Ladendiebstahl: Die unterschätzte wirtschaftliche Gefahr
Inventurdifferenzen gelten im Handel oft als unvermeidbares Übel. Eine stille Größe, mit der man leben muss. Die aktuelle EHI-Studie „Inventurdifferenzen 2025“ zeigt jedoch, dass sich diese Haltung nicht mehr halten lässt. Die Verluste durch Diebstahl nehmen zu. Besonders alarmierend ist die Professionalisierung der Tätergruppen.
Verluste steigen, Sicherheitskosten ebenfalls
Im Jahr 2024 beliefen sich die Inventurdifferenzen im deutschen Einzelhandel auf rund 4,95 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anstieg um 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bezogen auf den Nettoumsatz der Branche liegt der Anteil der Verluste nun bei 0,64 Prozent. Der volkswirtschaftliche Steuerschaden liegt laut EHI bei rund 570 Millionen Euro.
Die mit Abstand größte Schadensquelle bleibt der Diebstahl durch Kund:innen. Er verursacht etwa 2,95 Milliarden Euro. Weitere 890 Millionen Euro gehen auf das Konto interner Täterinnen aus dem eigenen Personal. Rund 370 Millionen Euro entfallen auf externe Dienstleister wie Reinigung oder Security. [Quelle: EHI Retail Institute, Juni 2025]
Organisierte Tätergruppen gewinnen an Bedeutung
Rund 1 Milliarde Euro der Verluste werden laut EHI durch bandenmäßig organisierten Diebstahl verursacht. Der Anteil dieser Tätergruppen ist gegenüber dem Vorjahr weiter gestiegen. Diese Täter agieren gezielt, arbeitsteilig und mit hoher krimineller Energie.
Sicherheitskosten belasten die gesamte Branche
Der Einzelhandel reagiert zunehmend mit höheren Sicherheitsbudgets. Im Durchschnitt wenden die Unternehmen 0,33 Prozent ihres Umsatzes für Sicherheitsmaßnahmen auf. Dies entspricht etwa 1,6 Milliarden Euro. Zählt man interne Maßnahmen wie Schulungen oder Kontrollsysteme hinzu, steigen die Gesamtkosten auf 3,1 Milliarden Euro. Nach Berechnungen des EHI führen diese Aufwendungen zu einem kalkulatorischen Preisaufschlag von rund 1,5 Prozent.
Ein Viertel der Handelsunternehmen hat seine Sicherheitsausgaben im letzten Jahr bereits erhöht. Die Mehrheit geht davon aus, dass weitere Investitionen notwendig sein werden, um der Entwicklung entgegenzuwirken.
Wer zahlt wofür?
Ein erheblicher Teil der Verluste entsteht nicht durch externe Täter, sondern im eigenen Haus. Nach Berechnungen des EHI ist etwa jeder fünfte Euro Schaden auf das eigene Personal zurückzuführen. Dennoch werden die Gesamtkosten aus Inventurdifferenzen und Sicherheitsaufwand weitgehend an die Kund:innen weitergegeben. Daraus ergibt sich ein Preisaufschlag, der nicht nur durch extern verursachte Risiken motiviert ist, sondern auch unternehmensinterne Defizite einpreist.
Ob dieser Aufschlag in der aktuellen Höhe gerechtfertigt ist, lässt sich aus den verfügbaren Zahlen nicht ableiten. Doch die Frage bleibt: Müssten Unternehmen für intern verursachte Schäden nicht auch stärker intern Verantwortung übernehmen, statt sie in vollem Umfang an die Kund*innen weiterzureichen?
Fazit: Ein strukturelles Problem mit politischer Dimension
Die EHI-Zahlen zeigen klar, dass Ladendiebstahl kein Randphänomen ist. Die Verluste betreffen nicht nur den Handel, sondern auch Steuerzahlende und Konsument:innen. Die zunehmende Professionalisierung der Tätergruppen stellt den Einzelhandel vor wachsende Herausforderungen.
Die bisherigen Gegenmaßnahmen setzen vor allem auf Technik und Kontrolle. Ob das ausreicht, bleibt fraglich. Es braucht zusätzlich politische Rahmenbedingungen, die präventiv wirken und gleichzeitig klare strafrechtliche Konsequenzen ermöglichen. Der Handel kann das Problem nicht allein lösen.
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