher. Nach dem Motto live anfassen, einfach anliefern und anschließen sowie Altware abtransportieren lassen kann der Kunde seine nicht Lebensmitteleinkäufe tätigen.
Pflichteinkauf „Adieu“ – Erlebniswelt „ich komme“
Die Chance der Händler steckt darin unangenehme, aber lebensnotwendige Tätigkeiten mit angenehmem zu verbinden. In der Großfläche ist dies durch das Erschaffen von Erlebniswelten möglich. In vielen Artikeln zum Thema 3. Ort habe wir das bereits beschrieben!
Unsere Autorin: Christine Mengelée ist Diplom Betriebswirtin und Führungskraft eines international operierenden Konzerns
Bild von David Mark auf Pixabay
Liebe Christine,
ein sehr interessanter Ansatz – das beschriebene Portfolio würden ja eigentlich durch Einkaufszentren erfüllt sein oder sollte hier die Renaissance der guten alten Warenhäuser gemeint sein? Das grundsätzliche Konzept der Einkaufszentren ist es doch, das Dringliche (Grundbedürfnisse wie Lebensmittel etc.) mit dem Nützlichen und Angenehmen an einem Ort zu vereinen. Da gibt es natürlich in der Qualität des Konzepts und der Präsenz sehr unterschiedliche Beispiele, und ich kann hier nur vom österreichischen Markt sprechen. Aber wenn man sich diese Einkaufzentren ansieht, dann haben die Betreiber große Mühen die sinkende Kundenfrequenz einzubremsen, von erhöhen gar keine Rede. Hier sind ständige Investitionen in neue Attraktionen von Nöten um Kunden noch halbwegs locken zu können.
Den Servicegedanken der 4As teile ich absolut, genauso wie es heute unumgänglich ist, Omni-Channeling als Geschäftsmodell zu verstehen. Und hier sehe ich manches Manko, vor allem bei Großflächen der Branchen Möbel, Mode, Schuhe. Auch hier gilt wieder die Sicht aus der österreichischen Marktbrille. Viele betreiben noch immer ihr Modell aus den 70er und 80er Jahren (mehr Fläche um dem Kunden mehr bieten zu können). In den Neunzigern überschlugen sich ja die Superlativen in den Marken-Logos (Mega, Ultra, Big, XXXL etc.). Auf Grund der sinkenden Kundenfrequenzen und der eher steigenden Betriebskosten wird das Konzept zunehmend zum Hemmschuh, weshalb ich denke, dass hier das Geschäftskonzept völlig neu gedacht werden muss.
Schöne Häuser, eine nette Ausstellung, und nach wie vor zu denken, den Kunden mit coolen Produktpräsentationen zu locken, mag bei manchen Unternehmen noch funktionieren aber es wird nicht die Zukunft des Einkaufens sein. Einkaufen alleine, ist meiner Ansicht nach heute zu wenig, das können Kunden bequem vom Sofa aus, und auch die Inspiration funktioniert bei machen Online-Anbietern schon sehr gut und grenzt am Erlebnis, wenn auch nur digital.
Der so oft zitierte Erlebniseinkauf sollte alle 5 Sinne ansprechen und verschiedene Disziplinen vereinen, wo der Einkauf per se nur ein Teil davon ist. Das soll heißen, der Mix sollte wenn möglich Kultur, Kunst, Kulinarik, (Er)Forschung, Unterhaltung, Wissen&Arbeit…, an einem Ort – wohl kuratiert – vereinen. Genau hier sehe ich die Chancen für die Warenhäuser, wobei die eher in den Innenstädten angesiedelt sind und damit die Parkplatz-Thematik wieder aufpoppt. Ich weiß allerdings nicht, wie es aktuell um solche Kaufhäuser, wie Ka-DE-WE, Galeria Kaufhof etc. steht?
Vielen Dank lieber Sascha für deine Nachricht.
Es freut mich sehr, dass mein Beitrag dein Interesse geweckt hat.
Auch in Deutschland haben Märkte mit Verkaufsflächen größer 5.000qm Probleme produktiv zu sein, sofern sie nicht das richtige Konzept haben.
Ich persönlich bin der Meinung, dass die großen Märkte wieder in Mode kommen. Warum?
Lebensmitteleinkäufe sind nach wie vor ein „lästiges“ Übel. Kann dies mit angenehmen Dingen verbunden werden, so wie es es vorschlagen mit den 5 Sinnen, und somit Spaß machen.
Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel miteinander verbinden, Vorführungen, Produkttests, Mittagessen, Shop in Shop Geschäfte, Kundenberatung usw. beleben den einfachen Einkauf.
Die großen Märkte brauchen passgenaue Strategien, etwas was man im normalen Supermarkt nicht erhält.
Ich bin seit 4 Jahren für die großen Flächen der REWE Group zuständig und weiß, dass es ein hartes Geschäft ist, aber sehr viel Potential bietet.
Vielen Dank für den Austausch Sascha