ZDE Podcast 207: Deep Dive Retail Media mit Silvia Talmon und Matthias Hofmann
Zukunft des Einkaufens Podcast Host Marilyn Repp taucht diesmal mit ihren Interviewgästen tief ein in das Trendthema Retail Media. Handelsexpertin Silvia Talmon und Retail Media Experte Matthias Hofmann erklären, warum Retail Media Networks für Händler:innen gerade jetzt ein unverzichtbares Tool werden.
Warum erweist sich „Totsparen“ in Krisenzeiten als schlechte Strategie? Matthias Hofmann erklärt praxisnah, wie Retail Media Networks im stationären Handel funktionieren – von digitalen Werbeflächen bis hin zu datengetriebenen Geschäftsmodellen, die einen Mehrwert für Händler und Marken schaffen.
Die Gäste beleuchten, wie sich stationärer Handel und digitale Touchpoints optimal verknüpfen lassen, um eine völlig neue Customer Experience zu bieten. Außerdem werfen sie einen Blick in die Zukunft: Wird die Innenstadt durch innovative Konzepte wie Community-Spaces und Retail Media wieder zum Erlebnisort? Und welche Technologien erwarten uns in den nächsten Jahren?
Die Folge zum Nachlesen
Silvia Talmon: Jetzt wissen wir, dass sich totsparen eine schlechte Strategie ist in schlechten Zeiten. Das heißt, der Handel sucht im Moment Lösungen, wie er mit möglichst wenig Invest, möglichst viel Umsatz generieren kann.
Intro: Zukunft des Einkaufens – der Podcast für Innovation im Handel
Marilyn Repp: Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Ausgabe des Zukunft des Einkaufens Podcast. Mein Name ist Marilyn Repp. Ich beschäftige mich mit Innovationen, Trends und Digitalisierung im Handel seit vielen Jahren und hier kommen die Zukunftsgestalterinnen des Handels zu Wort. Alle reden über Retail Media. Neue und schnelle Einnahmen verspricht das sofortige Return on Invest. Das klingt natürlich supergut. Heute machen wir einen Deep Dive ins Thema Retail Media. Was sind denn überhaupt Retail Media Networks? Welche Herausforderungen gibt es bei der Einführung? Für wen lohnt es sich überhaupt? Und wohin geht die Reise in Zukunft? Heute bekommt ihr geballtes Wissen zum Thema. Ganz viel Spaß beim Podcast. Heute zu Gast ist Silvia Talmon. Sie ist Unternehmerin und Expertin für Interior und Retail Design und noch viel mehr. Das wird sie gleich selber erzählen. Und der Matthias Hofmann. Er ist Area Sales Manager DACH bei Scala und ich bin sehr froh, dass ihr da seid. Herzlich willkommen. Stellt euch bitte noch mal ganz kurz selber vor. Liebe Silvia, fang du mal an.
Silvia Talmon: Ja, super lieben Dank für deine Einladung. Das ehrt mich und freut mich, dass ich heute hier zusammen mit dem Matthias ein bisschen was erzählen darf. Ein bisschen was zu mir, ganz einfach: Ich bin ein richtiges Retail Kind, kann man sagen. Das heißt, ich habe tatsächlich vor über 30 Jahren richtig klassisch bei IKEA Deutschland Handel gelernt. Und zwar auf der Fläche, im Möbelhaus. So wie das jeder kennt. Und hatte das Glück innerhalb der IKEA Unternehmung meine Entwicklung nehmen zu dürfen. Ich bin dann irgendwann nach Schweden gewechselt, durfte mit Ingvar Kamprad zusammenarbeiten. Hab also richtig von der Pike auf Handel gelernt, vom Meister, kann man sagen. Und bin dann mit Kamprad, mit seinem Team, in die einzelnen IKEA Länder gegangen. Hab dort immer das erste Möbelhaus im neuen Land geplant und aufgebaut. Das heißt, das erste Haus in China, das erste in Israel, das erste in Russland. Und bin dann am Ende zurück zu IKEA Deutschland, in die Konzernzentrale gewechselt und war da dann verantwortlich für das Retail Design für das Land Deutschland. Bis ich dann nach ein paar Jahren Anstellung bei IKEA dann auf die Selbstständigkeitsseite gewechselt bin, habe eine Agentur gegründet, The Store Designers, wie der Name es sagt, Store Design. Wir machen Design und Architektur. Zehn Jahre später habe ich dann The Retail Academy gegründet, also Beratung und Bildung im Einzelhandel. Hab IKEA als meinen Kunden mitgenommen, ist auch heute noch mein Kunde, hat super gepasst und ja, bin jetzt sozusagen Retail Experte im Bereich Retail Strategie, Beratung, Planung und Weiterbildung.
Marilyn Repp: Vielen lieben Dank. Lieber Matthias, jetzt kommst du dran. Stell du dich noch mal kurz vor.
Matthias Hofmann: Genau, vielen lieben Dank auch von meiner Seite aus für die Einladung. Ich freue mich auch sehr, heute dabei zu sein. Ja, ganz so viele Erfahrung wie die Silvia habe ich nicht ganz so lange. Ich habe nur knapp 17 Jahre Erfahrung, komme allerdings nicht von der Fläche, sondern komme eigentlich eher von der Anbieterseite. Also habe vor über 17 Jahren mal angefangen, so die ersten LED Boards, als so dieses Thema kam, LED Großformat Displays, in den Handel zu bringen oder in den Out-of-Home-Bereich, also sprich von der Tech-Seite und habe dann Schiene oder eine Spur über eine Agentur gemacht und bin jetzt seit acht Jahren bei der Scala, wo wir uns ja mit dem Thema Digital Signage, Komplettanbieter für Digital Signage-Systeme und jetzt seit einigen Jahren noch mit dem Thema Retail Media beschäftigen. Also das Buzzword, sage ich mal, ist aktuell und wie gesagt, darf da den, wie du es gerade schon gesagt hast in der Einleitung, den DACH-Bereich betreuen was das Direktkundengeschäft angeht, bin aber auch im MMR-Bereich, also auch strategisch im MMR-Bereich tätig und darf dort viele Retailer beraten und wirklich, ich sage mal so, vom End-to-End, also End-to-End-Anbieter. Das heißt, wir fangen wirklich an mit der Hardware, also sprich mit den Displays, mit den PCs, mit dem operativen Service der Netzwerke, aber auch mit der Finanzierung der Netzwerke und mit der Monetarisierung am Ende des Tages der Netzwerke. Genau.
Marilyn Repp: Vielen lieben Dank. Wir sprechen heute über das absolute Trend-Thema: Retail Media. Ich würde fast sagen, die aktuelle Sau, die durchs Dorf getrieben wird, zumindest im Handel. Also man merkt schon wirklich, das kommt gerade ganz groß und jetzt für alle Zuhörerinnen und Zuhörer, die vielleicht noch nicht so tief eingestiegen sind in das Thema, noch mal eine ganz kurze Definition, Matthias. Du steckst ganz tief drin im Thema. Was ist Retail Media? Was gehört da dazu?
Matthias Hofmann: Genau, also Retail Media ist, also wie du es gerade gesagt hast, es ist momentan in aller Munde. Eigentlich gibt es es schon viele, viele, viele Jahre. Also wir haben, eine Schwestergesellschaft von uns hat das erste Retail Media-Netzwerk in den 90ern bei Walmart in Amerika tatsächlich damals released. Es geht eigentlich darum, dass du Werbeflächen im Handel selber bildest und diese entsprechend vermarktest. Das lief viele Jahre unter dem Begriff oder teilweise noch in dem Begriff Shopper-Marketing oder Digital Signage, wie der Fachbegriff dafür ist. Also sprich, du hast Werbeflächen, die du platzierst irgendwo, die du entsprechend vermarktest. Es läuft teilweise über einen sogenannten WKZ, dass es quasi von der Industrie bezahlt wird, aber ganz neu auch und das ist so der Trend, weshalb es gerade ein Thema wird, ist, weil du damit quasi einfach eine neue Einnahmequelle schaffst, um halt den Platz oder den Werbeplatz in deinem Markt, am POS, am Produkt selber zu vermarkten.
Marilyn Repp: Okay, vielen Dank für die Einblicke. Genau, du hast es jetzt schon angesprochen oder ich habe es auch schon gesagt, großer Trend. Wir haben ja heute die Silvia hier an Bord, weil du, liebe Silvia, das Big Picture, sage ich mal, im Griff hast. Ja, du beschäftigst dich schon so lange mit Strategien, gerade für den stationären Handel und bist schon lange an Bord. Und jetzt sag uns doch bitte mal: Warum kommt denn dieses Thema jetzt gerade so volle Karacho in den Handel?
Silvia Talmon: Ja, danke. Das lässt sich relativ leicht erklären. Wenn man sich die Megatrends anguckt, wissen wir, dass zwei Megatrends uns gesellschaftlich im Fokus wirklich konzentriert beschäftigen und das ist ja einmal der Megatrend der Konnektivität und der Megatrend der Individualisierung. Wenn wir jetzt Konnektivität uns angucken und das ist ja das, was wir alle auch spätestens bei Corona ja gelernt haben warum, bedeutet das einfach digitale Verknüpfung. Jetzt mal ganz simpel. Und das weitergedacht heißt es natürlich, die Digitalisierung schreitet vor: Was für Potenziale stecken dahinter? Und dann natürlich auch: Was kann der Handel daraus machen? Und daraus würde dann, wird immer mehr das Thema der Verknüpfung von On- und Offline, das große Potenzial, was wir letztendlich haben. Wie können wir den E-Commerce und die Social Media Kanäle verknüpfen mit dem Raum der Begegnung im stationären Handel? Jetzt kommt natürlich dazu, man kann jetzt quasi stationär sehr viele digitale Touchpoints integrieren. Das kennt ihr alle auch. Da gibt es eine große LED-Wand, die sehr viel Geld kostet und vor allen Dingen sehr viel Strom kostet und auch eben sehr viel Content braucht. Dann gibt es natürlich auch den berühmten QR-Code, den ihr mit dem Handy einfach einscannt und Informationen kriegt. Das sind auch digitale Touchpoints. So und dann kommt die aktuelle Situation des stationären Handels. Wie wir alle wissen, stehen wir extrem unter Kostendruck, Umsatzeinbruch und und und. Das heißt, der Handel spart im Moment, muss sparen für jegliche Form von Investitionen. Jetzt wissen wir, dass sich totsparen eine schlechte Strategie ist in schlechten Zeiten. Das heißt, der Handel sucht im Moment Lösungen, wie er mit möglichst wenig Invest möglichst viel Umsatz generieren kann. Jetzt kann man die Frage stellen, du musst deinen Kundenservice hochschrauben, du musst dekorieren und wieder spannender werden. Das kann man machen. Dann kommt aber erstmal faktisch nichts bei rum. Du investierst in den Innenausbau, aber du kannst nicht sofort Umsatzsteigerungen messen. Du musst darauf vertrauen. So und dann kommt die nächste Frage: Oder gibt es Alternativen, wie du als Händler zukünftig Geld einnehmen kannst? Und da ist dann halt eben die Frage der sogenannten Kollaboration oder nutze deine Fläche, um andere Leute da mitreinzuholen, anderen Leuten die Möglichkeit geben, dort zu werben, anderen Marken. Und damit kommst du sehr schnell auf das Thema: Was ist das Potenzial hinter Retail Media Networks?
Marilyn Repp: Wir haben jetzt das Thema Retail Media Networks noch gar nicht richtig angesprochen. Jetzt muss ich aber. Genau darauf kommen wir später auf jeden Fall zu sprechen. Jetzt muss ich nochmal kurz für die Zuhörerinnen und Zuhörer da draußen darauf eingehen, warum jetzt ihr beide eigentlich hier im Podcast zusammen seid. Silvia, das hattest du vorgeschlagen. Vielleicht kannst du mal ganz kurz auf eure Partnerschaft, Stichwort Konnektivität, nochmal eingehen.
Silvia Talmon: Ja, es ist so, wir, also ich in meiner Rolle mit meinem Team, sind spezialisiert, wie der Name unserer Firmierung sagt, Retail Experience. Früher hießen wir The Store Designers, weil als wir uns vor 20 Jahren gegründet haben, haben wir Stores designed, wir haben Stores schön gemacht. Im Laufe der Jahre, der 20 Jahre, wo es uns gibt, kann man heute sagen, es geht ja schon lange nicht mehr im Handel nur noch um Store Design. Es geht ja nicht mehr nur noch um den Look and Feel, sondern es geht ja um viel mehr Experience, vor allen Dingen Customer Experience. So das heißt, unser Aufgabenfeld im Handel und das wird ja jeder der Kollegen, der jetzt hier zuhört, bestätigen, es ist so breit geworden, dass man fast sagt: Es ist irre, was ich alles mittlerweile wissen und können muss im Handel. Also ich muss ja Sortimentsspezialist sein, ich muss Vertriebsspezialist sein, ich muss Dekorateur, Vision Merchandiser Stylist sein, Kundenservice, Customer Relation Management und und und. Und natürlich zukünftig auch Digitalexperte, weil durch die Verknüpfung von On- und Offline kommen ja jetzt die Kampagne, die auf Social Media in der Pre-Sale Phase rausgehauen wird für Millionen von Erträgen, sollen ja irgendwo von der Pre-Sale Phase in die In-Sale Phase, also für mich auf die Fläche irgendwie runtergebrochen werden. Sprich, ich brauche in irgendeiner Form diese Expertise auch im Digitalen. So jetzt kann man sich vorstellen, kein Mensch kann alles. Das heißt, auch wir in der Retail Experience holen uns für verschiedene Themen natürlich Experten dazu, wo wir sagen: Wir verstehen das große Ganze, die Alpha-Ebene, wir wissen, was gebraucht wird. Aber wenn es in den Deep Dive geht, also wirklich, was ist dahinter notwendig im Backend, was ist technisch notwendig, Hardware, Software, Con und so weiter, gucken wir uns auf den Markt um und suchen uns Experten. Und so bin ich eben auf Scala zugegangen und habe gesagt: Wenn ich einen Experte brauche, der in tieferen Ebene darstellen, beraten kann, was Retail Media Networks oder auch andere digitale Touchpoints betrifft, kann ich euch dann als Experten, als Berater hinzuziehen? Und so ist der Kontakt letztendlich zu Scala gekommen. Scala ist ein Anbieter, also wir sind jetzt nicht verheiratet miteinander, keine Tochtergesellschaft, gar nichts, sondern wirklich neutrale Partner. Und so rufe ich regelmäßig an und sage: Wir machen eine Digitaltour in Paris. Ich brauche nochmal einen Experten, der alles erklärt, on point. Ich kann die Retail-Seite erklären, die Integration auf der Fläche und die Strategie und die Architektur. Kannst du, Matthias, bitte erklären, welche Hardware, Software, Content und so weiter. Und dann kommt Matthias mit und dann machen wir das zusammen. Genau.
Marilyn Repp: Das macht doch Sinn. Matthias, für welche Branchen ist denn Retail Media überhaupt relevant?
Matthias Hofmann: Genau. Also wie der Name schon sagt: Retail tatsächlich. Aber du hast es, es ist eigentlich geht es eher darum, sobald du mehrere, also ein Multi-Brand Retailer ist eigentlich die Zielgruppe. Und da ist es tatsächlich so, dass man hier über eine gewisse Masse an Stores natürlich sprechen muss, weil du dir das natürlich so vorstellen musst: Du willst ja einer Marke, die bei dir in deinem stationären Handel auf deinen Netzwerken Werbung schaltet, entsprechend auch eine gewisse Reichweite haben will. Und deswegen, es ist einfach so, dass wir sagen: Sobald wir einen Retailer haben, der ich sag mal, weiß ich nicht, plus 50 Stores hat, für den wäre das tatsächlich relevant, da er eine gewisses Netzwerk Größe hat, um dort ein sogenanntes Retail Media Netzwerk entsprechend zu integrieren und da einfach für sich einen neuen Revenue Stream entsprechend zu generieren. Genau. Und, ja.
Marilyn Repp: Super. Und kannst du jetzt noch mal kurz definieren, was denn Retail Media Networks genau sind?
Matthias Hofmann: Genau, sehr gut, sehr gerne. Gute Frage. Also generell, du hast gerade gesagt, wir sprechen von Retail Media, sprechen natürlich viele von online. Aber im online ist es, dass du quasi auch auf anderen Marketplaces oder auf anderen Webseiten quasi wirbst. Das Retail Media Network ist tatsächlich ein Retail Media Netzwerk, was im Store stattfindet. Also wir bewegen uns da quasi außerhalb des Browsers, sag ich mal so. Das heißt, wir sprechen hier über zum Beispiel: Du kommst in einen Store rein, man kennt das klassisch aus einem Einzelhandel, du gehst oder aus dem Lebensmitteleinzelhandel, das wollte ich sagen, du kommst rein, du siehst einen Screen, der am Eingang steht, der dich heute schon auf die aktuellen Angebote aufmerksam macht. Der dir sagt: Was findet heute hier im Store statt? Was für Marken gibt es hier? Es gibt einen Markencontent, der darauf läuft. Das ist zum Beispiel ein Teil des Retail Media Netzwerkes. Das geht über in zum Beispiel sogenannte Categories Science, also sprich, du hast Displays über Regalen, je nachdem, wo du dich gerade befindest, über einem Regal, wo du siehst, welche Kategorie findet hier statt. Das geht am Ende hin bis zum, ich sag mal, zur Fleischtheke im Lebensmitteleinzelhandel, wo Werbung geschaltet wird. Auch da, man unterscheidet immer zwischen endemischen und nicht-endemischen Content. Endemischer Content, das ist Content oder Werbecontent von Marken und Produkten, die selber in dem Markt verfügbar sind in dem Handel. Und es gibt non-endemische Inhalte, das sind Inhalte, für die Werbung läuft, die aber nicht in dem Store verfügbar sind. Ein Netflix zum Beispiel, ein Disney+ wäre non-endemischer Content in einem Lebensmitteleinzelhandel, weil du zwar auch für ein Abo wirbst, aber das Abo natürlich in dem Store selber entsprechend nicht bekommst. Und das geht tatsächlich dann hin bis zum Checkout, also sprich selber am Checkout, also an der Kasse selber, Displays oder auch bis zum Self-Checkout, wo du quasi da entsprechend schaltest. Und da, dieses Ganze betrachtet man in dem Fall als ein Retail Media Netzwerk.
Marilyn Repp: Super, vielen Dank für den Einblick nochmal, was das genau ist. Jetzt stelle ich mir die Frage als Händler oder Händlerin: Wie packt man so ein Projekt an, auch von der strategischen Seite aus? Silvia, du hast es vorhin gesagt: Die Unternehmer und Unternehmerinnen müssen an so viele Sachen denken, man weiß irgendwie gar nicht mehr, wo um und unten ist. Wie packe ich denn das Thema jetzt noch strategisch an, so dass es auch wirklich zu allen anderen Herausforderungen im Store passt?
Silvia Talmon: Ja, womit man ja immer die Frage letztendlich sich stellen muss: Wie plant man generell ein Retail Konzept? Also man plant ja, man hat ja schon ein Konzept. Und wenn jetzt jemand von außen kommt und sagt: Du hör mal, du hast zwar einen bestehenden Laden und ein bestehendes Konzept, aber jetzt komme ich und möchte ganz gerne noch ein paar Bildschirme reinstellen. Dann weiß jeder von uns, der den Alltag im Handel kennt, dass als erstes der Widerstand kommt und zwar: Dafür habe ich keinen Platz. Oder: Wir suchen mal den Platz. Da hinten rechts um die Ecke an der Notausgangstüre, da kannst du deinen Bildschirm hinstellen. Das funktioniert natürlich nicht, das kann sich ja jeder vorstellen. Das heißt, du musst, wenn du an so einem, wenn du an dem Thema Interesse hast, weil ein riesen Umsatzpotenzial da drin steckt, musst du an das Fundament deiner Grundstruktur rangehen und diese analysieren. Und das heißt, wir empfehlen immer, dass 4-Boxen-Modell. Wir gucken uns also vier Bereiche an in einem Retail-Konzern, in einem Unternehmen auf der Fläche und prüfen da den Ist-Stand. Das kennen jetzt alle Category Manager, eine Box ist Sortiment. Das heißt, wir gucken uns an: Was sind die Renner und was sind die Penner? Also jeder Händler unter uns weiß, wovon ich spreche. Heißt Sortimentsanalyse: Wo habe ich zu viel Sortiment, was nicht gut performt? Wo habe ich gutes Sortiment? Wie groß sind die Kategorien? Wo kann ich Sortimentsbereinigung machen? Das ist ein Teil, Box Sortiment. Ein zweiter Teil ist natürlich: Wer kauft? Letztendlich der Kunde. Ich gucke mir also in der Analyse an: Welche Zielgruppe habe ich? Also wer sind meine Bestandskunden und welche neue Zielgruppe möchte ich gegebenenfalls erreichen? Auch das erfasse ich und analysiere ich, welche Potenziale sind da dran. Die dritte Box ist, dass ich natürlich nicht nur ein Sortiment und dazu einen Kunden habe, sondern dieser Kunde geht ja auch zum Wettbewerb. Das heißt, ich gucke mir die Wettbewerbssituation an: Mit was wirbt der Wettbewerb diesen Kunden ab? Was bietet der Wettbewerb? Warum kauft der Kunde nicht bei mir, sondern bei meinem Wettbewerb? Und ich gucke, was der sozusagen macht. Und die letzte Box, die ich mir sauber angucke in der Ist-Stand-Analyse, oder wie die Unternehmensberater gerne sagen, der Gap-Analyse ist natürlich: Und wer bin ich als Marke? Wer bin ich, dass der Kunde zu mir nach Hause kommt? Was möchte ich als Marke, als Corporate Architecture bieten? So, wenn ich diese vier Boxen sauber aufbereitet habe, dann und daraus aus dieser Gap-Analyse eine Potentialanalyse mache, dann sehe ich relativ schnell, an welchen Stellschrauben ich modernisieren kann. Sprich, wenn ich als Marke mir als Wert und Nationalität auf die Fahne schreibe, dass ich modern bin, innovativ bin, progressiv bin, dann kann ich die Frage stellen: Woran erkenne ich das denn im Store? Und dann bist du relativ schnell, steht dann gerne in den Missionen: Wir möchten digitalisieren… So und dann kann ich natürlich die Frage stellen: Okay, wenn ich so sein möchte und ich auch in die Digitalisierung investiere, muss meine Strategie ja jetzt sein, dass der Kunde das auch erlebt anhand von digitalen Touchpoints und Co. So, und dann legst du nach so einer Gap-Analyse und Potentialanalyse, gehst du dann hin und entwickelst deine Strategie darauf passend ausgelegt, und gehst dann in die Konzeptphase. Und in dieser Konzeptphase, in den konkreten Maßnahmen auf der Fläche, geht dann der Retailarchitekt meistens mit dem Vertrieb gemeinsam und dem Sortimentler hin, das ist meistens so ein Dreier-Team, da ist dann der Stratege, der Vertriebler, da ist der Sortimentler, setzen sich hin und überlegen: Wie ist die Customer Journey? Wie möchten wir jetzt von der Pre-Sale Phase den Kunden an der Türe abholen in die In-Sell Phase? Wie soll die Customer Journey vom Parkplatz, von der Türe aus, durch den Store sein? Also welches Erlebnis hat der Kunde, der reinkommt, in seiner Customer Journey über die Fläche? An welchen Stellen macht in der Customer Journey Sinn, welche Informationen in Form von Sortiment- oder Werbefläche zu senden und was müssen wir dafür tun, dass wir diesen Platz eben dafür bereitstellen? Und dann gehen die, wenn das definiert ist, dann verändern sich Sortimente, es verändern sich Grundrisse, es verändern sich Wegeführungen. Aber damit erzielst du am Ende einen total logische und in sich verschmolzene Journey für den Kunden und gewährleistest den bestmöglichsten Erfolg am Ende auch zu verkaufen.
Marilyn Repp: Super, jetzt können wir das alle selber machen und brauchen euer Unternehmen nicht mehr Silvia, wenn es so einfach ist. Nein, wahrscheinlich nicht. Matthias, jetzt noch mal der Deep Dive sozusagen in die einzelnen Projekte. Wie läuft denn von eurer Seite so ein Projekt ab und vielleicht kannst du das so ein bisschen auch an einem Best Practice Case oder einem möglichen Best Practice Case mal darstellen?
Matthias Hofmann: Sehr gerne. Ich bin natürlich immer froh, wenn wir so Partner wie Silvia haben, die auch ein Verständnis davon haben. Weil ich erinnere mich so an die ersten Zeiten noch vor 15 Jahren als es darum ging, dass wir wirklich so ein Netzwerk installieren wollten und geplant wurde und dann kam dann meistens der Retailarchitekt, der dann sagt: Ja, ich habe hier Platz für ein Display, mach das mal dahin. Und dann sagte ich: Ja, aber das ist eine Fläche von 1×1 Meter, da gibt es kein Display für. Ja gut, aber hier ist Platz und das muss auch dann so sein. Also deswegen bin ich wirklich froh, dass wenn man mit der Silvia spricht, die auch weiß, was am Ende des Tages umzusetzen ist, weil das ist wirklich der Key-Punkt. Also auf der einen Seite ist es: Was macht Sinn? Auf der anderen Seite: Wie realistisch ist es auch umzusetzen? Und nicht nur realistisch im Sinne von: Was ist technisch möglich? Sondern auch: Was ist auch kosteneffizient? Weil total cost of ownership betrachtet und am Ende des Tages muss dieser Touchpoint und dieses Netzwerk ja auch Geld bringen. Wir sind ja jetzt an einem Punkt, wo das, wo, ich sage mal, wo wir erwachsen geworden sind im Retail Media oder im Shopper Marketing und das Netzwerk jetzt auch wirklich gut Geld verdienen muss und von daher bauen wir eigentlich auf der Arbeit der Silvia auf in dem Fall. Das heißt, wir gehen hin und sagen: Okay, jetzt sind wir so weit, wir wissen jetzt genau, welche Touchpoints wir haben wollen und dann fangen wir an und fangen, starten mit einem Piloten. Das heißt, wir gehen hin und sagen: Wir haben, nehmen wir mal als Beispiel, wir haben einen Kunden, der hat 300 Stores und dann würden wir damit starten, würden sagen, wir starten mit zwei bis drei Pilot Stores, würden hingehen und sagen, wir testen auch verschiedene Touchpoints. Also angenommen das Team um Silvia plant zehn Touchpoints, wir sagen, wir starten jetzt mal, wir starten zwar mit allen zehn, aber der eine Store hat die fünf, der andere Store hat davon drei und der andere Store von den anderen sieben, wir starten mit dem, damit mal, also installieren das, wir messen das Ganze. Also das Wichtige während der gesamten Phase des Pilotes, messen wir auch, wie ist die tatsächliche Frequenz der Kunden. Weil wir überlegen uns natürlich viele Sachen, auch aus der Sicht der Customer Journey, auch aus Sicht der Best Practice, aber wir wollen natürlich wissen: Ist das denn tatsächlich auch so was, wie wir uns überlegt haben? So das messen wir, wie gesagt, mit einer Sensorik. Kommt es dann, dass wir, im besten Fall ist es so, dass wir auch damit Recht haben und zumindest mal zwei von drei Stores auch genauso passen, wie es geplant ist, dann machen wir einen sogenannten Scale-Up Piloten. Also sprich, dann geht dann, erweitert das dann auf, ich sag mal, vielleicht 30 Stores, guckt vielleicht noch verschiedene geographische, unterschiedliche geographische Stores sich an und sagt, man geht hier mal hin und erweitert das entsprechend, geht vielleicht noch ein paar Schritte weiter und installiert vielleicht noch und fängt schon mit den ersten Kampagnen an, die man in dem Style schon hat, geht schon zu einer Marke hin und sagt:M Hey, wir haben hier einen erweiterten Piloten. Weil 30 Stores in dem Fall ist, je nach Gesamtgröße des Netzwerkes, ist es, sag mal, zu groß für noch einen Piloten und zu klein für einen Rollout. Also sprich, man startet dann, guckt dann schon, dass man kleinere Kampagnen hat und dann, ja nach, ich würde mal sagen, nach insgesamt zwölf bis sechzehn Monaten geht man dann schon hin und sagt, man kann in der Zeit schon den Rollout planen und dann würde man wirklich rausgehen, skalieren und sagen: Jetzt läuft tatsächlich dann der Rollout und man geht dann wirklich ins Doing rein. Solche Netzwerke sind im Betrieb, also ich sage mal so, die ersten 36 Monate sind eigentlich eher dafür da, um, ich sag mal, die Investitionskosten irgendwo mit natürlich zu tragen. Weil wir sprechen schon über Investitionskosten, muss man auch ganz klar sagen, also wir sprechen hier nicht über den Onliner, der mal eben kurz, ich sag das überspitzt, jeder Onliner wird wahrscheinlich jetzt einmal kurz aufschreien, aber ich sag mal im Vergleich her, mal eben kurz etwas, eine EdTech Technologie zu integrieren, wo ich sage, ich schalte einfach nur andere Werbeflächen auf meinem Shop, sondern es geht ja wirklich darum, dass ich die ganze Hardware am Ende des Tages auch installieren muss und da spricht man schon über Investitionskosten und die, wie gesagt, tragen sich über die ersten 36 Monate ab, das bedeutet nicht, dass man da nichts verdient oder dann einfach nicht profitabel ist, sondern aber es muss halt abgetragen werden und dann, ich sag mal, die weiteren zwei, drei, vier, fünf, sechs Jahre oder Netzwerke wie eine Walmart zum Beispiel seit 20 Jahren, die natürlich dann wirklich profitabel sind, wenn man sich solche Vergleiche anschaut, dann sieht man, dass die Netzwerke, dass der Retailer mit so einem Netzwerk einfach prozentual gesehen viel mehr Geld verdient zum Beispiel als mit seinem klassischen Handel. Ich sag jetzt mal, weil ich es gerade genannt habe, nehmen wir mal das Walmart Beispiel. In Amerika kennt wahrscheinlich jeder, der größte Retailer, macht, ich glaube aus 2022 sind die Zahlen, macht knapp 600 Milliarden Dollar Umsatz mit seinem klassischen Retailhandel, macht 16 Milliarden Dollar Gewinn oder hat Profit gemacht. Das Retail Media Netzwerk und hier sprechen wir dann tatsächlich allerdings über die Webseite, über die App und über das Instore-Netzwerk, hat zu dem Zeitpunkt 3,8 Milliarden Dollar Umsatz gemacht und hat 3,1 Milliarden Dollar Gewinn gemacht. Also das heißt, Walmart hat prozentual gesehen mehr Geld mit dem Verkauf von Medien verdient als mit dem klassischen Handel. Amazon ist ein ganz anderes Beispiel, ein Onliner. Also Amazon verdient, weiß ich gar nicht, ich glaube über 60 Milliarden Dollar, macht Amazon nur mit Retail Media. Das ist ein ganz krasses Beispiel, aber auch da, sie machen mehr Geld mit dem Medienverkauf. Deswegen sieht man es ganz klar, es ist eine neue Einnahmequelle, der halt viele andere Dinge abfängt. Also wir haben Herausforderungen, wir haben Herausforderungen wie steigende Personalkosten, steigende Energiekosten, wir haben steigende Materialkosten und es geht halt Inflation, es geht halt alles, es kann halt alles nicht auf den Konsumenten abgelegt werden, indem wir sagen: Wir erhöhen die Preise. Weil dann haben wir ein ganz anderes Thema und deswegen ist einfach der Retailer dazu angehalten, sich neue Einnahmequellen zu schaffen. Was wir gerade sehen, wird in den nächsten Jahren aus der Amerika überschwappen, ist das Thema Diebstahl. Auch das steigt sehr, sehr stark und das sind alles Themen. Wir haben heute, wir sprechen heute mit Kunden, wir haben einen Kunden, der uns gesagt hat: Ich habe einen dreistelligen Millionenbetrag, den ich Verlust habe im Quartal, durch Diebstahl und den ich versuche abzufangen oder wo ich den nicht auffangen kann, wo ich sage, ich brauche einen neuen Revenue Stream und warum, das soll mein Retail Media Netzwerk abfangen. Also skurril, aber das sind Herausforderungen, die wir uns heute stellen und wirklich tatsächlich schon stellen müssen.
Marilyn Repp: Du hast jetzt ein paar mal angekratzt, die Welle kommt aus den USA und hast auch im Vorgespräch schon gemeint, die sind uns zehn Jahre voraus. Vielleicht kannst du das noch mal kurz skizzieren, warum ist das eigentlich so und wie ist denn da so der Stand?
Matthias Hofmann: Ja, genau, also die sind uns eine Jahre voraus, was das Thema Retail Media Netzwerke angeht, weil die einfach auch eine ganz größere Landschaft haben an Händlern, muss man ganz klar sagen. Also ich habe, wenn ich mit meinen amerikanischen Kollegen spreche und ich sage: Hey, wir haben gerade ein echt großes Projekt hier gewonnen, wir machen gerade einen Rollout mit 1.500 Stores. Dann sagen meine Kollegen: Ein schöner Pilot. Das ist dann halt, weil wir einfach über eine ganz andere Struktur sprechen und das muss man halt sagen. Und ja, es ist einfach von der Landschaft her, das heisst, sie sehen sich viel eher Herausforderungen geschaffen, kommen vielmehr in Herausforderungen und müssen dem entgegensteuern und das merkt man halt einfach und das ist halt weshalb solche Trends am Ende des Tages dann entstanden sind und da entstehen und dann irgendwann zu uns überschwappt. Da sind wir halt einfach ein bisschen eher konservativer gedacht. Wie gesagt, was auch das Thema, bevor ich etwas in den Markt bringe, brauchen wir auch etwas für. Ich meine, siehe das Thema GDPR, wie lange haben wir gebraucht, um das Thema GDPR, also der Europäische Datenschutz, hier reinzubringen. Das ist aber, wir wollen einfach, wir sind dadurch sind wir sehr, sehr stark natürlich und sagen: Hey, also das Level von Dingen, die wir umsetzen, ist viel, viel höher natürlich der Standard, weil wir sagen, wir haben es lange geplant und wir sind, ich sage mal speziell in Deutschland natürlich ein Ingenieursland und wir planen etwas sehr, sehr stark und dann bringen wir es dann hin und wir brauchen etwas länger. Da ist halt der amerikanische Markt unter anderem ein bisschen pragmatischer manchmal und sagt einfach: Wir gehen erstmal raus und schaffen halt jetzt erstmal was und gucken dann mal, wie wir das dann optimieren.
Marilyn Repp: Genau.
Matthias Hofmann: Das heißt also, ich nenne es jetzt einfach mal so, um mal den Trend zu sehen, also wir sprechen heute von unterschiedlichen Arten von Retail Media Netzwerken. Das klassische Netzwerk ist ein impressionsgetriebenes Netzwerk. Das ist so wie unser, zum Beispiel, auch unsere Außenwerbung läuft, also die Außenwerbung, die Vermarktung eines impressionengetriebenen Netzwerkes, also sprich ich messe Menschen, die theoretisch oder theoretische Personen, die meinen Inhalt gesehen haben können. Das heißt, ich mache eine Studie und sage: Ich habe eine Frequenz von 100.000 Leuten pro Woche und davon sage ich, müssten ungefähr zehn Prozent theoretisch meinen Content gesehen haben. So das ist ein impressionengetriebenes Netzwerk und das ist etwas, was relativ schnell, ich sage mal, rausgegeben werden kann und das ist ein Trend, der ist sehr schnell rauszukommen. Wir sind jetzt in einem Schritt zwei, wo wir einfach sagen: Wir wollen genau das, was wir vor einigen Jahren gesagt haben, was theoretisch eine Impression ist, wie viele Leute es gesehen haben, das wollen wir jetzt messen. Das heißt, wir bauen jetzt in Displays Sensorik ein und sagen: Wir wollen jetzt aber auch tatsächlich schauen, ist denn das tatsächlich so, was wir gesagt haben und wie sehr wird denn mein Display wirklich wahrgenommen? Das heißt, wir haben vor vielen Jahren etwas integriert und sagen: Wir wollen jetzt den Proof haben, ob das, was wir gemacht haben, wirklich tatsächlich auch passiert. Das sind so Trends, die wir gerade sehen, was so verschiedene Schritte sind oder verschiedene Steps sind, wo wir uns jetzt quasi hinbewegen und was man halt immer, wie gesagt, eine gewisse Zeit braucht, bis es aus anderen Regionen rüberschwappt. Asien ist auf einem ganz anderen Level. Also Asien, mal losgelöst davon, dass Datenschutz niemanden da interessiert, sind die halt einfach, dadurch sind die natürlich, haben die noch ein ganz anderes Engagement von ihren Konsumenten, was sie in so einer Retail-Media-Story, sage ich mal, mit einbinden können.
Marilyn Repp: Auch super spannend.
Matthias Hofmann: Genau.
Marilyn Repp: Du hattest das Stichwort Größe genannt. Also in den USA ist das ja schon viel weiter fortgeschritten, auch wegen der Größe einfach der, einfach mehr Bevölkerung und mehr Kaufkraft. Und du hattest gesagt, ab circa 50 Stores lohnt sich, darüber dann nachzudenken. Also genau, Silvia, das würdest du auch so bestätigen, oder? Eine gewisse Größe?
Silvia Talmon: Ja, also es ist natürlich, die Frage ist ja immer Kosten/Nutzen natürlich und man muss aber auch nochmal deutlich differenzieren: Das ist natürlich für Händler interessant, die einfach wirklich Multi-Brands haben. Also letztendlich, was mache ich? Ich erweite, nutze meine Verkaufsfläche, stelle die zur Verfügung für andere Marken, um über einen digitalen Screen in irgendeiner Form anderen Marken die Möglichkeit zu geben, für sich zu werben. Und das heißt, wenn ich mir die Branchen da genau angucke, dann sind das Branchen, wo du automatisch auch große Ketten einfach an Anzahl Stores hast. Beispielhaft der Lebensmitteleinzelhandel oder Baumärkte oder Drogerien oder Buchhandel, der Sportbereich, Flughäfen, Entertainment, also so Freizeitparks, Tankstellen, Kaufhäuser. So und das sind ja alles Unternehmen oder Möbelketten, die haben halt automatisch, also so eine Möbelkette, Top 3 Möbelkette, die hat halt über 100 Stores so. Und dann guck dir mal ein Lebensmittel, guck dir an, wie viele Penny-Markt es gibt, wie viele REWE-Läden es gibt, wie viele Rossmanns es gibt oder dms. Das ist also automatisch Einzelhandelsketten mit vielen Stores und dann multipliziert sich sowas natürlich hoch. Das wird dann halt als Business-Case dann halt spannend.
Marilyn Repp: Business-Case, let’s talk about business models. Darüber hatten wir im Vorgang auch schon gesprochen, nämlich Geschäftsmodelle. Ich bin ja auch schon sehr lange unterwegs mit dem ganzen Thema Trend, Innovation, Technologien. Und was ich halt immer besonders spannend finde ist, wenn sich neue Geschäftsmodelle aus neuen Technologien ergeben. Also ganz andere Einnahmequellen, wie natürlich auch Retail Media eine ist. Aber wenn ich jetzt In-Store, Retail Media Network mir aufbaue, dann kann ich natürlich durch die Daten, die da entstehen oder auch anderes, woran ich jetzt gerade nicht gedacht habe. Also was entsteht daraus? Welche neuen Geschäftsmodelle im Sinne von Business Intelligence oder auch anderes, wenn man jetzt in die Zukunft blickt? Matthias?
Matthias Hofmann: Ja, zwei Ansätze. Also zum einen, was ich vielleicht noch mal vorab sagen wollte, zum Thema Geschäftsmodell, der Händler hat natürlich auch das Thema: Wie initiiert er dieses Netzwerk? Ich habe es gerade schon mal angesprochen, es ist ein hohes Investment. Und da gibt es halt Möglichkeiten über sogenannte operative, also sogenannte OPEX-Modelle, also wo man über operative Kosten spricht. Also sprich, dass man, wir sprechen jetzt über vielleicht einen Händler, der hat 300 Stores, hat fünf bis sieben Touch Points pro Store, die man einrichtet mit Sensorik, allen drum und dran, spricht man über eine Investition von 15 bis 25 Millionen Euro, sage ich mal. Das ist natürlich eine Summe, die sich super schnell refinanzieren lässt, aber er muss natürlich erstmal hingehen und sagen: Ich muss das erstmal investieren. Und wir kennen den Handel heute. Wir wissen, wie der Handel heute funktioniert. Es funktioniert sehr, sehr viel darüber, das ist halt die Marken entsprechend natürlich, ich sage mal, den Handel fördern über die WKZs. So und da, natürlich geht keine Marke hin und sagt: Ich bezahle dir deinen Retail-Media-Store. Deswegen gibt es wie gesagt die gesamten OPEX-Modelle, operative Modelle, wo man hingeht und sagt: Man finanziert das Netzwerk quasi vor. Man spricht nicht über 15 Millionen Euro Upfront, sondern man spricht zum Beispiel über 100.000 Euro pro Monat, die an operativen Kosten anfallen. Das bedeutet, der Händler ist profitabel von Tag 1, weil er hat direkt eine Einnahme, die er dagegen rechnen kann. Sagt: Ich habe eine Ausgabe von x Euro, Einnahme, die höher ist. Muss wie gesagt die ersten paar Jahre entsprechend natürlich, hat er geringere Einnahmen, weil er einfach das erstmal abbezahlen muss. Aber hat dann, wie gesagt, die Kosten auf einem gewissen Level und muss nicht mit einem mal groß investieren. Und genau, so das mal jetzt als Einstieg in das ganze Thema. Weil wie du es gerade gesagt hast, Trends, ist immer Business Intelligence, wie sehe ich denn eigentlich oder was, wie sehe ich denn als, oder was ist das neue Geschäftsmodell? Das ist über Daten, wir sprechen über Daten bei Media Sale, weil ich kann ja was, was heute eine Marke von einem Händler nicht so zurückbekommt, weil der Händler sie vielleicht auch gar nicht hat, was er gerne haben will, ist: Was passiert denn da am POS? Also ich kann heute kann ich sagen: Ok, ich weiß wie viele Produkte, in welchen Stores gekauft worden sind. Ich kann, wenn ich eine Kundenkarte habe, habe ich auch die Möglichkeit zu sehen: Wer hat denn das gekauft? Also sprich, welche Zielgruppe hat es bei mir gekauft, wenn ich jetzt über eine Leutikart spreche. Was wir aber über eine Sensorik heute schon machen können, ist auch zu gucken: Wie bewegt sich der Konsument denn durch den Store? Also angenommen jetzt die Silvia hat jetzt leider ihr Handykabel verloren, Ladekabel verloren, möchte ich jetzt ein neues kaufen oder muss ich jetzt ein neues kaufen und ist jetzt auf dem Weg in den Elektronikmarkt und mit dem Ziel zu sagen: Ich kaufe mir ein neues Handy-Ladekabel. Dann geht sie in den Store rein, sie geht durch den Store, sie nimmt das Ladekabel, sie geht nachher zur Kasse, sie bezahlt das Ladekabel. So jetzt weiß ich, im besten Fall, weil die Silvia ihre Leutikart genommen hat, dass die Silvia dieses Ladekabel gekauft hat, das weiß der Händler, das kann er auch zurückspielen. Was ich aber nicht weiß oder was er nicht weiß, ist, dass die Silvia zwar durch den Store gegangen ist und das Ladekabel sich genommen hat, stand aber bestimmt 20 Minuten lang vor einem Samsung 85 Zoll OLED Fernseher, hat ihn aber nicht gekauft. So das kann ich aber über eine Sensorik, kann ich das messen. Also sprich ich weiß, dass die Silvia in dem Fall das gemacht hat. Sprich über den Checkout mit ihrer Leutikart nachher, kann ich sagen: Sie hat zwar das gekauft, aber sie hat sich auch das angeschaut. Und jetzt gucke ich mal ein bisschen in die Zukunft, heisst, wir kommen nachher noch mal drauf, aber guck doch mal ein bisschen in die Zukunft und sage: Kann das wieder zurückspielen, weil morgen guckt sich die Silvia einen Film bei Netflix an und kriegt auf einmal Samsung Werbung. Weil auch das ist heute, passiert heute in Amerika schon und ist möglich. Also ich kann quasi, wie ich es aus dem Web kenne, kann ich wirklich retargeten. Und das sind natürlich Modelle, wo man weiß, wo man wirklich, wo der Händler nicht nur eine Impression misst, also sprich, der kann nicht nur sagen: So und so viele Personen haben meine Werbung gesehen, sondern sie können wirklich eine Conversion messen. Und eine Conversion ist so relevant und so wichtig, diese Messbarkeit, gerade für eine Marke, dass einfach der sogenannte TKP, also sprich die Messung oder der Preis, den man pro 1.000 in dem Fall Besucher, Viewers, wie man das nennt, bezahlt, dass der natürlich signifikant höher ist, weil ich viel wertvollere Daten habe. Sprich, die Marke weiß zum Beispiel, die Marke des Ladekabels, das Brand des Ladekabels weiß: Wo sind denn meine Konsumenten vorher gewesen? Was haben die noch gemacht? Oder ein Fernsehhersteller weiß, Leute, die sich für mein Produkt interessiert haben, was haben sie sich denn sonst noch in dem Store angeguckt? Und was haben sie vielleicht gekauft? Und das sind alles Dinge, die ich machen kann. Und dadurch, wie gesagt, bewegen wir uns wirklich, also der TKP, mal drei, mal vier teilweise. Also im sehr, sehr, sehr hohen Bereich.
Marilyn Repp: Sehr spannend, was da in Zukunft noch kommt. Werbung. Ja, ihr findet das, was wir machen, gut bei Zukunft des Einkaufens. Wir machen das natürlich super gerne weiter kostenlos für euch und möchten euch an der Stelle bitten, uns fünf Sterne in den Podcatchern eurer Wahl zu geben. Ihr könnt uns aber auch ein paar Euro in den Hut werfen und Unterstützer oder Unterstützerin werden. Und zwar bei ZukunftDesEinkaufens.de auf der Webseite findet ihr einen Bereich „Unterstützer werden“ oder völlig kostenlos: Teilt unsere Inhalte in Social Media oder erzählt euren Kollegen, euren Kolleginnen oder euren Freunden von uns und unseren tollen Inhalten. Man kann mich und auch die anderen Autorinnen und Autoren bei Zukunft des Einkaufens auch buchen als Speaker. Ich spreche vor allen Dingen zu den Themen: Trends, Digitalisierung, Technologien im Handel. Meine Themen sind die Zukunft des Handels und ich beschäftige mich da hauptsächlich mit den jungen Zielgruppen. Also was machen die so abgespactes? Das Thema Metaverse, Web3, aber auch Künstliche Intelligenz, Gamification und Gaming. Das sind so meine Themen. Ich gehe weniger darauf ein, was diese Technologie, also was dahinter steckt, wie die funktionieren, sondern ich spreche eher darüber, was sie können, welche Tools gibt es, welche guten Beispiele gibt es und welche Unternehmen machen schon was. Ich zeige viele Best Practices und jetzt viel Spaß weiter beim Podcast.
Silvia, wo sind denn die Vorteile in Zukunft? Wo geht die Reise hin? Du hast ja, wie gesagt, immer das Big Picture auf der Uhr, wenn wir jetzt mal in die Zukunft blicken.
Silvia Talmon: Ich denke, dass jeder von uns weiß, dass wir in Zukunft über eine neue Form von Innenstadt, Erlebnis und Konzept nachdenken müssen. Und es ist auch kein Geheimnis, dass wir mittlerweile feststellen, dass unsere Immobilien einfach teilweise zu groß sind. Das heißt, wenn Galeria quasi seine sechs Etagen verlässt, dann kann das durchaus sein, dass es irgendwann nur noch die erste und zweite Etage für irgendein Retail Konzept geben wird und dass darüber halt Wohnraum, Sportbereiche oder Büros entstehen. Und es wird einfach notwendig sein, eine Art Umnutzungskonzept für unsere Innenstädte so zu entwickeln, dass sie für zukünftige Besuche wieder relevant und spannend werden. Jetzt ist es aber ja nicht so, dass sowas alles innerhalb von einem Jahr gemacht ist und auch für die ganzen Mieter dieser Immobilie sofort möglich ist umzustellen. Sprich, wir haben jetzt viele Einzelhändler, die stellen fest: Wir haben einfach zu viel Fläche, kommen aber aus dem Mietvertrag beispielhaft nicht raus. Und da greift dann einer der Trends der Kollaborationen, dass man mittlerweile ja sagt: Mensch, kann ich meine Einzelhandelsfläche, Top 1A Lage eigentlich super, nicht mit jemandem teilen, der quasi auch mit reingeht, weil wir dieselbe Zielgruppe haben, aber halt eben nicht konkurrieren, beispielhaft? Das kennen wir ja mittlerweile auch häufiger, in den PopUp-Flächen und so weiter und so fort. Das heißt, dieses Space Sharing wird ein Thema sein: Wie kann ich effizienter sein? Wie kann ich Community Spaces reinholen? Aber eben auch: Wie kann ich neue moderne Formen der Sichtbarkeit der Werbeflächen integrieren? Das heißt, Werbeflächen werden zukünftig nicht mehr nur noch am Schaufenster sein, wie wir das alle kennen. Die Schaufenster werden vermietet an andere Marken, die zahlen dafür, dass sie da ihre Pappaufsteller reinstellen dürfen. Das ist 90er, also es war auch toll in den 90ern, das hat uns damals weitergebracht. Es wird so sein als ein Potenzial, dass sich Händler überlegen: Wie kann ich weitere Werbeflächen in meinen Store integrieren, indem ich die haptisch-physisch erlebbar mache, aber auch indem ich sie digital verknüpfe? Das heißt, ein Community Space zu integrieren für Treffpunkte, für Kunden und Marken, Kollaborationspartner, Events und so weiter ist definitiv eine tolle Sache und das wird es auch zukünftig geben. Der Grund, warum ich überhaupt in die Innenstadt gehe, ist, weil ich meinen Influencer anfassen kann, den ich auf Social Media vorher erlebt habe. Aber das ist ein Ansatz und so wie ich den Handel in der Innenstadt wieder als Treffpunkt aufbauen werde in Zukunft, werde ich den Handel in der Innenstadt auch in kollaborative Partnerschaften erleben, dass ich quasi auch andere Marken, die keine Retail-Fläche haben, in der Verkaufsfläche eines Partners werben dürfen, weil es thematisch Sinn macht und das ist für mich am Ende dann die Möglichkeit, sich mit Retail Media in Store auseinanderzusetzen.
Marilyn Repp: Sehr schön. Matthias, wo siehst du die Retail Media Landschaft in, sagen wir mal, sieben Jahren?
Matthias Hofmann: In sieben Jahren, sehr gut, danke. Also ich habe es gerade schon kurz angesprochen, was so Trends sind, die wir sehen. Ich denke, dadurch, dass heute die Landschaft bei uns noch gar nicht so groß ist, ist einfach der, oder wo sind wir in sieben Jahren? Es wird einfach da sein, es wird einfach da sein und es wird auch kein Weg dran vorbeigehen, als großer Händler zu sagen: Ich habe kein Retail MediaNetzwerk. Das wäre so wie, wir haben ein klassisches Beispiel aus dem, was ich immer schon mal ganz gerne nenne, aus dem Mobilfunkbereich, als damals irgendwann ein Telefonhersteller gesagt hat: Wir brauchen keine Displays in Telefon, wir sind Marktführer, uns wird keiner vom Markt verdrängen. Und ein paar Jahre später gab es dann diesen skandinavischen Telefonanbieter nicht mehr.
Marilyn Repp: Wir wissen ja alle, wovon du sprichst.
Matthias Hofmann: Genau. Oder der Trend, der irgendwann mal sagt: Das Internet wird sich nicht durchsetzen. Also das heißt, wir werden einfach Netze haben und wir sind, also ich sage immer, ganz klassisches Beispiel, dieses Thema, wer den Film noch kennt: Minority Report: Du gehst in ein Handel rein und du siehst quasi überall personalisiert deine Journey, die auf dich wirklich zupasst und das sind Dinge, die werden kommen. Die werden einmal kommen, weil wir viele Daten haben und auch viel mehr Daten verwenden werden. Das wird auch kommen, weil es auch ganz andere Technologien geben wird, im Sinne von Displays zum Beispiel. Wir sprechen heute zum Beispiel über eine ganz neue Display-Technologie. Also wie gesagt, wir sind technikgetrieben, was sich nennt: Micro-LEDs. Das sind LEDs, organische LEDs, die du quasi in Glas einbauen kannst. Also damit werden dann irgendwann Kontaktlinsen gebaut, wo du quasi wirklich dir Werbung in die Kontaktlinsen reinprojizieren kannst. Wo du Scheiben, du kannst Scheiben in Displays umwandeln. Wenn das Display aus ist, guckst du durch, wenn das Display an ist, siehst du Content da drauf. Das sind Dinge, die, es wird schon sehr, sehr stark vertreten sein, wobei wir dann natürlich auch immer wieder diesen Trend, immer gucken müssen, dass es halt nicht zu viel wird, weil es gibt natürlich auch ganz krasse Beispiele. Ich habe es gesagt, wie ich vor 17 Jahren angefangen habe mit dem Thema LEDs. Die erste Antwort, die immer von Leuten kam: Nee, nee, geh weg damit. Ich will nicht, ich will es nicht, dass es wie in Las Vegas ist. Weil es einfach natürlich da eine Overdose ist an Informationen, gut, Las Vegas hat noch mal einen draufgelegt, hat das Sphere gebaut. Die haben sich gedacht: Nicht kleckern, klotzen. Aber auch das sind natürlich jetzt Extrembeispiele. Aber ja, es wird auf jeden Fall viel stärker vertreten werden, das muss man schon sagen, als das, was es heute schon ist. Und ja, das ist das, wo ich es, wo ich es tatsächlich sehe.
Marilyn Repp: Okay, Rollout an der Stelle. Ich möchte euch ganz herzlich danken für diesen Deep Dive und ich fand es wirklich super sinnig zu sagen: Big Picture und dann wirklich eintauchen in die einzelnen Problematiken vor Ort. Also so diese strategische und der Umsetzungsteil. Ich finde, es hat sich sehr schön ergänzt. Vielen lieben Dank dafür. Hab ich was vergessen? Wollt ihr noch was hinzufügen? Ansonsten danke ich euch ganz herzlich für diesen Austausch und wünsche euch ganz viel Erfolg und viel Spaß bei den zukünftigen Retail Media Projekten und bei allen anderen, natürlich auch.
Silvia Talmon: Danke.
Marilyn Repp: Vielen Dank, dass ihr da wart.
Silvia Talmon: Ja super, ganz lieben Dank.
Matthias Hofmann: Vielen Dank für die Zeit. Danke.
Silvia Talmon: Tschüss.
Matthias Hofmann: Tschüss.
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