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Frank Rehme

Hat der deutsche Handel den nötigen Mut und Ausdauer für neue Wege?

11. Februar 2020 / Von Frank Rehme / Lesedauer: 3 Minuten 18 Sekunden
Mut

Um die Antwort einfach mal vorwegzunehmen: Ja hat der deutsche Handel! Aber nicht jeder und auch nur unter bestimmten Bedingungen, dazu aber später mehr. Zuerst aber ein paar Beobachtungen aus der Branche:

  • Stolz erklärt Kaufland im Oktober 2016 den Start des Lieferservices für Lebensmittel in Berlin. Am 8. Dezember 2017, also 14 Monate später, bekommen die Kunden aber die Mitteilung, dass der Service (O-Ton: „Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit …. sich ein Lieferservice im Lebensmittelbereich auf Sicht nicht kostendeckend betreiben lässt“) zum 23.12.2017 eingestellt wird.
  • Szenenwechsel: Im April 2015 startet Peek & Cloppenburg den Curated Shopping Service „Stilbox“. Aus über 300 Outfits können sich die Kunden nach dem Modomoto oder Outfittery Rezept spezielle Outfits liefern lassen. Im Januar 2016 (also 9 Monate später) wird das Konzept wieder eingestellt. Im März wurden dann die Kundenkarten-Besitzer angeschrieben, an dem stationär begleiteten Shopping teilzunehmen (Wir berichteten). Auf unsere Nachfrage im Sommer wurde mitgeteilt, dass der Pilot wieder eingestellt wurde. Nach 4 Monaten hat man den Versuch aufgegeben, den Kunden mit neuen Services zu begeistern.
  • Blicken wir noch einmal weiter zurück: Metro wollte im Jahr 2000 die eCommerce Plattform fürs Gastgewerbe werden. Dafür wurde eigens eine Online-Tochter namens dayconomy gegründet. Der Plan war, zum Marktführer bei kleinen und mittelständischen Betrieben in Gastronomie und Hotellerie zu avancieren. Man versprach den Teilnehmern Effizienzsteigerung und Kostensenkung durch massive Zeitersparnis beim Einkaufen und Nachordern. Zudem fand man gleichzeitig Hilfe zur Planung von Personaleinsätzen, Anleitung für Marketingaktionen sowie Infos rund um Neuheiten im Segment. Ein Jahr später wurde das Projekt wieder eingestellt.

Note für Experiementierfreude: 1, für das Durchhaltevermögen: 6

Handel ist Wandel, diesen Satz kann eigentlich keiner mehr hören, auch wenn er noch nie so gültig war wie heute. Was allerdings immer wieder zu beobachten war: Die Veränderungsdynamik auf der Beschlussebene ist oft größer als auf der Umsetzungsebene. Bevor ein Konzept überhaupt in der Lage war, seine Nachhaltigkeit zu beweisen, wurde es schon durch ein neues ersetzt.

Gerade bei Konzepten, die eine neue Konditionierung des Shoppers bedeuten wie Click&Collect, Lieferservice und Curated Shopping gilt das Gleiche wie bei Unternehmens-Neugründungen: Man braucht mindestens 3-5 Jahre, bis die Marktakzeptanz eines Konzeptes bewiesen ist.

Lieferservice kommt – so oder so.

Der deutsche Handel wird nicht bezweifeln, dass Lebensmittel-Lieferservice mittelfristig zum Portfolio eines jeden Händlers gehören wird. Amazon konditioniert die Kunden, darauf können wir uns verlassen. PicNic rollt von Westdeutschland aus die Republik auf. Die Frage ist nicht nur, wer dann die Kunden gebunden hat, sondern auch, wer die meisten Erfahrungen gesammelt hat. Liefererfüllung, Drop Rate und Touroptimierung sind nur ein paar Stichworte, die der klassische deutsche Handel nicht kennt und die neu gelernt werden müssen. Darum geht es in erster Linie, nicht um eine Profitabilität innerhalb von wenigen Monaten. Prozesswissen, Kundenzugänge und neue Logistikstrukturen sind Werte, die in klassischen Business Cases leider keine Betrachtung finden.

Kurzatmigkeit – ein Phänomen der großen?

Was auffällt: Gerade große Unternehmen haben wenig Geduld, wenn es darum geht, neue Konzepte zu etablieren. Ist das etwa eine verschobene Wahrnehmung, da über die neuen oder gescheiterten Konzepte der kleinen Händler wenig bis überhaupt nicht berichtet wird? Das kann man getrost verneinen, wie folgende Beispiele zeigen:

  • Der inhabergeführte Edeka Gebauer (hier das Interview mit dem Gründer) betreibt seit 6 Jahren ein regionales Click&Collect Konzept und startet aktuell mit einem Zustellservice.
  • Der inhabergeführte Edeka Zurheide betreibt seit Jahren mehrere Märkte mit einem breiten Gastro-Angebot. Jetzt betreibt er in Düsseldorf in einem rückgebauten Kaufhof einen Genusstempel auf 2 Etagen in einer Düsseldorfer A-Lage (wir berichteten). Vergleichbare Konzepte bei großen Ketten wurden nach kurzer Zeit eingestellt.

Was machen die Kleinen denn anders? Zwei Gründe sind die wichtigsten Formeln für nachhaltige Experimentierfreudigkeit:

  1. Inhabergeführte Formate sind näher am Kunden als klassische Regiemärkte, die von einem Headquater gesteuert werden. Die Ausnahme könnte dabei Globus und DM sein, bei der sehr viel Entscheidungsmacht im Store belassen wird.
  2. Inhabergeführte Formate sind auf „Enkelfähigkeit“ ausgerichtet. Man kann es sich schlicht einfach nicht leisten, in Konzepte zu investieren, die halbherzig aufgesetzt sind und nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden. Zudem weiß man dort zu gut, dass man auf Wettbewerber wie Amazon und Co. reagieren muss, um zu überleben.

Ein neues Konzept ist eine Neugründung. Behandle es auch so!

Neue Konzepte sind kein Pokerspiel, aus dem man aussteigt wenn man meint, keine guten Karten zu haben. Mut, Ausdauer und vor allem Investition sind Merkmale von echten Gründern. Echte Gründer sind vergleichbar mit Leistungssportlern. Sie denken nie an die Mühen des Trainings, sondern nur an den Moment, wenn man oben auf dem Treppchen steht und die Hymne bei der Medaillenübergabe ertönt. Viele Beispiele zeigen, wie man mit einer ausgesprochenen Gründer-DNA erfolgreich Kunden begeistert. Ist das vielleicht der Grund, warum sich viele große Händler einen Startup-Accelerator leisten? Wer weiß!

Beitragsbild: Pixabay

 

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Kategorie: Innovation & Trends
Schlagworte: Click & Collect
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